Theorie und Praxis eng verknüpft

12.5.2016, 16:50 Uhr
Theorie und Praxis eng verknüpft

© Horst Linke

„Solch eine Chance bekommt man nur einmal im Leben“, sagt Prof. Boris Musset über die Chance, „am Aufbau einer neuen Universität mitzuwirken“. Musset (ein hugenottischer Name, der ohne das „t“, aber mit einnem langen „e“ am Ende ausgesprochen wird) hat zum vorigen Wintersemester den Lehrstuhl für Physiologie an der PMU in Nürnberg übernommen.

PMU steht für die „Paracelsus Medizinische Universität“, die im Sommer 2014 am Städtischen Klinikum in Nürnberg den Betrieb aufgenommen hat. Pro Studienjahr fangen jeweils 50 Studierende an, die in einem aufwändigen Aufnahmeverfahren ausgewählt werden – und pro Jahr 14 200 Euro Studiengebühren zu zahlen haben. Der 3. Jahrgang wird im August das Studium beginnen.

Die Medizinerausbildung an der PMU verläuft völlig anders als an einer staatlichen Universität, an der die Studenten zuerst naturwissenschaftliche Grundlagen, dann theoretische Medizin-Fächer und erst danach die klinischen Fächer kennenlernen.

„Bei uns sind die Naturwissenschaften, die theoretischen und die klinischen Fächer vom ersten Tag des Studiums an eng miteinander verknüpft“, erläutert PMU-Vizerektor Prof. Wolfgang Söllner. Die klinische Lehre holt sich die PMU direkt aus dem Klinikum, die naturwissenschaftiche Lehre wird an der Technischen Hochschule Nürnberg eingekauft.

Die theoretischen Medizinfächer wiederum baut sich die PMU Schritt für Schritt selbst auf – und zwar parallel zum Curriculum des ersten Studentenjahrgangs, dessen 2. Studienjahr sich mittlerweile dem Ende nähert. Bereits Anfang 2015 wurde der Lehrstuhl für Anatomie mit der Professorin Gundula Schulze-Tanzil besetzt.

Musset war die Nummer zwei der Neuen und hat mit seinem Team die Lehre im Grundlagenfach Physiologie etabliert. Wie Herz, Kreislauf, Niere und Lunge funktionieren, erfahren die Studenten nicht nur im theoretischen Unterricht.

Sie dürfen außerdem eigene Tests machen und in verschiedenen Bereichen des Klinikums hospitieren. Sehr gute Kenntnisse in Physiologie sind eine Voraussetzung für das Verständnis von Krankheiten und ihrer Behandlung“, erklärt Söllner.

Kanäle in der Zellmembran

Mussets Forschungsschwerpunkt sind sogenannte spannungsabhängige Protonenkanäle, das sind vergleichsweise große Eiweiß-Molekülstrukturen in der Zellmembran, die den Säuregrad (ph-Wert) der Zelle regeln.

Wenn solche Protonenkanäle beschädigt sind beziehungsweise, wenn der ph-Wert in einer Zelle nicht stimmt, kann es zu Erkrankungen wie Unfruchtbarkeit, Schlaganfall oder Krebs kommen. „Der Fokus unserer Forschung ist breit gefächert“, erklärt Musset, „da wir noch nicht genau wissen, in welchen Geweben sich solche spannungsabhängigen Protonenkanäle befinden und wie sie dort funktionieren.“ Zum Entschlüsseln der Funktion ist die Proteinstruktur der Kanäle ein wichtiger Bestandteil.

„Unsere experimentellen Ergebnisse vergleichen wir Computersimulationen“, erklärt Musset. So können die Forscher den Einfluss verschiedener Wirkstoffe auf die Protonenkanäl testen und vielleicht neue Medikamente entwickeln.

Musset wird dabei eng mit den Wissenschaftlern und Ärzten im Klinikum Nürnberg zusammenarbeiten. Denn vom Verständnis der Protonenkanäle erhoffen sich die Forscher neue Ansatzpunkte für die Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen.

Um die verschiedensten Forschungsaktivitäten der PMU mit dem Klinikum besser zu vernetzen und zugleich nach außen sichtbarer zu machen, hat die PMU zudem ein eigenes Forschungsreferat eingerichtet. Besetzt wurde es mit dem gelernten Mikrobiologen Ralph Bertram. Eines seiner Ziele: die Forschung an der PMU in öffentlichen Workshops der breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

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