Medienpädagoge: Digitale Medien mit kreativem Potenzial

24.4.2016, 17:31 Uhr
Medienpädagoge: Digitale Medien mit kreativem Potenzial

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Herr Lutz, es gibt viel Kritik an digitalen Medien. Aber gibt es denn auch etwas Positives anzumerken?
Klaus Lutz: Es geht in erster Linie nicht um positiv oder negativ. Als Pädagogen haben wir die Aufgabe, Jugendliche zu begleiten und nicht so zu tun, als gäbe es diesen virtuellen Raum nicht. Man verliebt sich, trauert, gründet Freundschaften – und unterscheidet dabei nicht mehr ständig zwischen realer und virtueller Welt. Man streitet sich nicht real oder virtuell; man streitet sich. Man muss den virtuellen Raum im Leben der Jugendlichen akzeptieren.

Und trotzdem gibt es immer wieder Befürchtungen, dass die jungen Leute negativ beeinflusst werden. Zu Recht?

Klaus Lutz: Natürlich muss man kritisch hinschauen. Aber man ist schlecht beraten, wenn man faktischen Veränderungen einseitig kritisch begegnet. Diese Diskussion hat ja schon eine lange Tradition, und oft wird dabei den Medien pauschal die Schuld zugeschrieben. Betrachtet man den Buchdruck — eine der größten, wenn nicht gar die größte Medienrevolution — so fragte man sich damals auch: Wie wirkt das, wenn auf einmal nicht mehr nur wenige Intellektuelle Zugang zu Wissen haben? Wie verändert das die Gesellschaft? Oder das Aufkommen der bewegten Bilder, des Kinos: Man traute dem Publikum nicht die Unterscheidung zu, was Fiktion und was Wirklichkeit ist, dass Ehebruch und Mord im Film lediglich fiktiv sind. Bis heute ist es uns nicht gelungen, mit solchen Ängsten vernünftig umzugehen.

Was setzen Sie dem entgegen? Welchen Blick haben Sie auf die Jugendlichen in der virtuellen Welt?
Lutz: Gerade im kreativen Bereich stoßen wir immer wieder auf Bewundernswertes. Auf Plattformen wie YouTube finden sich Hunderte von Formaten, die sich junge Menschen ausgedacht haben und die teils sogar vom Fernsehen übernommen werden. Gamer treffen sich, organisieren sich in Communitys, es vermischen sich Unterhaltung und Freundschaftspflege, wie eben auch im realen Leben. Ich bin oft überrascht und sehr angetan davon, wie Jugendliche ihre virtuellen Möglichkeiten nutzen.

Und wie sieht es in der Schule aus?
Lutz: Die Schule muss sich verabschieden von der Instrumentenlogik, die besagt, dass ein Medium zwingend das Lernen erleichtern muss. Denn digitale Medien leisten im Bildungsbereich erst einmal etwas anderes: Sie eröffnen uns andere Lernformen. Der Lehrer ist nicht mehr der, der alles weiß und das Wissen transportiert. Er ist eher der Mentor. Die Medien ermöglichen seinen Schülern, ihr Wissen selbst zu erarbeiten. Wer sich Wissen erarbeitet und Problemstellungen selbst löst, der kann das Wissen auch nachhaltig nutzen. Alles, was man nur erzählt bekommt, auswendig lernt und wieder runterspult, hat dagegen kaum einen nachhaltigen Lerneffekt.

Was raten Sie jungen Leuten in Bezug auf neue Medien?
Lutz: Gestaltet euren Alltag abwechslungsreich: mit und ohne Medien. Es ist wichtig, dass es in der Freizeit einen gesunden Mix gibt aus Mediennutzung und nichtmedialer Zeit, dass Interaktion auf der persönlichen Ebene und medial vermittelt stattfindet. Besonders persönliche Beziehungen darf man nicht ausschließlich medial pflegen, sondern sollte den persönlichen Kontakt suchen.

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