Falknerei Schillingsfürst: Flug in luftigen Höhen

5.9.2008, 00:00 Uhr
Falknerei Schillingsfürst: Flug in luftigen Höhen

© Kuhn

Wenn Orka startet und dabei gefährlich knapp über die Zuschauerköpfe fliegt, zieht man unwillkürlich den Kopf ein. Mit rund 1,70 Metern Flügelspannweite ist der Steppenadler ein recht stattlicher Vogel. Quer über das quadratische Stück Wiese, das von Zuschauerbänken eingerahmt ist und auf dem die Flugshow stattfindet, pendelt der Greifvogel zwischen den beiFalknern hin und her. Walter Gernböck steht an einem Ende des Feldes, sein Kollege Bernd Osterland auf der anderen. Beide tragen über einer Hand einen dicken ledernen Handschuh. Darin verbirgt sich eine Leckerei - etwa ein totes Küken - für Orka. Mit einem kleinen, aber energischen Schubs seiner Hand schickt Gernböck den braun gefiederten Vogel in die Luft, wenig später landet er auf Osterlands Handschuh.

Was so kinderleicht und spielerisch wirkt, ist ein hartes Stück Arbeit für Falkner und Orka. «Der Vogel muss lernen, dass die Faust der beste Ort für ihn ist», erklärt Gernböck den Zuschauern während der Flugshow. Deshalb auch die Belohnung für das Tier im Handschuh.

Training mit Jungvogel

Wenn der Vogel nach langem Training schließlich den sogenannten Faustappell beherrscht, darf er schon einmal losfliegen, um alleine zu jagen. Wie das geht, müssen die Falkner dem Jungvogel allerdings auch erst beibringen. Ein Büschel Federn an einer Leine, das der Falkner durch die Luft zieht, ist das Jagdobjekt. So trainiert der Vogel Schnelligkeit und Konzentration. Falkendame Afra beherrscht das Jagen perfekt. Bis zu 80 Kilometer pro Stunde kann sie schnell werden. Wenn sie schließlich einen kleinen Vogel oder eine Maus erbeutet hat, apportiert der Vogel die Beute freilich nicht wie ein Hund. Dann kommt wieder der Handschuh zum Einsatz. Darauf lockt der Falkner den Vogel, der für seine Mühe einen Leckerbissen bekommt.

Was mittlerweile hauptsächlich bei Vorführungen von Falknereien vorgeführt wird, hatte einst als sogenannte Beizjagd lange Tradition. Bereits vor rund 3500 Jahren jagte man auf diese Weise in Mittelasien. Im Hochmittelalter erlebte die Beizjagd ihre Blütezeit. Damals schrieb auch Kaiser Friedrich II. das Buch «Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen». Heute setzt man abgerichtete Falken manchmal an Flughäfen ein, wo sie Vogelschwärme vertreiben, die für die Flugzeugtriebwerke gefährlich werden können.

Rund 70 Greifvögel gibt es in der Falknerei auf Schloss Schillingsfürst. Von den kleinen wendigen Falken über größere Bussarde, imposante Geier bis hin zum majestätischen Weißkopfseeadler reicht das Repertoire. Alle dürfen sie fliegen, jedoch nicht vor Publikum. «Dafür ist einfach nicht jeder Vogel geeignet», erklärt Gesa Lottemann. Einige Tiere seien schlicht zu schreckhaft oder zu nervös dazu. Die 30-jährige Lottemann ist die dritte Falknerin im Bunde. Ebenso wie ihre Kollegen hat sie einen Jagd- und einen Falknerschein - eine spezielle Ausbildung zum Falkner gibt es nicht. Auf Schillingsfürst werden aber nicht nur Vögel für die Beizjagd trainiert, auch ein Auswilderungsprojekt zur Arterhaltung gibt es. Über 120 dort aufgezogene Sakerfalken sind in den vergangenen Jahren in Kasachstan wieder in die Freiheit entlassen worden.

Aber auch einige der Schillingsfürster Greifvögel nutzen die Gelegenheit, hoch über dem Tal, das sich unterhalb des Schlosses ausbreitet, für einen ausgedehnten Rundflug. «Manche Vögel kommen erst nach Stunden wieder», sagt Lottemann. Andere kehren auch nie zurück. Oder aber die Falkner bekommen nach Wochen oder Monaten den Ring mit der Adresse der Falknerei zugeschickt, den jeder Vogel am Bein trägt. Dann hat das Tier seinen Ausflug in die Freiheit auf der Straße oder in einer Hochspannungsleitung mit dem Leben bezahlt.