„TTIP? Nie gehört. Ist das schlimm?“

17.9.2016, 10:00 Uhr
„TTIP? Nie gehört. Ist das schlimm?“

© imago

Unsere Mitarbeiterin Dilay Türk (26) kommt aus Nürnberg, lebt seit fünf Jahren in New York, hat dort studiert und sich für uns umgehört:

Wo findet man junge, informierte Leute, die sich mit TTIP auskennen? Auf einem Straßenfest der Uni – denke ich zumindest. Also mache ich mich auf zum Willkommensfest des Hunter College in Manhattan.

Zwischen Essbuden und Infoständen spreche ich mehrere junge Leute an. Doch ganz schnell wird klar: Keiner hat bisher auch nur ein Sterbenswörtchen von TTIP gehört.

Sana, Gozeel, Lital und Donna, die alle Naturwissenschaften studieren, schauen mich ratlos an. Ein bisschen peinlich berührt gibt jede Einzelne zu, dass sie ein solches Abkommen nicht kennt. Auch Sami (18) und Bekim (17) können sich nicht entsinnen, dass ihnen die vier Buchstaben schon mal untergekommen sind.

„Kenne ich nicht. Ist das schlimm?“, fragt mich Renee (20), Studentin der Medienwissenschaften, als ich sie auf TTIP anspreche. Eine ähnliche Reaktion ernte ich auch von David (23), Pravindi (20) und Sarah (17): eine Mischung aus Verlegenheit und einem halb-panischen „Sollte ich das wissen?“.

Nach mindestens 20 solcher Gespräche auf dem Straßenfest versuche ich es direkt in der Uni. Und siehe da: Zwei Leute geben mir zumindest eine Einschätzung zu Handelsabkommen allgemein. Hector (19), der Neurobiologie studiert, sieht solche Verträge skeptisch: „Dabei profitieren nur die großen Konzerne – und im Endeffekt schadet es der Welt mehr, als dass es irgendwem guttut.“

„TTIP? Nie gehört. Ist das schlimm?“

© Dilay Türk

Auch Lindsey (19), die Medienwissenschaften studiert, hat eine klare Meinung: „Alle Handelsabkommen sollten von uns Bürgern hinterfragt werden. Solche Sachen werden doch meist hinter verschlossenen Türen entschieden. Wenn alle Bürger wüssten, in was der Staat sich da hineinbegibt, gäbe es sicher mehr Proteste.“

Am Ende treffe ich noch David (18), Mathe-Student. Er fasst die Eindrücke, die ich bei meiner Umfrage gewonnen habe, wunderbar zusammen: „Ich habe keine Ahnung, was TTIP ist. Aber ich finde, das sagt doch viel aus! Wenn das so ein großes Handelsabkommen zwischen zwei der mächtigsten Wirtschaftsblöcke der Welt ist, dann sollte das ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden, oder?!“

 

Auch unsere USA-Korrespondentin Susanne Güsten in Washington haben wir um eine Einschätzung gebeten, wie TTIP in den USA gesehen wird:

Die Regierung von Barack Obama zählt das Abkommen zu ihren Hauptanliegen in der verbleibenden Amtszeit des Präsidenten – und hält daran fest. Allerdings bestehen in den USA grundsätzliche Widerstände gegen transkontinentale Handelsabkommen.

Im aktuellen Wahlkampf ums Präsidentenamt kritisieren sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump ein ganz anderes Abkommen, nämlich das fertig ausgehandelte, aber noch nicht verabschiedete Pazifische Handelsabkommen TPP. Es will freien Handel zwischen den Ländern USA, Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam herstellen.

Betrachtet man Trumps und Clintons Positionen, ist davon auszugehen, dass ein neuer Anlauf für ein amerikanisch-europäisches Handelsabkommen in den kommenden Jahren sehr schwierig wäre. Trump wäre wohl noch weniger geneigt, eine neue Lösung mit den Europäern zu suchen als Clinton. Denn er betont, die USA würden durch bisherige Abkommen stark benachteiligt.

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#TTIP-INfoExtra-Info:

TTIP — überall geistern diese vier Buchstaben herum. Aber was bedeuten sie eigentlich? Ausgeschrieben heißt TTIP „Transatlantic Trade and Investment Partnership“, zu Deutsch: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft.

Man nennt es oft einfach Freihandelsabkommen – denn genau darum geht es: Die USA und die Staaten der Europäischen Union wollen frei und ohne Schranken miteinander Handel treiben. Mit dem TTIP-Vertrag würden also zum Beispiel die Zölle aufgehoben, die bisher gezahlt werden müssen, wenn Waren aus der EU in die USA importiert werden und umgekehrt.

Außerdem geht es auch darum, einheitliche Standards zu schaffen. Bisher gibt es zum Beispiel unterschiedliche Regeln, wie Autos gebaut sein müssen, damit sie zugelassen werden. Und auch bei Lebensmitteln ist unterschiedlich geregelt, wie sie verarbeitet werden dürfen oder wie genau ihre Herkunft angegeben werden muss.

Befürworter von TTIP sagen: Der Vertrag gibt den Firmen Sicherheit und sorgt für einen fairen Wettbewerb, weil für alle gleiche Regeln gelten. Die Gegner aber befürchten, dass faule Kompromisse herauskommen. Europäische Regeln für die Sicherheit von Lebensmitteln etwa könnten verloren gehen.

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