Augsburger Studie

"Cave-Syndrom" nach dem Lockdown: Vielen macht die Rückkehr zur Normalität Angst

25.10.2021, 05:55 Uhr
Das sogenannte „Cave-Syndrom“, bei dem die Menschen lieber in ihrer sicheren Höhle bleiben als mit anderen in Kontakt zu treten, betrifft derzeit viele Bürger.  

© Sina Schuldt/dpa, NN Das sogenannte „Cave-Syndrom“, bei dem die Menschen lieber in ihrer sicheren Höhle bleiben als mit anderen in Kontakt zu treten, betrifft derzeit viele Bürger.  

Während der Corona-Lockdowns nicht ausgehen zu dürfen, keine Freunde zu treffen und auf Kultur zu verzichten bedeutete längst nicht für jeden die Hölle auf Erden. Ein erstaunlich hoher Prozentsatz hat sich in der Zeit der Isolation und der Videokonferenzen nach den Erhebungen des Augsburger Instituts für Generationenforschung offenbar so wohl gefühlt, dass die jetzt voran schreitenden Öffnungen eher für Unbehagen als für Freude sorgen.

Dieses sogenannte "Cave-Syndrom", bei dem die Menschen lieber in ihrer sicheren Höhle bleiben als mit anderen in Kontakt zu treten, werde sich aber mit voranschreitender Zeit wieder abflachen, kommentierte Studienleiter Rüdiger Maas.

Seit den ersten Corona-Beschränkungen im März 2020 führte das Institut mehrere repräsentative Umfragen unter 1500 Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Die Datensammlung lasse Rückschlüsse auf das "Cave-Sydrom" zu, so Maas. Dabei handele es sich jedoch in der Regel nicht um etwas Pathologisches, sondern um eine "Anpassungsverzögerung", wie sie nach belastenden Lebensveränderungen auftrete. In der Folge verspürten die Betroffenen Ängste, teilweise auch depressive Verstimmungen und hätten Probleme, die alltäglichen Aufgaben zu bewältigen.

Bei einer Erhebung von Anfang August dieses Jahres stimmten jeweils 13 Prozent der zwischen 1995 und 2010 Geborenen ("Generation Z") sowie der zwischen 1965 und 1980 Geborenen ("Generation X") der Auffassung zu: "Am liebsten würde ich den Pandemie-Alltag beibehalten". In der "Generation Y" (Jahrgang 1981 bis 1994) waren es sogar 25 Prozent und in der "Generation Babyboomer" (Jahrgang 1950 bis 1964) 15 Prozent. Allerdings zeigt schon der Vergleich mit einen Monat zuvor erhobenen Daten, dass sich die Sehnsucht nach den vermeintlichen Vorzügen des Lockdowns mit zunehmendem Zeitabstand abschwächt.

Für den Blick in die Zukunft gilt das nicht. Die "Generation der Babyboomer" ist hier besonders skeptisch. Die Quote der 59- bis 70-Jährigen, die von der Zukunft nichts Gutes erwarten, hat sich seit Mai von unter 60 Prozent auf fast 70 Prozent hinauf bewegt. Demgegenüber sank die Pessimisten-Quote unter den 11- bis 25-Jährigen ("Generation Z") im August von 30 auf unter 20 Prozent ab und stieg bis Anfang September wieder leicht an.

"Der Zusammenhang - je älter die Person, desto negativer der Blick auf die Zeit nach Corona - zeigt sich in den Fragen nach Optimismus und Pessimismus deutlich", so Studienleiter Maas. Mit fortschreitenden Lockerungen verlieren insbesondere junge Menschen zunehmend ihre Angst vor dem Draußen.

Dass der Gemütszustand auf dem Weg zur Normalität ist, scheint die Zustimmungsrate zur Aussage "Ich habe Angst vor der neuen Normalität nach der Corona-Pandemie" zu belegen. Nach einem Höhepunkt zur Mitte dieses Jahres sank die Zahl derjenigen, die dieser Aussage zustimmten, bis Mitte September drastisch ab. Am wenigsten Angst zeigten zu diesem Zeitpunkt die Generationen "Z" und "Y" während die Gruppe der Babyboomer noch zu 30 Prozent Angst vor der neuen Normalität schilderte.

Mit ihren Anpassungsverzögerungen stehen die Mitteleuropäer nicht allein. Die nordamerikanische Psychological Association (APA) berichtete kürzlich, dass der Gedanke an die Rückkehr zu einem ähnlichen Lebensstil wie vor der Pandemie fast bei jedem zweiten Nordamerikaner Unbehagen auslöse.

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