Alltag draußen, Freundschaft drinnen

18.5.2020, 09:50 Uhr
Alltag draußen, Freundschaft drinnen

© Foto: Rainer Heubeck

Rund 300 Mynheers aus den verschiedenen Sozietäten zwischen Sonthofen, Hof, Bonn und Landau wären angereist, sodass Quartiermeister Pieter van Krommenie (Pappenheims Altbürgermeister Peter Krauß) neben allen Pappenheimer Fremden- und Privatbetten sogar Einzelzimmer im Treuchtlinger Campus gebucht hatte. Doch die "Van Van"-Rufe der honorigen Herren, die sonst Ende Mai durch die Pappenheimer Altstadt erschallten. heuer nicht.

Alles war eigentlich perfekt eingetütet von den Mitgliedern der mittlerweile 20. Niederländter-Sozietät, die erst im Herbst 2019 in Pappenheim gegründet worden war. Die "Veste im Trawt Nest" ist die jüngste Ortsvereinigung in der 150 Jahre währenden Tradition des Männerbundes, der sich der Freundschaft, dem Humor und den Künsten verschrieben hat. Die Corona-bedingte Absage schmerzt, doch das Jubiläum soll auf jeden Fall gefeiert werden – aber erst im kommenden Jahr, wie Peter Krauß erläuterte.

Zwar habe man auch eine Verschiebung in den Oktober überlegt, doch eine Feier im Festzelt und eine Mayenpredigt im Burginnenhof bei eher kalter Witterung konnten sich die verantwortlichen Mynheeren nicht recht vorstellen. Zudem soll das Treffen doch der Ankunft des "Mayen" und des Frühsommers huldigen. Auch deshalb wird das Jubiläum und die damit verbundene "Grosz Weltumbsegelung bis gen Pappenheimb" (wie die Jahrestreffen genannt werden) nun am 28. bis 30. Mai 2021 begangen. Ihre spezielle Kleidung, die sogenannten "Wämbslyn" werden die "All Niederlandt"-Mitglieder so noch ein Jahr im Schrank hängen lassen, bevor es zum großen Treffen gehen wird und die Freunde wieder mit "Van" begrüßt werden.

Der "Van"-Ruf offenbart denn auch das eigentliche und zwischenmenschliche Band der Vereinigung: "Vivat Amicitia Nostra" – "Es lebe unsere Freundschaft". Die gilt im normalen Leben (niederländtisch "Vulgärwelt") und im Besonderen bei den Treffen. Themen aus Politik, Wirtschaft, Arbeit und Religion sind verpönt – die Probleme und der Ärger des Alltags sollen außen vor bleiben. Bei den Treffen im "Losament" oder "Lokälyn" sind vielmehr "froh Gemüt, geschickte Hand" angesagt – humorige Vorträge oder Gedichte, Musikstücke oder Bilder sollen vorgetragen oder gezeigt werden und zur jeweiligen monatlichen "Auffgäb" der Sozietät passen. Perfektion ist hier weniger gefordert als individuelle Ausgestaltung oder persönlicher Einsatz. Da ist es egal, ob ein Lied mit dem "Winsulholz" (so wird die Geige bezeichnet) erklingt oder ein gehöriger "Plackschiß" (Aufwand, unangenehme Arbeit) nötig war für einen nicht immer ernst gemeinten Beitrag. Die Sprache der "Niederländter" ist angelehnt an das Frühneuhochdeutsche, wie es Grimmelshausen auch in seinem schelmisch-satirischen Roman "Simplicissimus" benutzt hat.

Weiteres Vorbild für den Gründervater, den bayerischen Reiteroffizier und Maler Ludwig von Nagel, waren die Gilden der niederländischen Maler, die in den Zusammenschlüssen die Kunst und die Freundschaft pflegten. Von Nagel als "Urmynheer" erweiterte dieses Spektrum noch um den Humor und die Musik. Das offizielle Gründungsdatum ist der 7. Februar 1870 in Bayreuth – die Sozietät nannte sich "Mahlkasten". Der damalige Tagesheilige St. Romuald wurde kurzerhand zum Schutzpatron erhoben. Wappentier ist der von Ludwig von Nagel ("Adrian van Os") gezeichnete Lindwurm, der die Vereinigung als seinen Schatz bewacht.

Die Verbindung der in Bayreuth gegründeten Gesellschaft, der zunächst vornehmlich Offiziere des bayerischen Militärs angehörten, zu Pappenheim kam durch die ansässigen Grafenfamilie zustande. Max Graf von Pappenheim hatte im Mai 1884 die Schirmherrschaft über das erste Treffen der damals drei Sozietäten übernommen. Seit der "Erist Mayenfahrt" ist Pappenheim das Ziel der "Weltumbsegelung", zur mittlerweile 136. Auflage werden aber erst im kommenden Jahr die Segel gesetzt. 

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