Positive erste Bilanz

Erntefülle in der "Teilerei" in der Innenstadt von Erlangen

18.10.2021, 12:30 Uhr
Und der Preis? „Manche zahlen für ein Lebensmittel zwei Euro, andere legen 30 Cent in das Kästchen.“ Wer sich halt was leisten kann.

© Klaus-Dieter Schreiter, NN Und der Preis? „Manche zahlen für ein Lebensmittel zwei Euro, andere legen 30 Cent in das Kästchen.“ Wer sich halt was leisten kann.

Am Erntedankfest sind die Kirchen geschmückt mit allem, was Acker, Obstbaum und Gemüsegarten hergeben. Ein Anblick der Fülle, der Dankbarkeit weckt. Im Supermarkt sieht man dies jeden Tag, auf Idealform und Hochglanz gezüchtet und mit Spiegeln vervielfacht, um Überfülle zu suggerieren. Ist man da noch dankbar? Eher wählerisch. Was, der Apfel hat einen Fleck? Wie, die Birne ist krumm? Oje, der Joghurt steht kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum?

So vieles, was noch bedenkenlos verzehrbar wäre, landet auf dem Müll, weil die Kunden sich an eine optische Stilisierung gewöhnt haben. Um dem entgegenzuwirken, hat Mitte Juli die „Teilerei“ in der Schiffstraße eröffnet. Ein Laden, der überschüssige Lebensmittel übernimmt und anbietet. Den Preis bestimmen die Kunden selbst.

Laufend Anfragen

Der Lebensmittelretterladen "Teilerei" in der Schiffstraße holt überschüssige Ware von Lebensmittelbetrieben ab.

Der Lebensmittelretterladen "Teilerei" in der Schiffstraße holt überschüssige Ware von Lebensmittelbetrieben ab. © Klaus-Dieter Schreiter, NN

Inzwischen läuft die Ernte der heimischen Gewächse auf Hochtouren - und Johanna Wiglinghoff, zusammen mit Jakob Rößner die Organisatorin des Geschäftes, erhält laufend Anfragen von Kleingärtnern und Streuobstwiesenbesitzern, die ihre Äpfel kaum mehr loswerden. „Viele ältere Kunden erzählen uns, dass sie ja gerne in die Fränkische hinausfahren und den Bauern ihr Obst abkaufen würden, bloß hätten sie nicht mehr die Möglichkeit dazu“, erzählt Johanna. „Darum kaufen sie eben im Supermarkt ein, und der bietet Äpfel aus Neuseeland an. Eine Ressourcenverschwendung hoch zehn!“

Was man im Supermarkt auch nicht findet, wohl aber bei der Landfrau: zweibeinige Karotten, herzförmige Kartoffeln, oder Erdäpfel, die eher wie Alraunen als Kartoffeln aussehen. Vielleicht haben manche Leute Angst davor, vielleicht sieht die Generation Tschernobyl Mutationen am Werk. Oder vielleicht, vermutet Johanna Wiglinghoff, kauften die Leute zweibeinige Karotten nur deshalb nicht, weil sie schwerer zu schälen seien. An Qualität herrscht bei diesen Scherzen der Natur jedenfalls kein Mangel.

30 Ehrenamtliche holen Lebensmittel ab

Auch Mangold, Zwetschgen, Kürbisse und viele Zucchini hätten die Bauern gebracht, „riesige Exemplare, die wir in drei Stücke geschnitten haben, damit die Portion für eine Person reicht“, erzählt die Lebensmittelretterin. Bei Anfrage fährt das Team, das inzwischen auf 30 Ehrenamtliche angewachsen ist, mit Lastenfahrrad oder Kleintransporter in die nähere Umgebung und holt die überschüssigen Lebensmittel direkt vom Hof ab.

Das Schaufenster der "Teilerei".

Das Schaufenster der "Teilerei". © Klaus-Dieter Schreiter, NN

Wie ist das mit dem Verfallsdatum? „Es gibt ein Mindesthaltbarkeitsdatum, was das Produkt um einige Zeit überdauern kann“, differenziert Johanna, „und es gibt das Verbrauchsdatum - vorrangig für Fleisch. Dies bedeutet, dass das Produkt bis zum angegebenen Tag verzehrt sein muss.“ Zur Probe aufs Exempel bietet die ehrenamtliche Helferin Stefanie dem Reporter einen Lebkuchen vom vorigen Weihnachten an. Eingeschweißt in eine Plastiktüte. Ist das Graue da Schimmel? Nein, die Schokoglasur ist bloß durch die ausgetretene Kakaobutter ergraut. Mindestens haltbar bis 30. April 2021. Einmal in der Mitte durchschneiden - schaut gut aus. Einmal abbeißen - zergeht auf der Zunge. Schmeckt prima. Und die Verdauung? Unten alles ruhig.

Positive Bilanz

Nach drei Monaten zieht Johanna Wiglinghoff eine positive Bilanz: „Die meisten Lebensmittel gehen am selben Tag weg, was am Ende der Woche übrig bleibt, wird am Sonntag im 'Umweltcafé Hühnerstall' im Meilwald verkocht und von 12 bis 17 Uhr zum Verzehr angeboten. Alte Brötchen werden zu Semmelbröseln verarbeitet, zahlreiche Kunden bringen leere Einmachgläser mit und tauschen Rezepte aus.“ Und der Preis? „Manche zahlen für ein Lebensmittel zwei Euro, andere legen 30 Cent in das Kästchen.“ Wer sich halt was leisten kann.

INFO: Teilerei, Schiffstraße 12, Erlangen; Mi. bis Fr. von 12 bis 19 Uhr, Sa. von 10 bis 17 Uhr. E-Mail: teilerei@mailbox.org