Wirtshaussterben in Oberferrieden gebremst

2.11.2012, 20:57 Uhr
Wirtshaussterben in Oberferrieden gebremst

© Spandler

Er kaufte im Sommer die ehemalige Gaststätte „Zur Krone“ und lebt nun seinen Traum. Nebenbei stellt er sich dem Wirtshaussterben im ländlich geprägten Oberferrieden entgegen.

Eins stellt der junge Hotelfachwirt klar: Dass er das Risiko, hier unternehmerisch einzusteigen, auf sich genommen hat, hat nur nachrangig damit zu tun, dass ihm die schwächelnde Wirtshauskultur in dem Burgthanner Ortsteil so zu Herzen geht. In erster Linie hat er die Chance gesehen, endlich zu verwirklichen, was er seit jeher wollte: Sein eigener Herr sein und als gelernter Koch in seinem Metier arbeiten.

Lange sah es so aus, als sollte das nicht mehr gelingen. Während und nach seines viersemestrigen Fachstudiums hat er sich seine Brötchen zunächst als Fahrer für einen Busunternehmer verdient. Was als Übergangslösung gedacht war, bis er eine akzeptable Anstellung gefunden haben würde, entwickelte sich zum Dauerjob. Zahllose Bewerbungen habe er in dieser Zeit zwar geschrieben, doch immer gab es einen Haken, meist war es die unzureichende Vergütung. Irgendwann hat er sich dann damit abgefunden, dass die Gastronomie zunächst ad acta zu legen sei, bis er genügend angespart haben würde, um ein geeignetes Objekt erwerben zu können. Trotzdem hielt er immer die Augen offen, falls sich ihm doch einmal eine günstige Chance bieten sollte. Und nach immerhin sechs Jahren ist genau das passiert: „Der Liebel will verkaufen“, hörte er im Bekanntenkreis, und so begann er sich für die Angelegenheit zu interessieren, denn die Voraussetzungen stimmten.

Zu diesen gehörte einmal die Tatsache, dass ihm der Standort in der Gemeinde Burgthann, wo er jetzt wohnt, besonders attraktiv erschien, dass nach einigen Verhandlungen der Kaufpreis akzeptabel war, die Betriebsgröße mit bis zu 80 Plätzen in der Gaststube und sieben Fremdenzimmern optimal ausgerichtet und die Investitionssumme in das gepflegte Haus überschaubar war. Dass die Konkurrenz im Ort verschwindend gering ist, weil in den umliegenden gastronomischen Betrieben teils die Konzessionen auslaufen, während gleichzeitig Investitionen anstehen und die Behörden zusätzliche Auflagen machen, interpretierte der risikofreudige Jungunternehmer eher als Vorteil. Wobei allerdings auch er selbst noch so manchen Strauß mit den Behörden auszufechten hatte…

Im Februar dieses Jahres ist Reese in die Verhandlungen eingestiegen, im August hat er die Wirtshaustür des „Weißen Löwen“, wie das sensibel renovierte Gasthaus nun heißt, aufgesperrt.

Dass in dieser kurzen Zeit einige Hürden zu nehmen waren und wohl auch noch zu nehmen sein werden, verschweigt der junge Mann nicht. Den genehmigenden Behörden kann er den Vorwurf nicht ersparen, dass sie es ihm nicht gerade leicht gemacht haben, verbindliche Auskunft über erforderliche Umbauten zu erhalten. Auch die Denkmalschutzbehörde wollte zunächst bei der Neueröffnung ein Wörtchen mitreden, da der älteste Teil des Hauses an die 800 Jahre alt ist. Nach solchen und anderen Erfahrungen kann der Gastronom sogar verstehen, dass es jungen Gaststättenpächtern oder -besitzern seiner Generation ein zu großes Wagnis oder auch Ärgernis bedeutet, sich auf all die Unwägbarkeiten einzulassen und einen Traditionsbetrieb fortzuführen. Dazu gehört ja schließlich auch, den Laden offen zu halten, wenn nur ein Tisch besetzt ist und der Umsatz unter der Woche so gar nicht stimmt. Das ist vielen zu mühsam und zu riskant. „Die Jungen ticken anders“, sagt Reese, der 29-Jährige, der sich trotz seines Alters hier zum „alten Schlag“ zählt, weil er eben noch genug Leidenschaft für den Aufbau und Erhalt dieses Unternehmens aufbringt und ein wenig nachhaltiger denkt und fühlt.

Neuausrichtung des Konzepts

Dazu gehört für ihn eine Schärfung des Profils, des unternehmerischen Konzepts. Alte geschichtliche Bezüge boten sich hier an. Ins 13. Jahrhundert reichen Teile des Gebäudes zurück, der „neuere“ Teil ist der Renaissance zuzurechnen, 1592 wurde das Wirtshaus erstmals erwähnt, und 1680 wurde dort mit dem Weißbierbrauen in der Braustätte „Weißer Löwe“ begonnen. Doch noch mehr geschichtsträchtige Bezüge können hergestellt werden: 1381 war Eppelein von Gailingen auf der Flucht und wurde in eben jenem Gasthaus nicht eingelassen, floh weiter nach Postbauer, wo er schließlich gefangen genommen wurde.

Und natürlich vermutet man keinen geringeren als den Altdorfer Wallenstein unter den Studenten, die während der Unruhen nach Martin Luthers Tod in Oberferrieden die Kirche besuchten und danach den Frühschoppen in besagtem Etablissement genossen. Was liegt also näher, als mit diesem Pfund zu wuchern, die Historie der Lokalität zu vermarkten und die Gaststätte wieder „Weißer Löwe“ zu nennen!

Entsprechend der geschichtlichen Verankerung präsentiert sich auch die bodenständige, weitgehend regionale Küche mit kleiner Karte. Germäß der Philosophie, die sich auf die Wurzeln des Hauses besinnt, kauft der junge Chef, der die meiste Zeit selbst am Herd steht, auch so weit wie möglich bei regionalen Erzeugern ein und nennt diese auch in der Speisekarte.

Schon nach kurzer Zeit sei das Feedback hervorragend, freut sich der junge Unternehmer. Die Vereine, die sich vor einiger Zeit mit Bürgermeister Heinz Meyer noch überlegten, wie man denn dem Wirtshaussterben in Oberferrieden ein Ende setzen könnte, weil ein Dorfgasthaus ein unabdingbares Kommunikationszentrum auf dem Land ist, kommen zuverlässig, und es vergeht kein Sonntag, an dem der Wirt nicht Gäste wegschicken muss, weil die Stube übervoll ist.

Pläne für die Zukunft hat er so kurz nach der Eröffnung des Gasthofs auch schon, hält sich damit aber erst noch bedeckt. Einen schönen Wirtsgarten mit Sandsteinmauer und Bäumen für die nächste Sommersaison hat er aber schon fest eingeplant: „Ich seh’ halt gern, wenn was wächst und gedeiht.“

Mehr Informationen über den weißen Löwen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

Verwandte Themen


Keine Kommentare