140.000 bunte Scheiben tauchen St. Johannes in warmes Licht

8.4.2020, 21:01 Uhr
140.000 bunte Scheiben tauchen St. Johannes in warmes Licht

© Edgar Pfrogner

Anfang des 20. Jahrhunderts befanden sich bereits sieben wertvolle Buntglasfenster im Altarraum der St.-Johannes-Kirche. Durch einen amerikanischen Luftangriff im April 1945 blieb die Kirche an sich zwar     weitgehend verschont, die Wucht der Bombendetonationen zerstörte jedoch alle Fenster. Statt Buntglas wurden im Zuge der Wiederherstellung klare Scheiben eingesetzt. Der Nachteil zeigte sich bald: Die Sonne blendete den Pfarrer und die Kirchgänger bei der Messe.

In den 80er Jahren kam der damalige Stadtpfarrer Kaspar Hirschbeck auf die Idee, wieder Buntglasfenster einbauen zulassen. Dazu entwickelte er ein theologisches Programm, dessen zentrales Thema lautete: Gott in der Welt - wie wurde und wie wird die Wirklichkeit Gottes in der Welt erfahren?

So wird auf den sieben Fenstern die gesamte Heilsgeschichte in Bildsprache abgebildet. Die beiden äußeren Fenster im Altarraum zeigen 72 Heilige, die das Wirken Gottes in der Welt als Antrieb für ihr Leben gesehen haben. In den weiteren Fenstern sind unter anderem die Sinai-Erfahrung, die Taufe Jesu und das Weihnachtsmotiv dargestellt. Viele Szenen werden durch umlaufende Zitate aus der Bibel eingerahmt.

Nachdem der französische Maler Marc Chagall die Buntglasfenster für das Frauenmünster in Zürich gestaltet hatte, war der erste Gedanke von Pfarrer Hirschbeck ihn für die Neumarkter Fenster anzufragen. Leider war dies nicht mehr möglich, da Marc Chagall 1985 verstarb.

140.000 bunte Scheiben tauchen St. Johannes in warmes Licht

© K. Forster

Bei einem Besuch in der evangelischen Stadtkirche in Gunzenhausen wurde er dann auf die Fenster von dem Stuttgarter Künstler Professor Hans Gottfried von Stockhausen aufmerksam. Pfarrer Hirschbeck war hellauf begeistert und beauftragte ihn, die modernen Buntglasgemälde in den Jahren 1992 bis 1995 zu gestalten. Viel gedankliche, künstlerische und handwerkliche Arbeit steckt in den je 12,50 Meter hohen und 2,80 Meter breiten Fenstern.

 20.000 Scheiben hat der Künstler je Fenster eigenhändig bemalt. Professor von Stockhausen äußerte sich über Pfarrer Hirschbeck schmunzelnd: „Ich habe noch keinen Pfarrer in meiner langen Zeit als Glasmaler für Kirchenfenster mit so geistiger Kraft und drängender Geduld, dazu schwindelfrei, erlebt.“

Jedes der sieben Fenster kostete damals 150 000 Euro. Interessant ist die Finanzierung der Fenster. Das erste Fenster wurde durch eine Erbschaft finanziert, eines konnte durch Spenden aus der Pfarrei erworben werden, ein Fenster bezahlte die Stadt Neumarkt. Auch ein Spendenverein hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ein weiteres Fenster zu übernehmen. Das fünfte Fenster spendete die Firma Eduscho aus Bremen. Die Kirchenstiftung übernahm die Kosten für die restlichen zwei großen Fenster.

In feinfühliger Rücksichtnahme auf die gotischen Raumverhältnisse wurde im Neumarkter Münster in herrlich leuchtenden Farben und mit modernem Zeichenstrich ein großartiges Gesamtkunstwerk geschaffen. Insgesamt 140.000 Scheiben brechen das Licht im Altarbereich und legen ein buntes Mosaik über Säulen und Wände.

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