Studienabbrecher sind nicht automatisch Versager

9.8.2016, 10:00 Uhr
Studienabbrecher sind nicht automatisch Versager

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Halle Berry, George Clooney oder Stefan Raab. Solche Promis werden gerne als Musterbeispiele herangezogen – für sogenannte Studienabbrecher, die nach ein paar Semestern Studium die Hochschule ohne Abschluss verlassen. Endgültig, ohne neuen Anlauf!

Natürlich wird nicht jeder Studienabbrecher ein Promi. Andererseits scheitern die wenigsten letztlich am Leben. Fast alle finden einen Job, der zu ihnen passt. Unter anderem deshalb, weil es Unternehmen gibt, die für ihre Azubi-Stellen gerade Studienabbrecher einstellen.

Zum Beispiel Matthias (22): "Klar, als Student", sagt er, "hat man oft ein schlaues Leben. Man kann sich seine Zeit relativ frei einteilen, und samstags hat man in der Regel immer frei." Trotzdem: Student zu sein, das war nichts für ihn.

Zweimal hat er es probiert: Klassische Archäologie hat er nach drei Semestern hingeschmissen, Geschichte und Politik schon nach einem. Beim ersten Versuch schreckte ihn nicht nur, „dass die Vorlesungen sehr trocken waren“, sondern vor allem die schlechte Aussicht auf einen Job. Beim zweiten Versuch hatte er eigentlich schon gar keine Lust mehr auf den Uni-Betrieb.

Matthias ist im 1. Lehrjahr Azubi bei Augenoptik Schlemmer, einem Unternehmen mit mehreren Filialen in der Region. Die Stelle hat er ohne große Probleme bekommen: ein Bewerbungsgespräch, ein einwöchiges Test-Praktikum, das war’s.

Hohe Quote

Ein Grund dafür ist sein eben nicht so ganz gerader Lebenslauf. "Wir haben die Erfahrung gemacht, das gerade Studienabbrecher intelligente Menschen mit großen kommunikativen Fähigkeiten sind, die gut zu uns passen", erklärt Firmenchef Frank Schlemmer. 40 Mitarbeiter in Vollzeit hat sein Unternehmen, davon sind immerhin fünf, also 12,5 Prozent, Studienabbrecher. "Ungewöhnlich hoch" nennt Schlemmer diese Quote, "aber eben auch typisch für uns." Grundsätzlich reicht ein Hauptschulabschluss für die Ausbildung zum Augenoptiker.

"Aber in der Berufsschule ist sehr viel Mathe und Physik dabei", sagt Schlemmer. "Daher nehmen wir doch eher Bewerber mit mittlerer Reife oder Abitur" - und ein paar Semester Studium schaden nichts.

Wie bei Laura (29), die es inzwischen zur Augenoptiker-Meisterin gebracht hat. Sie wollte zwar eigentlich nach dem Abi eine Lehre machen, war aber dann viel zu spät dran, sich noch rechtzeitig um einen Ausbildungsplatz zu bewerben.

Das Lernen gelernt

Also fing Laura an, Soziologie zu studieren. Und merkte schon bald: falsche Entscheidung! "Dann habe ich mich umgeschaut, was es so gibt, habe mich für eine Ausbildung als Augenoptikerin entschieden - und wurde mit der ersten Bewerbung genommen."

Drei Jahre dauert die Ausbildung in der Regel, wer in der Berufsschule gute Noten hat, kann auch auf zweieinhalb Jahre verkürzen. Und gute Noten bekommt man leichter, wenn man schon mal eine Uni von innen gesehen hat, findet Matthias. "Man hat gelernt, strukturiert zu lernen, und man ist auf Prüfungssituationen vorbereitet."

Sein Chef denkt, dass Studienabbrecher – und zwar völlig unabhängig von der Branche, in der sie eine Ausbildung machen – in der Regel eine ganz wichtige Eigenschaft mitbringen: "Sie sind in der Regel hoch motiviert. Denn sie haben schon einmal etwas versemmelt und wollen sich selbst kein zweites Mal erlauben."

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