Deutschkurs für Flüchtlinge in Burgthann

21.9.2015, 07:23 Uhr
Deutschkurs für Flüchtlinge in Burgthann

© Gisa Spandler

Das wünscht sich jeder Lehrer: Schülerinnen und Schüler, die die Ohren spitzen, ihre Hausaufgaben machen, im Chor nachsprechen, was Verena Wilken im evangelischen Gemeindehaus vorspricht. Sami, Feisal und Ali geben sich bei der Wiederholung des Gelernten der letzten Stunde Mühe: „Sie wünschen…“, „Ich hätte gern“ und dann die schwierigen Zahlen. Einkaufen heißt das Thema. Sie und die anderen der elf Männer und zwei Frauen, vorwiegend aus Syrien, aber auch aus dem Irak, schauen auf den Einkaufskorb, den die Altdorfer Lehrerin mitgebracht hat, benennen den darin enthaltenen Apfel, identifizieren Wörter, Redewendungen und lauschen den Höraufgaben vom Band. Sie sollen erkennen, wo in dem noch unverständlichen Redeschwall, der mehrfach vorgespielt wird, der Preis eines Lebensmittels versteckt ist.

Sprechanlässe üben

Sprechanlässe aus dem Alltag werden geübt. Omar spricht nach, was er verstanden hat: 1,99 Euro für ein Kilo Tomaten. Die Lehrkraft verbessert die Aussprache, lobt, bestärkt und wiederholt, wiederholt, wiederholt. Dabei hat sie es nicht leicht. Nicht nur weil das Ausgangsniveau ihrer Schüler so unterschiedlich ist – manche mussten erst alphabetisiert werden – sondern auch, weil sie sich etwa spontan überlegen muss: Wie kann man den Deutschunkundigen erklären, was ein Putenschnitzel ist? Sie zeichnet es an die Tafel, mit Zitrone, flattert wie ein Truthahn, versucht es auf Englisch. Das hilft oft, denn viele der teils gut ausgebildeten Asylsuchenden können diese Sprache ganz ordentlich. Hussain übersetzt dann für seine Mitschüler ins Arabische, bis die meisten verstehen, um was es sich handelt. Aber nicht alle können Arabisch, manche sprechen nur Kurdisch. Dann hilft nur noch die Pantomime der gelernten Kultur-Pädagogin, die eine Zusatz-Ausbildung für Integrationskurse absolviert hat. Wie ihre Schüler ist sie stets hoch konzentriert, muss ständig hinterfragen, ob die wirklich verstanden haben, was sie ihnen erklärt. „Man weiß, was man getan hat“, versichert sie nach einem Block von drei Schulstunden, die sechs Wochen lang an wöchentlich zwei Vormittagen noch bis zum 2. Oktober die Flüchtlinge im Crash-Verfahren mit den wichtigsten alltagspraktischen Wendungen der deutschen Sprache vertraut machen soll.

Und aus diesem Grund geht sie nicht streng Kapitel für Kapitel des Lehrwerks „Schritte plus Alpha 1“ vom Hueber-Verlag durch, sondern macht die 19- bis 52-Jährigen auch je nach sich ergebendem Anlass mit wichtigen Begriffen bekannt. Mit entwickelt und initiiert beim Rotary Club Nürnberger Land hat dieses Pilotprojekt Kurt Morchner: „Wir wollen nicht nur über Willkommenskultur reden, sondern einen konkreten Beitrag leisten.“ Er ist überzeugt, dass Sprachkurse für die Erstorientierung am notwendigsten sind. Der erste Kurs, bei dem Volkshochschullehrer die Neuankömmlinge in den Grundlagen der deutschen Sprache unterrichteten, fand in Schnaittach statt, im Zusammenarbeit mit der VHS Unteres Pegnitztal.

Prinzip funktioniert

„Das Prinzip funktioniert“, konnten Morchner und seine Mitstreiter nach dem sechswöchigen Kurs, der Anfang August zu Ende ging, resümieren. Damit waren weitere Kurse an anderen Standorten im Nürnberger Land besiegelt. Mit der VHS Schwarzachtal und der evangelischen Kirchengemeinde Burgthann holte man sich engagierte Partner ins Boot. In Hersbruck steht man bereits mit der dortigen VHS in Verhandlung, Röthenbach bei Lauf könnte folgen. Besonders lobt Morchner die vielen Ehrenamtlichen der Helferkreise. Auch mit ihnen könne man rechnen und die sollen ebenfalls finanzielle Unterstützung vom Rotary Club erhalten. Hier denkt man an den engagierten und gut strukturierten Kreis in Feucht, der den Unterricht ohne VHS schultern will. Aber auch den Rotariern sind irgendwo Grenzen gesetzt, was die Bezuschussung angeht. 15.000 Euro hat man in diesem Jahr bereits für die Projekte ausgegeben. Ein erster Antrag für Förderung über den Bildungsfonds des Nürnberger Landes wurde zurück gestellt, jetzt will man es erneut versuchen. Aufgrund der nun vorhandenen positiven Erfahrungen und der weiter steigenden Dringlichkeit rechnet man sich gute Chancen auf einen ordentlichen Zuschuss durch den Kreis aus. Zudem steht man mit dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband in Kontakt, weil die Lehrkräfte nicht ausreichen, und will die Voraussetzungen für ein lehrerunabhängiges, selbstständiges Deutschlernen am (nicht) vernetzten Computer schaffen.

Schöne Erfolgserlebnisse

Da wird es dann allerdings nicht ganz so persönlich zugehen wie im Kurs von Verena Wilken. Sie und ihre Schüler verzeichneten ein schönes Erfolgserlebnis, als einer der Schüler niesen musste und sie erklärte, wie man darauf in Deutschland reagiert. Und als es eine halbe Stunde später sie selber in der Nase kitzelte, kam prompt aus den Reihen der Asylbewerber ein deutlich vernehmbares „Gesundheit“.

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