Post-Covid-Patienten: Chefarzt rechnet mit steigenden Zahlen

22.4.2021, 06:00 Uhr
Post-Covid-Patienten: Chefarzt rechnet mit steigenden Zahlen

© Foto: Claudia Lehner

Mehr als drei Millionen Menschen haben sich mittlerweile deutschlandweit mit dem Coronavirus infiziert. Manche bemerken es kaum, andere ringen mit dem Tod und wieder andere haben die Krankheit daheim auskuriert, leiden aber noch Wochen und Monate unter den Folgen. Covid-19 betrifft nicht nur die Lunge. Auch neurologische Schäden, die also mit Nerven in Verbindung stehen, gibt es: von Konzentrationsproblemen bis zu Bewegungsstörungen. Und die werden bereits seit einem Jahr in Bad Windsheim behandelt, in der Dr. Becker Kiliani-Klinik.

Der erste Patient, der nach einer Covid-19-Erkrankung dort eine Rehabilitation antrat, kam im April 2020 in die Kurstadt. Dr. Cay Cordes, Chefarzt der Klinik, kann sich noch gut an ihn erinnern. Er kam mit Trachealkanüle, ein Röhrchen, über das er nach einem Luftröhrenschnitt mit Luft versorgt wurde, in die Klinik. Nach der Behandlung "ist er aus der Klinik gelaufen", wollte bald wieder arbeiten, freut sich Cordes über den sehr guten Behandlungserfolg.


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Insgesamt befinden sich zurzeit etwa 15 Patienten nach einer Corona-Infektion in der neurologischen Abteilung der Klinik, wie die Pressestelle mitteilt. Es handelt sich dabei um Patienten in allen Phasen der neurologischen Rehabilitation: Sowohl Patienten in der Intensivversorgung als auch solche, die nun Bedarf an einer Rehabilitation der Phase C und D, also nach einer weniger schweren Erkrankungen, haben. Häufige Symptome bei ihnen sind Muskelschwäche und Gefühlsstörungen, Nervenschmerzen, Atem-, Schluck-, Geruchs- und Geschmacksstörungen, aber auch verminderte Belastbarkeit, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen.

Patienten, die schwerer erkrankt waren, vielleicht noch beatmet werden müssen, werden in der akutstationären intensivmedizinischen Abteilung für neurologische Frührehabilitation behandelt. Zehn der 40 Betten in der Frühreha sind derzeit von Post-Covid-Patienten belegt. Sie werden aus Kliniken in Erlangen, Würzburg, Ansbach oder Neustadt in die Kurstadt verlegt. Allerdings "keine Patienten mit einer akuten Erkrankung", betont Cordes, die also noch ansteckend, wären.

In Einzelfällen weiterbeatmen

Der Ablauf der Rehabilitation richte sich nach dem Schweregrad der Symptome und sei ganzheitlich ausgerichtet. Mögliche Therapien sind medizinische Trainingstherapie, Ergotherapie mit Sensibilitätstraining oder Übungen von Gedächtnis und Konzentration. In vielen Fällen seien durch die Therapien zügig gute Behandlungserfolge zu sehen. "Die schwer betroffenen Patienten erholen sich schneller als nach vergleichbaren intensivmedizinisch zu behandelnden Krankheiten", erklärt Cordes. Nur in Einzelfällen mussten Betroffene auch weiterhin beatmet werden und nach der Reha in eine Pflegeeinrichtung.

Für die Patientengruppe, die zunächst weniger stark körperlich von der Infektion betroffen war, sei es schwer, eine Prognose für den weiteren Verlauf zu stellen. Darüber liegen noch zu wenige Erfahrungen vor, wie Cordes erklärt. Hier mehren sich aber die Berichte über fortbestehende Gesundheitsstörungen, die als Long-Covid-Syndrom zusammengefasst werden.


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Aufgrund der dritten Welle geht Cordes davon aus, dass es auch künftig einen steigenden Bedarf an Rehabilitationsangeboten für Patienten nach Covid-19-Erkrankungen geben wird. Kurzfristig erwartet er eine erhöhte Anzahl an schwerbetroffenen Patienten.

Sollten Maßnahmen wie die allgemeinen Hygieneregeln, ein verschärfter Lockdown und mehr Impfungen die Pandemie eindämmen, rechnet er längerfristig mit vielen Patienten, die an Long Covid leiden. Der Bedarf an Rehamaßnahmen ist zeitverzögert zur Behandlung in einer Klinik: etwa sechs bis acht Wochen später. "Der Bedarf scheint zu wachsen", das ist schon jetzt klar. Und: "Das Alter geht runter", bestätigt Cordes außerdem.

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