Nach Brandanschlag in Asylunterkunft: Betrug als Motiv?

27.6.2016, 17:31 Uhr
Nach Brandanschlag in Asylunterkunft: Betrug als Motiv?

© Michael Scholz

Vieles weise in diese Richtung, das Phantombild könnte zu dem Jüngeren passen. So die Darstellung der Sonderkommission (Soko). Geständig sind die beiden allerdings nicht. Deshalb gilt weiter: dringender Tatverdacht. Die beiden Männer sitzen seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Obwohl beide die Tat abstreiten, betonte Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke den "dringenden Verdacht auf Brandstiftung". Deshalb bleiben sie im Gefängnis. Der Vorwurf laute nicht auf schwere Brandstiftung, weil zu dem Zeitpunkt keine Menschen in den Gebäuden wohnten, die großteils noch Baustelle waren. Der Strafrahmen bewege sich von einem bis zu zehn Jahren Gefängnis.

"Wir müssen sehen, ob weitergehende Einlassungen von ihnen kommen", Polizeipräsident Johann Rast hatte schon zu Anfang von einem sich anbahnenden Indizienprozess vor Gericht gesprochen. Hinweise auf ein wirtschaftliches Motiv gibt es viele. Norbert Ditzel von der Soko erklärte vor Presse- und Fernseh-Vertreter im Präsidiumsgebäude am Richard-Wagner-Platz in Nürnberg genau, wie die Polizei in 18 Monaten Ermittlungsarbeit vom fremdenfeindlichen Hintergrund auf die heiße Spur kam, die sich nun erhärtet habe. Entscheidend sei die Zusammenarbeit mit der "Operativen Fallanalyse Bayern" gewesen, die dem Münchner Präsidium angegliedert ist. Gemeinsam habe man drei Tathypothesen ausgearbeitet.

Rechtsextreme Straftäter in Verdacht

Hypothese 1: Auch wegen der Schmiererei "Kein Asylat in Vorra" mit einem Hakenkreuz sei ein rechtsextremer oder fremdenfeindlicher Hintergrund zunächst sehr wahrscheinlich gewesen. Die Polizei habe noch in derselben Nacht auf den 12. Dezember 2014 die Alibis mehrerer dem Staatsschutz bekannter Personen mit rechtsextremer Haltung überprüft. Mit dem Verfassungsschutz seien zudem potenzielle rechtsextreme Straftäter kontrolliert worden. Aus beidem habe sich nichts ergeben. Ebensowenig aus der Kooperation mit dem Landes- und Bundeskriminalamt, denn Vorra stand am Anfang einer Serie von Anschlägen in ganz Deutschland.

Ein weiterer Verdacht galt einem bekannten Treffpunkt von Rechtsextremen in dem Pegnitztal-Örtchen. Dort hätten sich in der Vergangenheit Mitglieder des inzwischen verbotenen "Freien Netzwerks Süd" aufgehalten. Beweismittel fanden sich aber keine. Auch die Social-Media-Auswertung brachte nichts. Eines aber fiel auf: "Die Brandlegung in Vorra unterschied sich vollkommen von anderen Fällen rechtsextremer Straftäter", führte Ditzel aus. Anderswo seien brennende Gegenstände von außen nach innen befördert worden, gedacht als Warnsignal. In Vorra aber sei innen Feuer gelegt worden, sehr planmäßig und mit großer Ortskenntnis, "um größtmöglich zu zerstören". Das sei völlig "atypisch".

"Lokaler Wutbürger"

Hypothese 2: Ein ablehnender Nachbar, Ditzel nannte ihn "lokaler Wutbürger", habe durchgedreht. In ähnlichen Fällen andernorts habe es zuvor Demonstrationen gegeben, Kommunalpolitiker und Bürgermeister seien angegangen worden. Nichts davon im "verhältnismäßig unaufgeregten Vorra". Obwohl auch ein Polizist sechs Wochen als Ansprechpartner im Rathaus zur Verfügung stand, habe es keinerlei Hinweise auf einen Täter gegeben. "Das ist sehr ungewöhnlich."

Außerdem wäre die Tatzeit 22.42 Uhr sehr unglücklich für einen Ortsbewohner. Denn der müsse wissen, dass sich an dem Abend der Stammtisch und der Gesangverein trifft. Die Wahrscheinlichkeit gesehen zu werden, sei hoch gewesen. Tatsächlich gab es eine Zeugenbeobachtung, aus der ein Phantombild entstand. Dieses gehört aber wohl zur dritten These.

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Hypothese 3: Wer profitiert von dem Brand? Die Baufirma hatte ab September 2014 nur vier Monate Zeit bis zum Bezugstermin. "Das war relativ knapp", meinte Ditzel. Als dann im November die Regierung bei einer Begehung erhebliche Bau- und Brandschutzmängel feststellte, die Gebäude also "in keinster Weise bezugsfertig sein würden", hätte das Unternehmen, das sehr knapp kalkuliert hatte, sehr viel Material ersetzen und umbauen müssen. "Sie wäre wirtschaftlich ruiniert gewesen." Ditzel: "Die einzige Lösung für diese Baufirma, sich des Problems zu entledigen: indem man die künftige Asylbewerberunterkunft in Brand setzt."

Der falsch geschriebene fremdenfeindliche Spruch "Kein Asylat in Vorra" habe die Ermittler bewusst auf die falsche Fährte locken sollen. Auf Nachfrage, ob das Phantombild zu einem der beiden Männer passe, antwortete Ditzel: "Es besteht eine Ähnlichkeit zu dem Mitarbeiter der Baufirma."

Ende April 2016 habe man alle Indizien zusammengetragen, "Steinchen für Steinchen", wie es der Soko-Sprecher formulierte. Bei einer Zeugenvernehmung vor zwei Monaten habe es dann den entscheidenden Hinweis gegeben, der den Verdacht bestätigt habe. Die Baufirma habe sogar noch von der Versicherungssumme profitiert.

Der Eigentümer bekam eine Million Euro. Beide Verdächtige hätten daran mitgearbeitet, die Brandschäden wieder zu beseitigen.