Kommunalpolitiker als Testpersonen

20.10.2014, 16:00 Uhr
Kommunalpolitiker als Testpersonen

© Foto: Tsimplostefanaki

Mit den Fördermitteln wird ein Konzept erarbeitet, das Lösungen für mehr Barrierefreiheit in Neumarkt aufzeigen soll. Ein wesentliches Merkmal der Erstellung des Konzeptes ist es, dass neben dem Beirat für Menschen mit Behinderung und dem Seniorenbeirat auch die Bürger insgesamt mit einbezogen werden.

„Barrierefreiheit bedeutet mehr als nur rollstuhlgerecht. Uta Bauer, Inhaberin des Büros für integrierte Planung Berlin, und Mone Böcker von „Raum und Prozess“ in Hamburg stellten die Ziele des Konzepts vor, „Es sollen Wege geschaffen werden für mehr barrierefreie Mobilität in Neumarkt.“

Sichere Wege

Diese Wege sollen sicher sein, für alle nutzbar, komfortabel, vernetzt und selbsterklärend. Argument für Barrierefreiheit sei, dass ein Drittel der Bevölkerung mobilitätseingeschränkt ist. Ihre selbstständige Lebensführung entlaste jedoch die privaten Haushalte.

Die beiden Referentinnen betonten, dass sie nur mit der Konzeptentwicklung beauftragt sind, noch nicht mit der Planung. Unter Einbeziehung der Bürger sollte dabei der größte Handlungsbedarf analysiert werden. Anwesend waren ein Dutzend interessierter Bürger, Vertreter von Verbänden und Verwaltung. Stadtbaumeister Matthias Seemann und Stadtrat Bernhard Lehmeier waren ebenfalls vor Ort.

In einer anschließender Diskussion und Gruppenarbeit durften sich die Besucher am Bewerten der Maßnahmen beteiligen. Folgende Themen wurden herausgearbeitet: Das „Hoppel-Pflaster“ in der Altstadt sei schlecht für Rollstuhlfahrer. Außerdem würde es in der Stadt nur so von Stolperfallen wimmeln. Mülltonen, ordnungswidrig geparkte Autos und Werbeschilder würden die Mobilität in der Fußgängerzone enorm einschränken. Visuelle Kontraste für Sehbehinderte seien so gut wie gar nicht vorhanden. Öffentlich wichtige Orte, wie das Finanzamt, der Bahnhof und Parkhäuser müssten im Bezug auf die Erreichbarkeit nachgebessert werden.

Der in der Seniorenarbeit engagierte Anton Guttenberger sagte zur Barrierefreiheit in der Stadt: „Mein 54-jähriger Sohn sitzt im Rollstuhl und meidet die Stadt total. An jeder Ecke stehen Werbung und Stolperfallen. Das ist einfach nur schrecklich.“ Gerne würde Anton Guttenberger auch selber mithelfen, die Stadt barrierefreier zu machen: „Ich komme aus der Baubranche, ich würde sofort mit anpacken.“ Seit Längerem versuche er auch ein Gespräch mit dem Stadtbaumeister zu führen, dieser gehe jedoch nicht darauf ein.

Bei einer weiteren Veranstaltung sollten Vertreter des Stadtrates, aber auch interessierte Bürger alltägliche Aufgaben wie beispielsweise den Einkauf neuer Schuhe bewältigen. Und das mit Rollatoren, Rollstühlen und speziell präparierten Brillen. Mit dabei waren Bürgermeister Albert Löhner am Rollator und Stadtrat Bernhard Lehmeier im Rollstuhl. Löhner setzte sich die Brille mit dem Effekt des Grauen Stars kurzzeitig auf, nahm sie dann aber mit folgender Begründung gleich wieder ab: „Da sieht man ja fast nichts durch.“

Stadtplan besorgt

Erste Aufgabe war es, sich in der Touristeninformation einen Stadtplan zu besorgen. Anfängliche Schwierigkeiten gab es bereits, als Stadtrat Lehmeier die Tür nicht alleine öffnen konnte. Weiter ging es für die beiden zur Hofkirche. Während Löhner unterwegs kleine Probleme hatte, seinen Rollator einzustellen, waren schon erste Schweißperlen auf der Stirn von Stadtrat Lehmeier zu sehen. Nachdem Lehmeier das Quergefälle in der Fußgängerzone heil überquert hatte, hohe Bordsteinkanten rückwärts fahrend überwand und sich schwitzend seines Jacketts entledigte, erreichten die beiden die Hofkirche. Dabei versuchte eine Bürgerin mit Sehbehinderung die Tür zur Hofkirche zu öffnen, fand jedoch den Türgriff nicht. Auch die Rollstuhlfahrer konnte ohne Hilfe die Kirche nicht betreten.

Die letzte Aufgabe war es, sich eine Erfrischung am Marktstand zu besorgen. Während Löhner seinen Rollator zur Seite schob und die Veranstaltung verließ, kämpfte sich Stadtrat Lehmeier durch die Menschenmassen am Unteren Markt zum Marktstand. „Ich kenne diese Situation“, sagte er, „meine Frau sitzt seit 13 Jahren im Rollstuhl.“

Ob und wie die Altstadt verbessert werden soll und welche alltäglichen Barrieren beseitigt werden, bleibt abzuwarten.

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