Kirchenthumbacher Maler erhält Nürnberger Kulturpreis

30.10.2016, 19:12 Uhr
Kirchenthumbacher Maler erhält Nürnberger Kulturpreis

© Fotos: Uli Maier/Galerie Sima

Kirchenthumbacher Maler erhält Nürnberger Kulturpreis

Vor 20 Jahren hat Peter Angermann der Stadt den Rücken gekehrt und zog mit seiner Familie aufs Land. Seitdem lebt er ziemlich abgeschieden in einer ehemaligen Kaserne bei Kirchenthumbach. Das Riesenhaus bietet genügend Raum für die Kinder (4) und Kindeskinder (5) und für die Kunst. Seit kurzem gibt es gleich nebenan noch ein neues Ateliergebäude. „Wenn du als junger Künstler in so eine gottverlassene Gegend kommst, bist du für immer erledigt“, schmunzelt der Hausherr.

Dort wo sich Füchse und Hasen Gute Nacht sagen, stören nur hin und wieder Kampfjets oder Panzerkanonen die Ruhe. Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist nicht weit entfernt. Letzten Sommer stürzte ganz in der Nähe ein Düsenjäger ab und setzte den Wald in Brand. Der Maler fackelte nicht lange und hielt das Unglück in einem Ölgemälde in flammend roten und gelben Farben fest.

Derzeit kann man es in einer Ausstellung in der Nürnberger Galerie Sima sehen. Es hängt neben anderen Landschaftsbildern, die Angermann rund um sein Zuhause gemalt hat. Ungewöhnlich wie die leuchtenden Farben sind die Motive: Windräder, Baustellen, Biogasanlagen, Unfälle. Eine ganze Wand in der Ausstellung ist Zeichnungen gewidmet, die selten zu sehen sind. Auf einer erkennt man den Künstler mit Lederhosen und Schmetterlingsflügeln, die Sprechblase dazu lautet: „Ich möchte bitte ernstgenommen werden.“

Die doppelbödige Ironie trifft einen wunden Punkt: Weil Angermanns Bilder auf den ersten Blick so lustig und humorvoll wirken, kann man sie leicht unterschätzen. „Ich bin ein Mensch, der zu Leichtfertigkeit und Ironie neigt“, sagt er, „und ich habe festgestellt, dass Humor in der Kunst eine Erfolgsbremse ist.“ Deutsche Kunst hat ernst und tiefgründig zu sein.

Aber nicht zufällig hat der Künstler, der gerne lacht und das Leben genießt, den Kunstbetrieb anfangs als Punk-Vorläufer und Provokateur herausgefordert. Nach dem Studium an der Nürnberger Kunstakademie war er von 1968 bis 1972 in Düsseldorf Schüler von Joseph Beuys. Mit der Zeit durchschaute Angermann dessen Methode, Erwartungen bewusst zu enttäuschen, und schlug den Meister schließlich mit dessen eigenen Mitteln. Wenn alles Kunst ist, ist nichts mehr Kunst. Diese Erkenntnis löste bei Angermann eine künstlerische Krise aus, die alles in Frage stellte. Auch die eigene Berufswahl.

Einen Ausweg fand er Mitte der 70er Jahre in Nürnberg, wo er sich eigentlich einen neuen Job suchen wollte. In der Künstlerkneipe „Gregor Samsa“ traf er auf Geistesverwandte, die ihn auf den „Königsweg der Malerei“ zurückbrachten. Er begeisterte sich für die Pop-Art, die Comics von Robert Crump und die Idee, Kunst für jeden zu produzieren. „Dieses Konzept ist bis heute tragfähig, ich kann gut davon leben“, sagt Angermann. „Mit Hilfe der Pop-Art habe ich den Avantgardismus unterlaufen.“ Dann setzt der ehemalige Kunstprofessor noch eins drauf: „Avantgarde ist heute akademischer Mainstream, eine Absurdität, die sich die Dadaisten nicht besser hätten ausdenken können.“

Die Rolle des Außenseiters im Kunstbetrieb spielt er mit Überzeugung. Als er 1981 seine erste große Auszeichnung erhielt, den hoch dotierten Lauber-Preis, kaufte er sich ein Wohnmobil und fuhr mit Frau und Kindern erst mal ein Jahr lang durch die USA. Später machte er die Nürnberger Szene mit den „Gregorianern“, wie sich die Künstlergruppe im „Gregor Samsa“ nannte, und der 1. Offiziellen Polka-Kapelle unsicher.

Aufgewachsen ist der 71-Jährige in kleinbürgerlichen Verhältnissen, im oberfränkischen Rehau nahe der tschechischen Grenze, im Jean-Paul-Land, wie er sagt. Und tatsächlich könnte der Künstler eine der streitbaren, originellen Figuren aus einem Roman des fränkischen Klassikers sein. Er ist eine seltene Mischung aus Naturbursche, Naturphilosoph, Naturwissenschaftler und Naturbeobachter. Neben der Malerei hat es ihm schon frühzeitig die Mathematik angetan. Warum ist die Wirklichkeit räumlich und zeitlich so strukturiert, wie sie ist? Diese Frage beschäftigt Angermann bis heute – auch im Gedankenaustausch mit Wissenschaftlern.

Die Tatsache, dass der Mensch ein „wahrnehmendes Subjekt“ ist, spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle, auch für die Malerei. Bilder sind für Angermann in erster Linie „Protokolle der Wahrnehmung“. „Das Spannendste ist für mich immer noch, wie die Codierung der dreidimensionalen Wirklichkeit gelingt. Also, wie man mit Hilfe von Farben, Pinsel und Leinwand, das, was man sieht, in ein Bild umsetzt.“

Bekannt geworden mit Gesellschaftskritik, Ironie und absurdem Humor hat Angermann Anfang der 90er Jahre die Plein-Air-Malerei für sich entdeckt und erneut eine künstlerische Kurve gekratzt. Aus der Schnapsidee, die er zusammen mit seinen Künstlerfreunden Peter Hammer und Harri Schemm entwickelte, ist längst ein Markenzeichen geworden.

Angermann fuhr auf den Spuren van Goghs nach Südfrankreich und stellte dessen Motive nach. Heute ist er oft in Franken und der Oberpfalz mit dem Fahrrad, Strohhut und Staffelei unterwegs, um Landschaftsbilder zu malen, bei Wind und Wetter. „Ich habe kein Problem damit, wenn man mich einen rückwärtsgewandten, traditionellen Maler nennt“, sagt er und grinst dabei. Das nennt man wohl fränkisches Understatement.

Der Maler Peter Angermann (Jahrgang 1945) zählt seit langem zu den bekanntesten Persönlichkeiten der regionalen Kunstszene, sein Werk wird international beachtet. Der Beuys-Schüler war unter anderem Professor für Malerei an der renommierten Städelschule in Frankfurt sowie an der Nürnberger Kunstakademie. In diesem Jahr erhält er den großen Kulturpreis der Stadt Nürnberg, der mit 10 000 Euro dotiert ist.

Mit Förderpreisen (je 5000 Euro) werden der Cartoonist Gerd Bauer und der Verein Fotoszene Nürnberg ausgezeichnet. Nürnberg-Stipendien in Höhe von jeweils 2500 Euro erhalten die Popband „A Tale of Golden Keys“, der Bildhauer Franz Ulrich Janetzko, der Autor Michael Lösel und das „Poetische Theater“ sowie der Bildende Künstler Sebastian Tröger.

Kulturreferentin Julia Lehner überreicht die Preise im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung am 7. November, 19. 30 Uhr, in der Nürnberger Tafelhalle.

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