Testverweigerer an vielen Schulen

16.4.2021, 11:32 Uhr
Testverweigerer an vielen Schulen

© Pascal Skwara/Getty Images

Dienstagmorgen. Im Pausenhof der Waldschule in Rückersdorf sitzt Tim (Name von der Redaktion geändert) und wartet darauf, dass sein Vater ihn abholt. Tims Mitschüler der vierten Klasse erhalten im Schulhaus nach langer Pause wieder Präsenzunterricht, so wie alle Abschluss- und Übergangsklassen im Landkreis, während andere Kinder und Jugendliche weiterhin im Distanzunterricht sind. Doch Tim kann nicht teilnehmen, er hat keinen Coronatest abgegeben. Ohne diesen Test darf er die Schule nicht betreten, er muss warten, bis sein Vater von einem Termin zurückkommt.

Dieser hat kein Verständnis dafür, dass sich Tim dreimal in der Woche ohne Symptome testen soll, um anschließend vielleicht als krank zu gelten, im schlimmsten Fall aufgrund eines falsch-positiven Tests. "Ein Schüler, der positiv auf Corona getestet wird, wird sofort aus der Gemeinschaft gerissen. Ihm wird erzählt, es sei krank, obwohl er sich gar nicht krank fühlt", sagt der Vater.

Mit der Testpflicht habe die Staatsregierung eine Entscheidung getroffen, ohne an die Folgen für Kinder und Eltern zu denken: "Schüler, die die Tests ablehnen, fallen durchs Gitter. Dabei besteht ja weiter die Schulpflicht." Als Vater werde er seinen Sohn deshalb auch in Zukunft täglich zur Schule bringen – so lange, bis diese eine Webcam in der Klasse einrichtet und Tim den Unterricht auch zu Hause in Echtzeit verfolgen kann. Es sei die Pflicht der Schule, sich darum zu kümmern, meint er.

Gurgeln statt Stäbchen

Eigentlich hat Tim einen Vorteil gegenüber Gleichaltrigen etwa an Laufer Schulen: Die Rückersdorfer Waldschule hat sich in zähen Debatten mit dem Kultusministerium dafür eingesetzt, die bereits im Februar eingeführten PCR-Gurgeltests fortführen zu können. Tim müsste sich also nicht zweimal die Woche ein Stäbchen in die Nase stecken, sondern morgens zu Hause lediglich in ein Röhrchen spucken.

Doch alle Versuche der Schule, Vater und Sohn vom in Rückersdorf dreimal wöchentlich durchgeführten Gurgeltest zu überzeugen, schlugen fehl. "Als er am Dienstagmorgen seinen Sohn zur Schule brachte, hatten wir im Hof ein langes Gespräch zusammen mit einem Elternbeirat und Bürgermeister Johannes Ballas", erzählt die Rektorin der Waldschule, Dorothea Scheller. Doch der Vater habe seine Drohung wahr gemacht. "Er musste zu einem Termin, und in dieser Zeit saß Tim in einem separaten Raum in der Schule."

Tim ist an der Waldschule der einzige Viertklässler, der die Tests verweigert, aber Scheller könne für ihn keine Ausnahme machen. "Wir hätten eigentlich die Polizei rufen müssen, denn laut Kultusministerium darf das ungetestete Kind nicht aufs Schulgelände", doch das sei mit Rücksicht auf das Kind nicht in Frage gekommen.

Statt in den Präsenzunterricht zu gehen, erhält Tim nun Material für sein Distanzlernen und hat per Microsoft Teams Zugang zu Lernaufgaben. "Seinem Vater reicht das nicht, aber er hat keinen Anspruch auf vierstündigen Onlineunterricht. Wir haben einfach nicht die Kapazitäten dafür", sagt Scheller.

Die Alternative ist nicht vorgegeben

Gemäß einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April muss ein Schüler, der sich nicht testen lassen will, ein Unterrichtsangebot für zu Hause erhalten. Aber wie soll dieses aussehen? Details dazu sind vom Kultusministerium bisher nicht formuliert worden.

Nach Angaben des Schulamtsleiters im Nürnberger Lands, Joachim Schnabel, erwartet das Amt in den nächsten Tagen Vorgaben, wie die Schulen mit dem Problem umgehen sollen. "Fragen bezüglich der Leistungsbeurteilung für den Abschluss und den Übertritt sind bislang noch nicht eindeutig geklärt", sagt Schnabel. Ihm zufolge handelt es sich bei den Schülern, die sich nicht testen wollen, bisher nur um Einzelfälle.

Diese Einzelfälle gibt es allerdings an fast jeder Schule im Nürnberger Land. Laut der Rektorin der Rudholfshofer Grundschule und der Kunigundenschule in Lauf, Kirsten Hartung, lehnen unter den Viertklässlern der beiden Grundschulen zwei bis drei Schüler beziehungsweise deren Familien das Testen ab. "Sie werden mit Material versorgt, ein Anspruch auf Onlineunterricht besteht nicht", sagt Hartung.

Die Eltern der Kinder machen sich laut Hartung vor allem Sorgen um die gesundheitlichen Folgen des Testverfahrens. "Auch wir Lehrer hatten erst Bedenken angesichts der Stäbchentests, doch heute haben die Schüler sich zum ersten Mal allein getestet und es hat wunderbar geklappt."

Mit den Schülern sei besprochen worden, was bei einem positiven Ergebnis passiere. Sie würden nicht im Regen stehen gelassen. "Die Schüler sehen die Tests als notwendiges Mittel", so Hartung.

Kritische Eltern auch in Schnaittach

Unter den 310 Schülern der Schnaittacher Grundschule finden sich auch eine Handvoll Kinder und Eltern, die die Tests nicht machen wollen. "Die Eltern nennen Gründe wie den Eingriff in die Privatsphäre oder lehnen alle Corona-Maßnahmen insgesamt ab", sagt Angela Gehring, die Schnaittacher Rektorin. Die Eltern würden dann meist auch die Maskenpflicht kritisch sehen, die weiterhin besteht.

Manche hätten ihre Meinung aber bereits geändert. "Oft beruhigt sich die Situation, wenn das Kind nach dem ersten Mal nach Hause kommt und erzählt, dass der Test nicht dramatisch war. Alles was zunächst unklar ist, bereitet eben Sorgen."
Am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Röthenbach besuchen 170 Schüler die Abschlussklassen, nur einer von ihnen bleibt zu Hause, weil er oder sie sich nicht testen lassen will. "Wir wollten kein kunterbuntes ,Drauflos-Testen‘, wir haben unsere Schüler und Eltern gut informiert", sagt Direktor Clemens Berthold.

Seit nicht mehr die ganze Klasse aufgrund eines positiven Tests in Quarantäne muss, ist laut Berthold auch die Furcht der Jugendlichen, bei einem solchen Ergebnis der "schwarze Peter" zu sein, nicht mehr so groß. "Das ist eine klare Verbesserung."

Verwandte Themen