Wenn Stefan zu Paco wird

17.1.2015, 10:00 Uhr
Wenn Stefan zu Paco wird

© Fotos: Torsten De Souza Santos

Der Kurzfilm „Rasse“ handelt von einem jungen Deutschen, der versucht dazuzugehören. Um mit dem Bosnier Dejan und der Türkin Mergime befreundet zu sein, ändert er nicht nur seinen Vornamen Stefan in den ausländisch klingenden Namen Paco, sondern versucht auch, den anderen Cliquen-Mitgliedern zu gefallen: Der 17-Jährige bricht Regeln und geht zum Beispiel klauen.

Durch die Freundschaft mit der jungen Mergime wird Paco in der anderen Kultur akzeptiert und in Dejans Freundeskreis aufgenommen. Aber er bleibt ein Außenseiter und wird als „Möchtegern-Kanake“ beschimpft. „Ich habe schon öfter Situationen erlebt, in denen deutsche Schüler wegen ihrer Herkunft gemobbt wurden“, erzählt Produzent Wesley Howard, der das Filmprojekt ins Leben rief.

Der 35-jährige Schulcoach wird bei seiner Arbeit an einer Brennpunkt-Mittelschule in der Region täglich mit Rassismus und Mobbing konfrontiert: „Viele Schüler versuchen sich anzupassen und distanzieren sich ganz bewusst von dem klassischen Bild eines Deutschen, der die Regeln befolgt.“

Wesley weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, auf Grund seiner Wurzeln gemobbt zu werden. Sein Vater ist Afroamerikaner und seine Mutter Deutsche. Obwohl er in Deutschland geboren wurde, wurde er als Ausländer gesehen. „In der Grundschule gab es genau zwei Dunkelhäutige: mich und noch einen anderen Schüler“, erzählt Wesley. „Ich hatte eine ziemlich krasse Jugend, weil ich mir dachte: Ich gebe euch das, was ihr eh schon aus mir macht – einen Ausländer.“

Wenn Stefan zu Paco wird

Wesley ist in Bayreuth aufgewachsen und sagt selbst, dass Mobbing und Ausländerfeindlichkeit auf dem Land schlimmer seien als in der Stadt. „Die Menschen haben Angst vor dem, was sie nicht kennen“, fügt er hinzu, „in der Stadt ist der Migrantenanteil höher als auf dem Land, es gibt einige Klassen in denen fast jeder einen Migrationshintergrund hat“. Auf dem Land dagegen ist der Ausländeranteil klein, und die Menschen haben nicht die Möglichkeit, einander richtig kennenzulernen. „Das schränkt den Blick gewaltig ein“, sagt der 35-Jährige.

Als Schulcoach bildet Wesley unter anderem Streitschlichter aus. Die Idee zu dem Film entstand in einer Schultheater-AG. „Meine Schüler wollten mal ein ernsteres Projekt machen“, erzählt er. „Und da ich selbst Erfahrungen mit Rassismus gemacht habe, entschieden wir uns für dieses Thema.“ Der Film soll zeigen, dass nicht nur Schüler mit Migrationshintergrund gemobbt werden, sondern auch deutsche Jugendliche.

Aber der Film ist nie ganz fertig geworden. „Mir ist das immer im Hinterkopf geblieben, und ich dachte mir: Irgendwann will ich das noch mal richtig machen“, sagt Wesley. Bei einem Nürnberger Filmwettbewerb im Jahr 2013 bekam er die Chance, seinen Film vorzustellen und gewann den ersten Platz.

Im Juni fiel dann der Startschuss zum Dreh. An sechs Tagen filmte die Crew in Nürnberg und Erlangen. Im Film wird Dejans Bruder Opfer von Rassismus. Er arbeitet in einer Werkstatt, und sein Chef diskriminiert ihn, indem er ihn etwa länger arbeiten lässt. Seinen Frust lässt der Bruder zu Hause aus – Dejan bekommt den geballten Hass zu spüren und nimmt diesen mit in die Schule. Dort lässt er ihn an Paco aus.

Es ist ein Kurzfilm entstanden, der zum Nachdenken anregt und zeigt, dass Rassismus nicht nur im Kontext des Nationalsozialismus steht. „An Mittelschulen ist Fremdenhass stärker spürbar als an Gymnasien oder Realschulen“, sagt Wesley, „aber er existiert in beide Richtungen. Deutsche Jugendliche verleugnen ihre Herkunft und versuchen einen Bezug zum Ausland herzustellen – auch wenn es nur die Oma aus Polen ist.“ Andere grenzen sich ab und werden zu Einzelgängern.

Wenn Stefan zu Paco wird

Allerdings ist es nicht überall so drastisch wie im Film dargestellt. An den Schulen, an denen Wesley arbeitet, habe sich die Situation verbessert: „Inzwischen hat sich einiges getan, und es gilt jetzt, die Akzeptanz der Flüchtlingskinder zu erhöhen“, sagt der Filmemacher. Dennoch bleibt Rassismus ein weltweites Problem.

Der Film „Rasse“ von Wesley Howard dauert 30 Minuten und feiert Ende Februar in einem Nürnberger Kino Premiere. Den genauen Termin und Ort findet ihr dann auf der Fanpage www.facebook.com/rassederfilm „Rasse“ soll anschließend vor allem an Schulen verkauft werden und einen Beitrag zur Aufklärung gegen Rassismus leisten. Wer sich vorab den Trailer anschauen möchte, findet diesen auf www.youtube.com, wenn er in die Suche „Rasse Trailer“ eingibt.

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