Aktiv den eigenen Stadtteil gestalten

16.1.2020, 19:10 Uhr
Aktiv den eigenen Stadtteil gestalten

© Foto: Frank Steigner/Awo

Denn zunächst einmal verschwindet damit auch die Norma – und das heißt während der Baustelle für einen Zeitraum von vielleicht zwei Jahren die Möglichkeit, wohnortnah einzukaufen. Ein Problem für diejenigen, die nicht mehr mobil sind. Für manche ist sogar das Busfahren eine unüberwindbare Hürde. Zum einen aus körperlichen Gründen. Zum anderen, weil der Fahrpreis für sie zu teuer ist.

Dass dringend etwas geschehen muss, steht für Karl-Heinz Bauer, den Vorsitzenden des Ortsvereins Erlangen West der Arbeiterwohlfahrt (Awo), aber schon länger außer Zweifel. Mit dem Projekt "Büchenbach – lebenswert auch im Alter!" hat sich die Awo nun auf den Weg gemacht, um die Lebenssituation von Senioren in dem Stadtteil zu verbessern.

Vor zwei Jahren begann der Prozess. Zunächst wurde eine Sozialraumanalyse erstellt. Vor allem aber habe man, sagt Frank Steigner, der Koordinator des inzwischen gestarteten Projekts – das heute auch beim Neujahrsempfang im Awo Sozialzentrum vorgestellt wird – , mit Bürgern und verschiedenen Akteuren gesprochen. Wichtig sei insbesondere das, was die Bürger selbst über ihren Stadtteil sagen – was sie sich wünschen und was in ihren Augen derzeit zu kurz kommt. Darauf basierend hat man ein Konzept entwickelt und bei der Deutschen Fernsehlotterie eingereicht. Mittlerweile kam die Zusage für eine dreijährige Förderung, mit der die Arbeit des Projektkoordinators unterstützt wird.

Das für das Projekt ausgewählte Gebiet umfasst große Teile Büchenbachs, nicht enthalten sind das Industriegebiet am Hafen und die Gebiete mit der neuesten Bebauung im Westen Büchenbachs.

So unterschiedlich das Projektgebiet vom alten ursprünglichen Dorfkern im Süden bis zum Baugebiet "In der Reuth" ganz im Norden, von den Hochhäusern am Europakanal im Osten bis zu den Häusern an der Mönaustraße im Westen ist, eines lässt sich übereinstimmend feststellen: Im Vergleich zur Gesamtstadt leben hier überdurchschnittlich viele Senioren.

Von den 12 411 Bewohnern des Projektgebiets sind 2705 über 65 Jahre alt. Das entspricht einem Anteil von 21,8 Prozent. Zum Vergleich: In ganz Erlangen sind es 18,3 Prozent.

Mittendrin – in Büchenbach Nord – liegt das Awo Sozialzentrum. Bis zu 178 Bewohnerinnen und Bewohner leben in dem Pflegeheim. Hier hat auch Frank Steigner seinen Schreibtisch. Der Projektkoordinator sei "Sensor" im Stadtteil, aber auch Sprachrohr, erklärt Einrichtungsleiter Enno de Haan.

Steigner selbst verweist auf die gute Vernetzung: In einer diakonischen Runde tauschen sich alle sozialen Einrichtungen und die Kirchen immer wieder aus. Probleme gibt es zur Genüge. Büchenbach Nord ist der Bezirk der Stadt mit dem schlechtesten Sozialindex. Der Anteil von Bewohnern mit Grundsicherung im Alter beträgt 5,6 Prozent und ist damit mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtstadt.

Was also lässt sich aus Sicht der Bürger im Projektgebiet verbessern? Auf den Wunsch nach besserer Information über die Angebote vor Ort hat die Awo bereits reagiert. Ihre vierteljährlich erscheinende Zeitschrift "Umschau" wird jetzt nicht mehr nur für die Heimbewohner herausgegeben, sondern mit dem Untertitel "Büchenbach l(i)ebenswert" als Stadtteilzeitung verteilt.

Vor allem aber wünschen die Bürger sich eine Begegnungsmöglichkeit. "Einen Ort, wo man einfach mal hingehen und Kaffeetrinken kann", sagt Frank Steigner. Er weiß sich dabei im Einklang mit dem Seniorenamt der Stadt. Dieses hat bei der Erarbeitung eines Seniorenkonzeptes ebenfalls erfahren, wie wichtig für ältere Menschen die Angebote im eigenen Stadtteil sind.

Einen zwanglosen Stadtteiltreff möchte man nun also schaffen. "Wir müssen gegen die Vereinsamung der Menschen vorgehen", sagt Karl-Heinz Bauer. Den Raum dafür, zeigt er sich zuversichtlich, werde man bereitstellen können. Dann aber braucht es auch noch Personen, die dort ehrenamtlich oder gegen ein geringes Entgelt tätig sein wollen. "Das Ganze muss sich entwickeln", sagt Steigner. "Wir sind offen für Leute, die sich beteiligen wollen."

Das ist ohnehin das Motto für das Projekt in den nächsten drei Jahren: Die Senioren erhalten die Chance, sich aktiv an der Gestaltung ihres Stadtteils zu beteiligen. "Wir brauchen etwas, das offen ist nach allen Seiten", meint Karl-Heinz Bauer. "Und halt Menschen. Ich denke, das können wir schaffen."

Noch weiter öffnen will sich auch das Awo Sozialzentrum. So sollen zum Beispiel die bisherigen Kooperationen mit Kindergärten und Schulen intensiviert werden – für die Begegnung unterschiedlicher Generationen. "Und wir haben noch viele weitere Ideen", sagt Enno de Haan.

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