Dem Wurstdieb auf der Spur

13.6.2014, 06:00 Uhr
Dem Wurstdieb auf der Spur

© Ilona Kriesl

CADOLZBURG — Kilian Thoms Blick ruht auf dem Papier, das er in seinen Händen hält. Mit ruhiger Stimme liest er den Text vor. Die Hauptfigur seiner Geschichte, ein Unternehmer namens Dennis Klopfer, ist soeben in einen Brunnenschacht gestürzt. Ein Polizist soll sich an die Aufklärung des Todesfalls machen – doch er findet zunächst keine heiße Spur. Kilian Thoms blickt während des Lesens kurz auf, seine bunten Dreadlocks hängen ihm ins Gesicht. Der Junge, der diesen spannenden Krimi verfasst hat, ist gerade einmal 13 Jahre alt.

Dem Schriftsteller Leonhard F. Seidl gefällt die Krimi-Kurzgeschichte besonders gut, „weil der Text mit gekonntem Witz ausgestattet ist und sich die Arbeit an den Figuren bemerkbar macht“. Wie im echten Leben könne man die Personen „eben nicht nur in gut und böse“ unterteilen, sondern sollte sie „dreidimensional“ gestalten – so wie es Kilian Thoms gemacht hat. Die Reaktionen der Zuhörer geben ihm Recht: Kilians laut seufzender Polizist, der nicht so recht in die Gänge kommen will, amüsiert das Publikum.

Was Kriminalgeschichten betrifft, ist Leonhard F. Seidl ein echter Experte: Der Sozialpädagoge veröffentlichte etliche Kurzkrimis, zuletzt erschien sein Kriminalroman „Genagelt“. An zwei Nachmittagen hat sich der Schriftsteller mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Jugendzentrums Herz zusammengesetzt und die jeweiligen Geschichten konstruiert: „Dinge wie Gerüche, Farben und Formen müssen visualisiert werden – das ist wichtig für sinnliche Texte.“ Vielschichtige Personen verleihen dem Text Authentizität – und sorgen selbst in Krimigeschichten für lustige Momente.

Kursteilnehmerin Ursula Drechsel schreibt bereits seit ihrer Jugend, „vor allem Gedichte“. Obwohl sich der Schreibworkshop in erster Linie an Jugendliche wandte, habe sie der Kurs interessiert. Die 45-Jährige arbeitete früher als Lektorin und Sachbuchautorin. „Ein Krimi ist dagegen Premiere für mich“, verrät die gelernte Sekretärin. In ihrer Geschichte „Tschüß Muttertag“ hat sie die Hassliebe eines Sohnes zu seiner Mutter thematisiert – die Zuhörer fesselte sie damit ab der ersten Minute.

Der Workshop mit Ewald Arenz richtete sich an Schüler der Cadolzburger Grundschule. Um sich inspirieren zu lassen, besuchten die Kinder die Cadolzburg. „Der Wehrgang, die Küche oder ein Saal können Handlungsorte für Geschichten sein“, sagt der Schriftsteller. „Die Recherche vor Ort ist wichtig, die betreibt jeder Schriftsteller.“

Die Eindrücke, die die Schüler sammelten, spiegeln sich in ihren Geschichten wider. Ein Trio lüftet das Rätsel um verschwundene Katapultsteine, ein anderes Team entdeckt einen losen Bodenstein in der Burg und begibt sich auf eine spannende Zeitreise. Zwei Schülerinnen kommen einem Wurstdieb in der Burgküche auf die Schliche, während ihre Klassenkameraden dem Kurfürsten Albrecht das Leben retten.

Wer selbst einmal schreiben möchte, dem rät Leonhard F. Seidl viel zu lesen – und sich im Anschluss beim Schreiben selbst auszuprobieren. „Wichtig ist, dass man offen für Kritik bleibt“, weiß der Schriftsteller, „denn ein konstruktiver Austausch wirkt wie ein Katalysator.“ Diesen Rat hat sich auch Kilian Thoms zu Herzen genommen. Der 13-Jährige arbeitet bereits an seinem nächsten Projekt: einem Fantasy-Roman.

Keine Kommentare