Philosophie ist eben doch alltagstauglich!

18.7.2016, 17:41 Uhr
Philosophie ist eben doch alltagstauglich!

© Aileen Gonda

Aus eigener Erfahrung weiß jeder, dass der Gedanke an den Tacker erst dann relevant wird, wenn man den Tacker benutzen will. Vorher gilt die Regel: aus den Augen, aus dem Sinn. Man hat zu viel im Kopf, als dass man an alles denken könnte.

Das geht uns auch mit Positivem so. Aber: Bekommen wir unerwartet ein Stück Kuchen angeboten oder sehen zufällig ein Bild, das uns an den vergangenen Urlaub erinnert, stört uns das im Regelfall nicht. Ganz im Gegenteil: Man hält gerne kurz inne und freut sich.

Anders bei negativen Störungen: Da ärgern wir uns. Folglich ist es nicht entscheidend, dass man erst durch einen äußeren Umstand auf etwas aufmerksam wird. Die Situation ist, wie sie ist. Ausschlaggebend ist das eigene Empfinden in dieser Situation. Es lässt sie uns als gut oder schlecht wahrnehmen – und uns entsprechend handeln.

Denn unser Verhalten hängt maßgeblich von unseren Emotionen ab. Diese werden durch Erlebnisse ausgelöst und beeinflussen sie wiederum.

Hier setzt die Philosophie ein. Zum Beispiel die Philosophieschule Vedanta, die auf Aussagen der verschiedensten Schriften des Hinduismus gründet. Der Vedanta nimmt den Eigenanteil am Geschehen unter die Lupe.

In einer der populärsten Schriften des Hinduismus, der Bhagavad Gita, heißt es zum Beispiel: „Beim Betrachten der Sinnesobjekte entwickelt der Mensch Anhaftung an sie. Aus solcher Anhaftung entwickelt sich Lust, und aus Lust geht Zorn hervor.“

Das bedeutet, dass die Umwelt wie beispielsweise ein leerer Tacker oder ein leckerer Kuchen beim Menschen eine bestimmte Erwartungshaltung auslöst. Und die legt fest, wie etwas zu sein hat, um als gut wahrgenommen zu werden. Wenn die Erwartung eintritt und damit die „Lust“ erfüllt ist, hat man ein positives Erleben. Geschieht das nicht, entsteht Unlust – oder „Zorn“.

Wie hilft einem das beim Tackerproblem? Durch den philosophischen Gedankengang erhält man einen Perspektivenwechsel. Es ist logisch, dass der Tacker aufgefüllt werden muss. Das lässt sich nicht ändern. Aber der eigene Umgang mit der Situation lässt sich anpassen.

Das ist entscheidend. Schließlich prägt die jeweilige Einstellung die eigene Wahrnehmung. Löst man sich von der Erwartungshaltung, dass der Tacker immer aufgefüllt sein muss, erfährt man keinen „Zorn“. Die ganze Angelegenheit verliert dadurch an Gewicht, und anstatt sich aufzuregen, füllt man eben völlig emotionslos den Tacker wieder auf.

Ist man dennoch genervt, bietet das einen neuen Ansatzpunkt zum Philosophieren. Die Frage lautet: Was veranlasst mich, mit Negativität zu reagieren? Diese Frage kann jedoch nur jeder für sich selbst klären. Ist die Antwort dann gefunden, hat man nicht nur eine philosophische Frage gelöst, sondern sich selbst einiges an unnötigem Ärger erspart. Fazit: Philosophie betrifft durchaus auch tagtägliche Probleme – und ist deswegen alltagstauglich.

Verwandte Themen


Keine Kommentare