Gasthäuser im Niemandsland haben es schwer

5.11.2015, 09:00 Uhr
Gasthäuser im Niemandsland haben es schwer

© Thomas Knauber

Die „Rußhütte“, am Rand eines idyllischen Wandergebiets gelegen, hat immer am ersten Sonntag im August Kirchweih. Das ist ein richtiges Event und zeigt, wie groß die Wirtsfamilie ist, wer alles dahinter steht. Denn Karoline und Michael Haberberger begrüßen dann Kinder, Neffen und Nichten, Schwiegermutter und Mutter. Alle packen mit an.

Im Gegenzug ist es im Spätherbst und Winter sehr ruhig, abgesehen von den Stammtischlern, die am Montag und Freitag kommen. Aber diesen Stammtischen fehlt der Nachwuchs. „Es kommen keine Jungen nach“, sagt Karoline Haberberger. Genauso muss sie zusehen, wie ihre Urlauber nach und nach ausbleiben, die sich früher bei den sieben Fremdenzimmern immer die Klinke in die Hand gaben. „Einer kam, einer ging.“ Doch durch Alter, Tod oder Krankheit fehlen diese Gäste aus Gelsenkirchen, Mettmann, Eßlingen und Bochum. Es ist auch kein Ersatz in Sicht. „Die Jungen wollen ans Meer.“

Trotzdem ist Haberberger zufrieden: „Es passt; wir schlagen uns durch.“ Möglich ist das, weil ihre Schwiegermutter Maria (86) hilft und die Töchter Sabrina und Julia einspringen. Außerdem geht Ehemann Michael einem Beruf nach. Er arbeitet im Forst. Mit gemeinsamer Anstrengung konnte so vor zwei Jahren die Gaststube renoviert werden. „Das hat was gebracht. Danach kamen mehr Leute."

Der „Hobbywirt“

Gasthäuser im Niemandsland haben es schwer

© Thomas Knauber

Kilometerweit gegenüber betreibt Gerhard Beyerlein das „Schlupfloch“. Er ist Rentner und bezeichnet sich als „Hobbywirt“, der sein Gasthaus im Grünen rein aus Freude betreibt: „Ich bin nicht drauf angewiesen." Er genießt das schöne Bild der zwei großen Kastanien, die ihr goldenes Herbstlaub über seinen kleinen Biergarten streuen, und freut sich über jeden Tourist, der neugierig seinem Schild „Pizza“ folgt.

Gleich nebenan ist die „Hohe Tanne“, wieder am Waldrand. Hierhin heiratete Elfriede Schertl vor 18 Jahren. Sie kommt aus der Hauswirtschaft, half in der Pottensteiner Gastronomie und hatte in ihrem Heimatdorf Kaltenthal die „Mühle“.

Rentner packen an

Aber ihr Ehemann starb vor zwei Jahren. Seitdem helfen die Rentner vom Stammtisch, wenn etwas zu richten ist. In der Wirtschaft und für die Fremdenzimmer hat Schertl außerdem stundenweise zwei Frauen.

Diese Zimmer werden oft von Arbeitern gebucht, die auf Montage sind, aber es gibt auch treue Urlauber wie jene aus Würzburg, die gerade da waren und an Silvester noch einmal kommen - zum 40. Mal. Genauso treu ist ein Motorradclub, der sich auf Oldtimer spezialisiert hat. Jedes Jahr stoppt er und stellt den Garten voller Zelte.

„Arbeit haben wir genug“, lächelt Elfriede Schertl. Für Hobbys hat sie deshalb keine Zeit. „Mein Hobby ist das Wirtshaus.“

Sie vermutet, dass ihr Sohn (15) irgendwann einsteigt, weil er Koch werden will (ihre Tochter geht einen ganz anderen Weg: Sie macht eine Lehre als Fahrradmechanikerin). Dann könnte er täglich „auskochen“, das heißt die Speisekarte bliebe wochentags in der „Hohen Tanne“ nicht auf Pfannen- und Kurzgerichte beschränkt. Denn bislang gibt es nur sonntags den richtigen Mittagstisch, immer gut besucht, genauso wie das Kaffeetrinken danach - wofür Elfriede Schertl selbst die Kuchen bäckt. Im Moment macht sie aber kurz Urlaub. Erst am 21. November geht es weiter.

Gasthäuser im Niemandsland haben es schwer

© Thomas Knauber

Es begann mit einem Imbiss

Wieder ein paar Kilometer entfernt, fast schon im Wald, liegt der „Grottenhof“ auf einer Anhöhe, die einen prächtigen Ausblick gewährt. Entstanden ist dieses große Haus, das über 200 Sitzplätze hat und einige Fremdenzimmer, aus einem kleinen Fachwerkhäuschen am Höhleneingang gegenüber, wo Marga und Erwin Lohner lange den Besuchern der Maximiliansgrotte einen Imbiss boten.

Die Anziehungskraft der Höhle bewog sie 1973 zum Neubau, den Sohn Heiko heute mit vielen Ideen attraktiv halten muss. Dazu gehören eigene Brot- und Käseherstellung; Gänse, Haxen und Pizza aus dem Holzbackofen, Schaschlik-Tage, Backofenfeste, Meditationen und Kindergeburtstage in der Höhle. „So schlägst dich halt durch im Outback.“

Jede Straßensperre spürbar

Er feiert demnächst sein 30. Jahr als Koch und hofft, das Haus noch lange halten zu können. Immer am 1. Mai und 3. Oktober ist es zwar mit 400 Wanderern überfüllt, aber dazwischen gibt es flaue Tage - vor allem heuer.

„Schuld sind die Widrigkeiten der Umgebung“, stellt Lohner fest. So spürte er sofort die lange Straßensperre nach dem Felssturz in Neuhaus, außerdem die Brückensperrung im Pegnitztal und die jüngste Schienenreparatur der DB.

„Ältere Leute überlegen es sich zweimal, ob sie eine Umleitung auf sich nehmen oder den Busersatz. Zur besten Urlaubszeit sechs Wochen lang die Bahn stoppen - das merkst Du hier brutal. Es war ja Hauptsaison!“

Senioren mit anderen Plänen

Dazu kommt, dass die Stammtischler oder ältere Stammgäste zu einer aussterbenden Gattung gehören. Die Senioren sind nämlich heutzutage noch so mobil, dass sie mit Wohnmobilen reisen oder sogar mit dem Motorrad unterwegs sind, sagt Lohner. Das gemütliche Zusammenhocken beim Bier verschwindet. „Früher hatten wir jeden Tag Rentner hier. Und jetzt?“

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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