Die Turmbaustelle von St. Laurentius

20.7.2014, 13:00 Uhr
Die Turmbaustelle von St. Laurentius

© Thomas Scherer

Ein Steinbrocken, den der Frost vor gut zwei Jahren aus dem Turm sprengte und der aus mehr als 20 Metern Höhe auf den Fußweg knallte, gab den Anstoß. Damals erklommen Handwerker mit dem Hubwagen die Kirchturmfassade, um lose Stein zu sichern. Doch die Ausbesserungsarbeiten machten deutlich, dass es damit nicht getan ist.

So rückten im vergangenen Spätsommer die Steinmetze an, um Quader für Quader am Turm zu inspizieren, zu festigen und kaputte Fugen zu erneuern. Diese Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Ist das Gerüst entfernt, präsentiert sich die Außenansicht des wuchtigen Vierkants generalüberholt und gereinigt. Und an einem zusätzlichen Ziffernblatt können die Roßtaler dann auch von der Ostseite, die bisher noch zeitlos war, ablesen, was die Stunde schlägt.

Und weil man schon auf bis zu 52 Meter Höhe kam, regte Pfarrer Jörn Künne an, doch auch fotografisch zu dokumentieren, was unterm Trauf rundum verläuft und vom Boden gar nicht auszumachen ist: Über 70 Wappen und Porträts, teils recht schematisiert, teils aber auch sehr sorgfältig ausgearbeitet, ziehen sich in zwei Bändern als Fries rundum.

Vor allem die Porträts findet Künne spannend. „Wen stellen die dar?“, fragt er. Wer miträtseln möchte, findet die Reliefs auf der Homepage der Kirchengemeinde unter www.ev-kirche-rosstal.de. Ein Kopf, von leicht gewelltem Haar bekränzt, ist allerdings aufgrund der umgebenden Wappen eindeutig zu identifizieren. Es ist die als Schöne Else bekannte Elisabeth von Bayern.

Dass sie am Roßtaler Kirchturm auftaucht, findet Künne außerordentlich. Denn das wirft die Frage auf, was die Stammmutter der Hohenzollern mit dem damals von seiner Grenzlage zwischen den Markgrafen Ansbachs und den Nürnberger Herren bestimmten Roßtal zu tun hat. Unzweifelhaft belegt ist für Künne damit — im Gegensatz zu diversen Theorien über Ursprung und Stifter des eigentlichen Kirchenbaus —, dass die Schöne Else als Geldgeberin hinter dem Turmbau stand und mit ihrem Porträt am Turm doch einen gewissen Herrschaftsanspruch signalisierte.

Das hat bereits die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf den Plan gerufen. Sie will einen Abguss der Roßtaler Elisabeth und ihres Wappens, das ebenfalls in luftiger Höhe direkt unter ihrem Konterfei zu finden ist. „So wird ein kleines Stückchen Roßtal in Potsdam zu sehen sein“, sagt Künne.

Risse im Mauerwerk

Die Roßtaler Kirchenbaustelle ist mit der Sanierung des Kirchturms nicht abgeschlossen, denn die dem Friedhof zugewandte Längsseite des Kirchenschiffs hat ebenfalls Sicherungsbedarf, wie Risse im Mauerwerk, in Fensterlaibungen oder der Rosenzweig, der durch einen Spalt in einer bleiverglasten Butzenscheibe wächst, offenbaren.

Dass die Südfassade unter der Last des Daches ächzt, ist offenbar bereits seit der Zeit um 1500 bekannt. Damals wurden an das Gotteshaus Stützpfeiler gemauert, nur erfüllen sie ihre Funktion mangels ordentlichem Fundament nicht. Alte Gräber in unmittelbarer Nähe der Wand haben das Erdreich ebenfalls zurückweichen lassen, was dazu führte, dass trotz der statischen Sanierung des Daches 1986 immer noch Bewegung im Mauerwerk ist.

Es ist zweischalig aufgebaut. Der Zwischenraum der je 40 bis 50 Zentimeter dicken Sandsteinmauern ist mit Schutt gefüllt, steinerne Querverbindungen sollten das Konstrukt zusammenhalten. Doch die haben nachgegeben, das Füllmaterial sackt ab, verkantet sich, die Außenschalen driften weiter auseinander, erklärt Künne.

Von dem Plan, die Mauerschalen von innen 200-fach mit langen Edelstahl-Ankern zu verdübeln und über weitere 400 Löcher die Bruchsteine im Zwischenraum mit Spezialmaterial zu binden, mussten sich die Bauherren jetzt jedoch verabschieden. Die Denkmalpfleger haben festgestellt, dass der Innenputz spätmittelalterlich ist, da sind neuzeitliche Bohrlöcher unerwünscht. Die Variante, die Dübel von außen einzutreiben, stand nicht zur Debatte, „das hätte ausgesehen, als hätte die Kirche eine Maschinengewehr-Salve abbekommen“, so Künne. Wie jetzt das Mauerwerk abgefangen werden soll, ist neu zu klären. Womit die noch heuer geplante Schließung des Gotteshauses aufs nächste Jahr verschoben ist. Zeitnah betoniert wird allerdings ein Gegenfundament am Fuß der Außenmauer.

Auf 350 000 Euro sind Turm- und Fassadensanierung geschätzt. Das Gros trägt der Freistaat, der als Wiedergutmachung für die Säkularisation für viele Immobilien der Kirche die Baulast übernommen hat. Etwa 20 Prozent, schätzt Künne, werden an der Kirchengemeinde und der Landeskirche hängenbleiben.

Unberücksichtigt ist bei dieser Rechnung die Überholung der kompletten Elektrik, die heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr entspricht. „Und wenn wir schon dabei sind“, so Künne, „werden wir uns auch über die Innengestaltung der Kirche Gedanken machen.“ Mit der Präsentation erster Entwürfe beim Gemeindefest ist die Diskussion über die Frage, wie eine historische Kirche möbliert sein sollte, damit sie neuen Formen des Gottesdienstes und des Gemeindelebens gerecht wird, eröffnet. „Das“, so Künne, „wird uns sicher noch etwas beschäftigen.“

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