Corona fordert die Justiz: Neuer Alltag im Amtsgericht Neumarkt

11.11.2020, 06:30 Uhr
Plexiglasscheiben sollen in den Sitzungssälen des Amtsgerichts Neumarkt alle Prozessbeteiligten vor einer Corona-Infektion schützen. Das gilt gleichermaßen für Angeklagte, Richter, Verteidiger und Anklagevertreter.  

© Philip Hauck Plexiglasscheiben sollen in den Sitzungssälen des Amtsgerichts Neumarkt alle Prozessbeteiligten vor einer Corona-Infektion schützen. Das gilt gleichermaßen für Angeklagte, Richter, Verteidiger und Anklagevertreter.  

"Im Frühjahr sind fast alle Verhandlungen ausgefallen", erzählt Hans-Christoph von Taysen, Direktor des Amtsgerichtes. Am Residenzplatz 1 wurde der Prozessbetrieb im Frühjahr stark zurückgefahren. Wenn überhaupt, dann seien Strafsachen verhandelt worden, so von Taysen. Zivilrechtliches und nicht Eilbedürftiges wurde vertagt.


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Das Personal arbeitete in zwei Teams, eines im Amtsgericht, das andere zuhause, "damit nicht das ganze Gericht ausfällt", erklärt von Taysen. Wer seither das Hauptgebäude des Pfalzgrafenschlosses betritt, muss am Eingang eine Selbstauskunft ausfüllen. Das Sicherheitspersonal ermahnt sofort, wenn der Mundschutz über die Nase rutscht. Die Bänke im Wartebereich für Zeugen sind teilweise abgeklebt, um die Abstandsregeln einzuhalten.

Der Alltag bei Gericht hat sich verändert – und das auf unabsehbare Zeit. Am auffälligsten ist das in den Verhandlungssälen, wo Plexiglasscheiben vor dem Richter, zwischen Angeklagtem und Verteidiger sowie vor dem Zeugen stehen. Die Sitzreihen für Zuschauer sind auf wenige Stühle ausgedünnt. Es besteht Maskenpflicht, abnehmen darf den Schutz nur, wer spricht.


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"Das handhabt jeder Richter unterschiedlich", sagt von Taysen, der es für wichtig erachtet, die Mimik seines Gegenübers zu sehen.
Wenn es die Witterung zulässt, wird im Saal durchgehend gelüftet, ansonsten werden die Fenster alle 45 Minuten kurz geöffnet. Eine moderne Lüftungsanlage gibt es nicht, was auch den historischen Mauern geschuldet ist. Zwischen den Verhandlungen desinfiziert das Sicherheitspersonal die Plätze.

Angestaute Fälle

Bisher hat es am Amtsgericht keinen Corona-Fall gegeben. Zweimal habe das Gesundheitsamt Quarantäne für einen Mitarbeiter anordnen müssen, weil diese Kontakt mit einem Positiven hatten, berichtet von Taysen. Doch es gab schnell Entwarnung.

Durch Corona wird nicht wirklich mehr Arbeit auf das Neumarkter Amtsgericht zukommen. Zwar habe sich aus der Zeit des ersten Lockdowns einiges angestaut; bedingt durch den temporären Stillstand des öffentlichen Lebens seien aber auch weniger Akten auf den Richter-tischen gelandet, weiß von Taysen.


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Neu sind Ordnungswidrigkeiten wie Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, wenn beispielsweise ein Bummler seine Maske nicht aufsetzen wollte oder ein Gastwirt gegen die Auflagen verstieß. Ein gutes Dutzend dieser Verfahren seien von Taysen bekannt.
Was die Digitalisierung bei der Justiz betrifft, hat Corona zumindest einen kleinen Anschub geleistet: Gericht geht in Zivilprozessen theoretisch auch per Videoschalte, wenn Prozessbeteiligte weite Anreisen hätten oder zur Risikogruppe gehörten.

Der Weg zur Digitalen Akte ist aber noch weit. Aktuell werde unter anderem in Regensburg ein Pilotprojekt durchgeführt. Je nach dessen Erfolg, soll die Umstellung bis etwa Mitte des Jahrzehnts schrittweise an den bayerischen Gerichten erfolgen.

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