Alltags-Tücken in der Tiefgarage

21.10.2019, 12:03 Uhr
Alltags-Tücken in der Tiefgarage

© Foto: Anton Karg

Die zweite Berchinger Bürgermeisterin, Kulturreferentin und Organisatorin der Reihe "Literaturraum Berching", Gerlinde Delacroix, hat zusammen mit ihrem Team ein glückliches Händchen bewiesen und alles bestens vorbereitet.

Alltags-Tücken in der Tiefgarage

© Foto: Anton Karg

Die Aula der Schule war zum Literaturcafé umfunktioniert worden und diente auch der Eröffnung mit der Begrüßung der Musiker und der Rezitatoren durch Gerlinde Delacroix und Moderator Werner Kränzlein, "Audio-Engineer und Studiobetreiber". Er selbst las vor knapp 300 still lauschenden Personen aus dem Buch: "Am Boden des Himmels" von Joana Osmann. Zwischendurch gab es "Folk und World Music" der Gruppe ist "The Folk&World- Company".

Joana Osman erzählt in ihrem Debütroman davon, dass ein kleiner Augenblick der Furchtlosigkeit Welten überwinden kann. Malek Sabateen, ein neunzehnjähriger Palästinenser mit dem Zorn eines Heiligen, dem Herzen eines Weisen und dem Gemüt eines Kindes, besitzt eine besondere Fähigkeit: Es gelingt ihm, die Menschen in seiner Umgebung nicht nur zu beruhigen, sondern sie für einen Moment durch die Augen des anderen, des Feindes, sehen zu lassen.

In Israel, dem Heiligen Land, ist das jedoch gleichsam Wunder wie Bedrohung. Drei Exemplare des Romans überreichte Werner Kränzlein an die Leiterin der Berchinger Bücherei, Barbara Großmann, so dass jeder das Buch ausleihen kann.

Bei einem Glas Sekt wurden die Besucher zuvor auf die Lesungen eingestimmt. Anschließend begab man sich je nach Gusto auf den Weg zu den sechs Stationen in der Berchinger Innenstadt: in die Schranne, ins Rathausrückgebäude, in die teilweise fertig restaurierte Gaststube "Posteck" des Hotel Post, in die Tiefgarage nebenan, in die Mühlgasse 2, in die Pfarrkirche, in ein sanierungsbedürftiges Wohnhaus am Dr.-Grabmannplatz 4 und in einen Raum des Kirschhauses.

Wer auch als Erwachsener noch gerne Märchen hört, der war bei der Neumarkterin Christine Lübeling in der Schranne richtig. Sie erzählte mit weicher Stimme in ihrer Märchenlesung "Das Märchen vom Zedernbaum" aus "An Nachtfeuern der Karawan-Serail" von Elsa Sophia.

In der Gaststube "Posteck" im Hotel Post gab es etwas Besonderes: Brigitte Blank, Andrea Huber, Maresi Schmid und Wolfgang Stadler, vier Musiker der Gruppe "Musica nostalgica", beleuchten musikalisch und literarisch die Freundschaft zweier außergewöhnlicher Frauen, Astrid Lindgren, die Kinderbuchautorin, und Louise Hartung, die Sängerin und Pädagogin. Einige ihre Briefe, die von dieser tiefen Freundschaft zeugen, sind im dem Buch "Ich habe auch gelebt! Briefe einer Freundschaft" zusammengefasst.

Eröffnet wurde dieser Part der Literaturnacht mit dem Lied "Sag mir, wo die Blumen sind,…", einem Songtext von Marlene Dietrich, gesungen von Brigitte Blank und Andrea Huber, begleitet von Maresi Schmid (Violine) und Wolfgang Stadler (Schlagzeug), um an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg zu erinnern.

Abwechselnd lasen sodann Maresi Schmid als "Astrid" und Andrea Huber als "Louise" einfühlsam aus den Briefen vor. Förmlich zu spüren war die Melancholie, die Lindgren an manchen Tagen überkam, und auch die große Sehnsucht nach ihrer Brieffreundin.

Nahezu jeder kennt Astrid Lindgren als lebensfrohe Frau. Sie schrieb Bücher, die Generationen von Kindern glücklich machten: Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga und Ronja Räubertochter. Die Leseförderung von Kindern und Jugendlichen hat die Frauen zusammengeführt.

In der Stadtpfarrkirche las Kaplan Michael Polster aus "Geschichten vom lieben Gott" von Rilke. Mit seinen heiteren Geschichten versucht Rainer Maria Rilke Antworten auf viele Fragen des Lebens und das Verhältnis des Menschen zu Gott zu geben.

Im Schlierfhaus am Grabmannplatz las Pfarrer Alois Loeßl aus "Des deutschen Spießers Wunderhorn" von Gustav Meyrink, Novellen aus dem Jahr 1913. Das ehemalige "Kirschhaus" am Reichenauplatz ist eines der ältesten Häuser in Berching. Hier las der Verleger Fritz Pustet aus der Geschichte "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" von Oliver Sacks.

Streicheleinheit für Hydranten

In dem Büchlein wird die Sicht eines Arztes auf eine Art von Demenz in humorvoller Art beschrieben. So tätschelt zum Beispiel ein Musikwissenschaftler Hydranten, weil er diese für spielende Kinder hält.

Einer der spektakulärsten Leseorte war die im Rohbau befindliche Tiefgarage in der Mühlgasse. Man stolperte die Treppe hinunter, nur die Notbeleuchtung wies den Weg. Für Klaus Meile von der Pocket Opera Nürnberg las Lehrer Christoph Pöppl-Neufert eine heitere Geschichte aus Horst Evers "Wäre ich du, ich würde mich lieben". Die Texte schildern, verpackt in grandios komischen Geschichten, Unbill und Tücken des Alltags.

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