Nacktbaden in Neumarkt: Der Moral auf der Spur

27.6.2014, 11:02 Uhr
Nacktbaden in Neumarkt: Der Moral auf der Spur

© NN

Es ist ein Thema, das viele nur mit spitzen Fingern anfassen: Wie nackt darf der Mensch in der Öffentlichkeit sein? Ist der ein Spießer, der keine blanken Busen auf der Liegewiese des Freibades sehen will oder ist der schamlos, der sich ohne Badehose ins hohe Gras am Baggersee legt, um sich nahtlos zu bräunen?

Bis September vergangenen Jahres war das in der bayerischen Badeverordnung geregelt, die das Innenministerium herausgegeben hatte – die ausgelaufen ist und heute nicht mehr gilt. „Wer öffentlich badet, muss Badekleidung tragen“, hieß es darin, und es ging um Wasser-, Luft- und Sonnenbaden. Vor allem aber „um die Aufrechterhaltung der Sittlichkeit“.

In Paragraph 1, Absatz zwei der entsprechenden Verordnung war auch geklärt, wo Nackerte nix verloren haben: An öffentlichen Plätzen, zu denen allgemein Zutritt erlangt werden kann, und an Plätzen, die öffentlich einsehbar sind, erklärt Regierungsrat Daniel Merk vom Landratsamt. Kinder bis drei Jahre waren von der Textilpflicht befreit, auch Buben; Saunabäder waren ebenso außen vor, genauso das Nacktsonnen auf der heimischen Terrasse.

Fein säuberlich geregelt

Aber nun: Die Sittlichkeit ist seit fast einem Jahr dem Verfall preisgegeben. Außer, eine Kommune regelt selbst, wo sich Mann oder Frau entblößt zeigen darf. In München, das sich gerne seiner großen Liberalität rühmt, hat der Stadtrat sofort reagiert und genau fest gehalten, wo die Hüllen fallen dürfen. Nicht viele Plätze sind geblieben. Andererseits: Die Nackerten aus dem englischen Garten gibt es schon lange nicht mehr. Vor einem Münchener Bezirksausschuss hatten Freunde der Freikörperkultur gar einen Antrag gestellt, bestimmte Zonen als textilfreie auszuweisen, weil sie sich beispielsweise am Flaucher von den Angezogenen bedrängt gefühlt haben. Doch das verlief im Sand, besser, im Schotterstrand.

Im Neumarkter Freibad regelt die Hausordnung, wie angezogen der Badegast mindestens sein muss. Aber auch hier: (Fast) keine Nackerten mehr in Sicht. Es kommt selten vor, dass einmal eine Dame die Hüllen sausen lässt, heißt es bei den Stadtwerken, die das Bad betreiben. Und wenn, sei es meist eine Auswärtige, die dann aber dezent darauf hingewiesen werde, dass oben ohne nicht erwünscht sei. Wegen der vielen Kleinkinder, die sich im Bad tummeln. Die werden blanke Busen eher weniger anzüglich finden, kennen sie sie aus ihrer jüngsten Vergangenheit doch eher als Nahrungsquelle. Es sind wohl die schon viel größeren Kinder, die da möglicherweise vom Pfad der Tugend nicht abkommen sollen.

Damit soll es aber auch gut sein, sagt Stadtpressesprecher Franz Janka. Irgendeine Verordnung sei da nicht geplant als Ersatz für Neumarkt, im Bad sei es ja geregelt. Schließlich gebe es auch noch den Straftatbestand, der Erregen öffentlichen Ärgernisses heißt. Das öffentliche Ärgernis ist weit definierbar und darunter fällt auch derjenige, der meint, im Adamskostüm über den Oberen Markt gehen zu müssen. Janka schmunzelnd: „Außer, er sagt, das ist Kunst. Da ist dann vieles möglich.“ Aber, und das muss er gar nicht sagen, eben nicht alles.

„Wenn etwas grob anstößig ist oder andere belästigt, wird das als Ordnungswidrigkeit verfolgt“, sagt Polizeioberrat Helmut Lukas; aber, fragt der Neumarkter Polizeichef auch: „Was ist grob anstößig?“ Etwas, was gegen die guten Sitten verstoße, aber auch das müsse definiert werden nach der jeweiligen gesellschaftlichen Situation. Es sei schon ein Unterschied, ob einer nackt durch die Neumarkter Innenstadt laufe oder sich an einem einsamen Fleckerl am Baggersee in die Sonne lege und dann zufällig von jemandem gesehen werde.

Deswegen fand sich im vergangenen Jahr tatsächlich ein Bürger bei der Polizei ein: Er hatte einen nackten Mann am Baggersee entdeckt. Das ist aber der einzige angezeigte Fall der vergangenen Jahre.

Kein Thema

Kein Thema war Nacktbaden bisher im Naturbad in Postbauer-Heng oder im Freystädter Naturbad in Rettelloh oder dem Mörsdorfer Bad. „Bei uns kann jeder kommen und gehen, offen ist von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, aber wegen nackter Sonnenanbeter gab es noch keine Beschwerden“, sagt Bürgermeister Horst Kratzer. Und auch der Freystädter Bürgermeister Alexander Dorr kann sich an keine Klagen diesbezüglich erinnern. Ob sich das durch den Wegfall der Satzung ändern wird, sagt Kratzer, „müssen wir halt erstmal auf uns zukommen lassen“. Ehe der Gemeinderat reagiert.

Ein Tipp: Vorher sollte das Gremium vielleicht erst einmal zu einer Inaugenscheinnahme im Naturbad antreten. Aber bitte in Badehose, Badeanzug oder Bikini.

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