Die richtige Dosis Selbstvertrauen für Neumarkts Grundschüler

8.10.2019, 18:53 Uhr
Die richtige Dosis Selbstvertrauen für Neumarkts Grundschüler

© Foto: Hauke Höpcke

 Grundschüler sind lieb, harmlos und haben keine Probleme. Dieses verbreitete Bild ist falsch. Es hat wohl noch nie gestimmt. Kinder haben seelische Nöte, leiden unter Gewalt, mobben Mitschüler – vielleicht noch nicht in der Form wie halbstarke Jugendliche.

"Es gibt Sechs- oder Siebenjährige, die sich selbst versorgen müssen, alleine aufstehen und pünktlich zur Schule gehen", sagt Wolfgang Biller. Er ist seit zwei Jahren Schulsozialarbeiter für die Grundschulen in Hasenheide, Holzheim, Pölling, Woffenbach und Wolfstein.

Wenn der Zweitklässler austickt, fliegt schon mal ein Stuhl

Ganz gewiss keine sogenannten Brennpunktschulen. Weshalb die Stadt seine Stelle als eine freiwillige Leistung vollständig selbst finanziert. An seinen fünf Schulen betreut Biller derzeit 85 Akutfälle. Etwa einen Zweitklässler, der nach acht Minuten Unterricht austickt. Dann fliegt schon mal ein Stuhl.

"Früher hätte die Lehrkraft nur die Option gehabt, die Eltern anzurufen und das Kind abholen zu lassen", sagt Ulrike Winkler, Schulleiterin in Woffenbach. "Aber eigentlich ist dies keine Lösung, sondern die Situation wird letztlich schlimmer."

Nicht jedes der Kinder reagiert so aggressiv. Andere ziehen sich in sich zurück oder fallen auf, wenn sie in der Freiarbeit Bilder malen, in denen Menschen die Köpfe abgehackt werden. Biller sucht das Gespräch mit dem Kind, versucht, die Situation zu klären, Lösungswege zu finden oder bei Konflikten zu vermitteln. "Es geht darum, die notwendige Dosis Selbstvertrauen zu geben und die Kinder zu festigen."

 

Bei den bluttriefenden Bildern stellte sich heraus: Der Vater hatte einen Horrorfilm angeschaut, als das Kind herein kam. Biller: "Kinder können Gewaltdarstellungen oder Pornografie nicht verarbeiten."

"Viele Eltern sind einfach überfordert und unsicher."

Der Schulsozialarbeiter sucht auch den Kontakt zu den Eltern, informiert über Angebote der Erziehungsberatung, Therapien oder Sprachförderung. "Viele Eltern sind einfach überfordert und unsicher." Wo früher oft aus dem Bauch heraus erzogen wurde, herrsche heute große Ratlosigkeit.

Dabei hat Biller einen großen Vorteil gegenüber jeder Lehrkraft: Er gibt keine Noten und ist keinem Lehrplan verpflichtet. Persönliche Infos aus den Gesprächen werden vertraulich behandelt und nur mit Einverständnis des Betroffenen anderen mitgeteilt.

Schulsozialarbeiter Biller  bleibt zu wenig Zeit für jeden Akutfall

39 Stunden für 85 Kinder – da bleibt zu wenig Zeit für den einzelnen "Akutfall". Für das kommende Jahr stockt die Stadt die Schulsozialarbeit deshalb um eine halbe Stelle auf. Kooperationspartner ist die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi).

Die gfi ist auch Arbeitgeber der Sozialarbeiter an den Mittelschulen und den Grundschulen Bräugasse und Theo Betz. Die haben allerdings einen staatlich anerkannten Bedarf. Weshalb dort Bezirk und Landkreis jeweils ein Drittel der Kosten übernehmen.


Termine können vereinbart werden unter wolfgang.biller@die-gfi.de


 

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