Zehn Jahre schwimmendes Klassenzimmer

3.7.2018, 20:15 Uhr
Zehn Jahre schwimmendes Klassenzimmer

© Foto: KUS-Projekt

Die Reise führt sie über den Atlantik, auf hohe Berge, in die Tiefen des Dschungels und vor allem zu sich selbst. Jedes Jahr fahren 34 14- bis 16-Jährige von Oktober bis April auf dem Dreimast-Segelschiff "Thor Heyerdahl" 190 Tage bis in die Karibik und wieder zurück. Unterwegs lernen sie das Segeln, aber auch alle Schulfächer wie Mathe, Geografie und Spanisch an Bord.

Die Idee dazu hatte Claudia Kugelmann, 15 Jahre war sie Professorin für Sportpädagogik an der Uni Erlangen-Nürnberg. "Wir wollten den Prototyp einer umfassenden Bildungsidee entwerfen, lebendiges Lernen an außerschulischen Lernorten", sagt sie in ihrer Rede beim Festakt in der
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät am Samstag in Nürnberg. "Die Schüler sollen sich auf der Reise mit den Menschen, der Natur und verschiedenen Kulturen auseinandersetzen." Auf Teneriffa halten sie Referate zu Vulkanen, auf Kuba zum Kommunismus. Sie leben bei Indianern, in Gastfamilien und im Internat. Gemeinsam planen sie Exkursionen und organisieren das Leben mit 50 Menschen auf einem 50 Meter langen Schiff.

Zehn Jahre schwimmendes Klassenzimmer

© Foto: KUS-Projekt

"Es geht darum, dass die Schüler selbst Verantwortung übernehmen, für sich selbst und in der Gruppe", fasst Thomas Eberle das Konzept zusammen. Der Professor für Erlebnispädagogik an der Uni in Nürnberg begleitet das "Klassenzimmer unter Segeln" seit 2012 als wissenschaftlicher Leiter. Er und sein Team befragen die Jugendlichen vor, während und nach bestehenden Herausforderungen auf der Reise und beobachten ihre Entwicklung in dieser Zeit.

Daraus ziehen sie Schlüsse, wie auch der Unterricht in einer Schule an Land besser gestaltet werden könnte. "Die Teilnehmer sind hinterher nicht intelligenter als andere in ihrem Alter, aber fokussierter, selbstständiger und sozialer", erklärt der Experte. An Bord müssen sie selber waschen, kochen und putzen. "Wir kommen raus aus der Komfortzone, rein ins richtige Leben", sagt Annika Möslein, die 2012 bis 2013 mitgefahren ist und inzwischen Ingenieurwissenschaften in München studiert. "KUS war für uns das Tor zur Welt, es hat unseren Horizont verändert und diese Offenheit nehmen wir ein Leben lang mit."

Zehn Jahre schwimmendes Klassenzimmer

© Foto: KUS-Projekt

Zum Geburtstagswochenende in Nürnberg sind ehemalige Teilnehmer aus allen zehn Jahrgängen gekommen, ihre Lehrer, Eltern und Teile der Schiffscrew. Neben dem Festakt stehen auch eine Stadtrallye und eine Party am Abend in der Jugendherberge auf der Burg auf dem Programm.

Detlef Soitzek, Kapitän der "Thor", ist ebenfalls unter den Gästen. "Mit 34 Jugendlichen in sechseinhalb Monaten um die halbe Welt zu segeln, ist auch heute noch, trotz Technik und Sicherheit, ein großes Abenteuer", sagt der 67-Jährige. "Das ist keine Klassenreise, sondern reale Seefahrt mit vielen Entbehrungen." Ohne Eltern, Handyempfang und mit nur wenig Privatsphäre unterwegs, dafür mit beeindruckenden Sonnenuntergängen, Schlafen unterm Sternenhimmel und unvergesslichen Erlebnissen.

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