Firmenporträt

Der Weltmarktführer für Bürostühle sitzt im Kreis Neumarkt

29.7.2016, 18:06 Uhr
So sieht die Produktionsanlage eines Weltmarkt-Führers aus. Bock fertigt industriell nicht nur in Ungarn, Kanada und China, sondern auch in Postbauer-Heng.

© Foto: Foto: De Geare So sieht die Produktionsanlage eines Weltmarkt-Führers aus. Bock fertigt industriell nicht nur in Ungarn, Kanada und China, sondern auch in Postbauer-Heng.

„Der Standort wird wachsen“, berichtet der geschäftsführende Gesellschafter Hermann Bock (60) im Interview mit den Neumarkter Nachrichten. Das ist auch ein Lehrstück für Globalisierung: Die Produktionsstandorte von Bock sind auf mehrere Kontinente verteilt, und starkes Wachstum findet auch im Ausland statt — dennoch boomt die Firmenzentrale in Postbauer-Heng. „Wir müssen in den Steuerungsfunktionen überproportional wachsen“, so Geschäftsführer Jürgen Cappell (48). Das Zentrum im Landkreis Neumarkt: Hier hat Bock nicht nur die 50-köpfige Entwicklungsabteilung, den Einkauf, alle kaufmännischen Funktionen, Kunden- und Vertriebsdienstleistungen, sondern vor allem die weltweite Fertigungssteuerung zusammengeführt.

Die Märkte und die Produkte: Der Endverbraucher kennt in der Regel die Firma Bock nicht, denn die Oberpfälzer bringen offiziell keine eigenen Produkte auf den Markt, sondern sie liefern Komponenten oder auch komplette Bürostühle an alle namhaften Marken — und das weltweit. Bock nimmt für sich in Anspruch, global die Nummer 1 bei den Zulieferern der Bürostuhlindustrie zu sein. Fünf Wettbewerber teilen sich den Markt auf, wobei die Oberpfälzer stolz auf eine enorme Wertschöpfungs- und Fertigungstiefe sind: Vom Design bis zum versandfertigen Endprodukt reicht das Spektrum.

Umsätze und Gewinne nennt das Familienunternehmen traditionell nicht, gibt aber das kontinuierliche Wachstum des Unternehmens mit mehr als fünf Prozent an. Auf dem noch verhältnismäßig kleinen nordamerikanischen Markt sollen die Umsätze gar zweistellig zulegen. Noch eine Globalisierungs-Lektion: Der Brexit, der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU, macht dem Management in Postbauer-Heng eher weniger Sorgen. Die englischen Bock-Kunden sind ihrerseits stark exportorientiert. Weil das britische Pfund eher an Wert verliert, tun sich diese Unternehmen mit dem Absatz im Ausland eher leichter. Auch eine Brexit-Perspektive.

Kunststoff-Granulat — der Stoff, aus dem auch bei Bock wirtschaftlicher Erfolg wird.

Kunststoff-Granulat — der Stoff, aus dem auch bei Bock wirtschaftlicher Erfolg wird. © Foto: De Geare

Zur Auslastung der Aluminium-Druckguss-Fertigung in Postbauer-Heng ist Bock inzwischen auch Automobilzulieferer geworden. Getriebekomponenten, Gehäuse und LED-Leuchten gehen über Systemlieferanten an inländische Automobilhersteller. Das „kleine Wachstumssegment“ macht im Moment weniger als zehn Prozent des Umsatzes aus. Hermann Bock: „Wir fokussieren den Betrieb nicht auf Automotive.“

Die Historie: Martin Bock handelte mit Möbeln und gründete 1969 in Schwarzenbruck einen „Minibetrieb im Hinterhof“, klassischen Kunststoff-Spritzguss im Auftrag. Nach zehn Jahren beschäftigte Bock senior 35 Mitarbeiter, bevor Sohn Hermann nach dem Maschinenbau-Ingenieurstudium die Regie übernahm und den Umzug auf ein ordentliches Werksgelände anstieß. „Mittelfranken hat uns nichts geboten, wir wollten mehr als 5000 Quadratmeter haben“, erinnert sich Hermann Bock. Postbauer-Heng sei der „ideale Ort“ gewesen. Mit dem neuen Unternehmens-Schauplatz wechselte auch der Firmencharakter: Bock wandelte sich vom „Industriebetrieb mit handwerklicher Ausrichtung“ zur modernen industriellen Fertigung.

Die Wertschöpfungskette beginnt bei Bock in Postbauer-Heng lange vor der industriellen Fertigung (Foto).

Die Wertschöpfungskette beginnt bei Bock in Postbauer-Heng lange vor der industriellen Fertigung (Foto). © André De Geare

Standorte und Unternehmensstruktur: Bock produziert zwar nach wie vor in Postbauer-Heng, doch die gewerbliche Fertigung stand — wie bei vielen Unternehmen — unter einem starken Kostendruck. Der ist beim Tochterunternehmen in Ungarn geringer. Dort sind Montagelinien, Kunststoffspritzguss und Werkzeugbau angesiedelt. Ein weiterer Bock-Ableger befindet sich in Thüringen, wo ebenfalls Kunststofferzeugnisse hergestellt werden. Dies gilt auch für die Niederlassung in Kanada in der Nähe von Toronto, wo auch Bürostühle montiert werden. Der Schwerpunkt der Produktion in China unweit von Hongkong liegt bei der Herstellung von Aluminiumteilen. Ein großer Werkzeugbau erreicht eine Qualität, die mit europäischen Standards vergleichbar ist.

Die Nummer 1

Bock und die nachfolgende arabische Nummer 1 — das ist alles andere als ein genialer Marketing-Schachzug nach dem Motto: die Nummer 1 weltweit. Die verschiedenen Bock-GmbH sind wie in vielen Unternehmen einfach durchnummeriert. Die zentrale GmbH & Co. KG steht dabei eher zufällig an erster Stelle. Heute fungiert die Bock 1 als „Führungsgesellschaft“ in der Unternehmensgruppe.

Das Quartett hat das Sagen: Geschäftsführer Jürgen Cappell, Christian, Kerstin und Hermann Bock (von links). Die drei Gesellschafter wirken intensiv am operativen Geschäft mit.

Das Quartett hat das Sagen: Geschäftsführer Jürgen Cappell, Christian, Kerstin und Hermann Bock (von links). Die drei Gesellschafter wirken intensiv am operativen Geschäft mit. © André De Geare

Management und Gesellschafter: Eine Zeitlang war der geschäftsführende Gesellschafter Hermann Bock nach seinen Angaben in „meinem Bauchladen“ schlicht das „Mädchen für alles“. Doch einer komplett veränderten Unternehmensstruktur folgte eine neue Managementstruktur. So hat sich die Familie Bock von allen Miteigentümern im Ausland verabschiedet — auch in China, wo der Staat meist auf Joint Ventures mit heimischen Unternehmen dringt. „China ist 100 Prozent Bock“, versichert der Unternehmenschef.

Eigentümer sind neben Hermann Bock seine Kinder Kerstin Bock, eine Betriebswirtin, die die PR- und Marketingabteilung verantwortet, sowie Christian Bock (28), ein Ingenieur, der technische Leitungsfunktionen hat und die nordamerikanischen Aktivitäten betreut. Als familienfremde Manager fungieren Thomas Landgraf (technische Geschäftsführung) und Jürgen Cappell (nichttechnische Geschäftsführung). Letzterer vertritt das Unternehmen nach außen. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler startete seine Berufslaufbahn bei Siemens, saß an den Schaltstellen bei international agierenden Mittelständlern und kam von der Unternehmensberatung VEND Consulting zu Bock nach Postbauer-Heng.

Belegschaften und Fachkräfte: Bock ging in der Vergangenheit mit Unternehmensdetails praktisch nicht an die Öffentlichkeit. Das galt traditionell auch für die Mitarbeiterzahlen. Warum? Management und Gesellschafter begründen das mit einer gewissen „Demut“ gegenüber den mittelständischen Kunden in der Größenordnung von zehn bis 50 Millionen Euro Umsatz. Diesen Abnehmern habe man die eigene Unternehmensgröße nicht vorhalten wollen. Bock gibt die Belegschaftsgröße nun mit „über 2000 weltweit“ an. In Deutschland stehen 800 Menschen auf den Lohn- und Gehaltslisten. In Postbauer-Heng sind es „über 600 festangestellte“ Mitarbeiter — mit steigender Tendenz (siehe oben).

Große Anstrengungen

Der Anteil der Facharbeiter ist bei Bock über die Jahre angestiegen. Der berühmte Fachkräftemangel scheint nicht existenziell zu sein. „Das stellt bei uns kein Wachstumshemmnis dar“, so Jürgen Cappell. Allerdings ist das nur mit großen Anstrengungen und Investitionen auf dem Feld des Personalmarketing zu schaffen. Cappell: „Wir versuchen das proaktiv zu gestalten, ja, wir sind aktuell auf der Suche nach guten Leuten.“

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