Napoleon starb in Neumarkts St. Helena

1.4.2015, 08:26 Uhr
Napoleon starb in Neumarkts St. Helena

© Foto: Reuters

Fand sich doch durch Zufall in einem Neumarkter Magistratsprotokoll ein Dokument, das für die lokale und überregionale Geschichtsschreibung bedeutsam werden könnte. Leihgaben des Stadtarchivs Neumarkt sind nicht nur immer wieder im hiesigen Stadtmuseum, sondern auch bei Ausstellungen anderer Museen und wissenschaftlicher Einrichtungen zu sehen.

So wurde beispielsweise in der Ausstellung „Bettler, Jauner, Galgenvögel. In den Fängen der Justiz“ im Fränkischen Schweiz Museum Tüchersfeld und im Schloss Ratibor in Roth 2013 und 2014 der Posträubersteckbrief von Postbauer-Heng aus dem Jahr 1732 gezeigt.

Bei dem für den Verleih nach Ingolstadt vorgesehenen Dokument handelt es sich um einen Brief in französischer Sprache, gerichtet an den Magistrat der Stadt Neumarkt. Transkription und Übersetzung – bei letzterer erwies sich eine Lehrerin aus Issoire als besonders hilfreich – des erst vor wenigen Wochen als Einlage in dem Ratsprotokollband der Jahre 1820 bis 1822 gefundenen Schriftstücks ließen seine Bedeutung erst nach und nach erkennen.

Der mit „N. B.“ unterzeichnende Schreiber richtete am 15. Februar 1821 eine Anfrage an den Magistrat, in welcher er sich nach dem Verbleib des Torschmieds Veit Joseph Jung erkundigte. Seine Wächter hätten ihm erzählt, dieser habe bei der Schlacht zwischen seinen eigenen Truppen und den Österreichern im August 1796 eine bedeutsame Rolle gespielt. Er selbst sei seit dem 18. Oktober 1815 in dem Lang-Haus am Wald als Gefangener, wohin man die Antwort senden solle, und sei an Militärgeschichte interessiert, ganz besonders an den Kampfhandlungen des Jahres 1796.

Zwei Randnotizen des Stadtschreibers lieferten weitere Anhaltspunkte zur Identität des Schreibers und der Bearbeitung seiner Anfrage. Es heißt dort: „In Betreff des angefragten Gegenstands wurde eifrig Nachforschung gethan bei dem allhiesigen Pfarramte, alldieweil erhielt man zur Antwort, dass im Betreff genannter Veit Joseph Jung am 7. November 1805 bereits verstorben sei. Neumarkt, den 3. Mai 1821“.

Die zweite Notiz lautet: „Neumarkt, den 7. Mai 1821. Weil Nachricht aus dem Pfarramte St. Helena eintraf, dass besagter Absender des Schreibens und Gefangener der bayerischen königlichen Regierung und des englischen Königs am 5. Mai 1821 dahier an einer starken Magenblutung verstorben sei, wurde von einer Beantwortung Abstand genommen.“ So hat den Schreiber „N. B.“ die Nachricht über den Tod des Neumarkter Torschmieds nicht mehr erreicht.

Royalisten blamiert

Lokalgeschichtlich ist der Brief insofern von Bedeutung, als damit eine zeitnahe Bestätigung der Tat des Veit Joseph Jung vorliegt, die bislang erstmals in Schrauths Stadtgeschichte aus der Mitte der 19. Jahrhunderts belegt war.

Doch diese bedeutsame Bereicherung der Stadtgeschichte erscheint marginal gegen die neue Erkenntnis, dass der abgedankte Kaiser Napoleon Bonaparte, denn nur um ihn kann es sich hier handeln, nicht auf einer englischen Insel im Atlantik, sondern in „Saint Helena prés de Neumarkt“, nicht im „Langwood-House“, sondern im Lang-Anwesen beim Wald „maison dans la forêt“  seine letzten Lebensjahre verbrachte. Mit einer raffinierten Täuschung ließen die Engländer die französischen Bonapartisten im Glauben, Napoleon sei weit weg von Europa auf der Insel Saint Helena im Südatlantik.

Für Historiker dürfte sich damit auch klären, weshalb eine nur wenigen Fachleuten bekannte Befreiungsaktion französischer Royalisten fehlschlug, die auf der Insel vergeblich nach dem in der Oberpfalz gefangenen ehemaligen französischen Kaiser suchten. Diese Aktion kam auch nie an die Öffentlichkeit, da das Bekanntwerden dieser Blamage den Royalisten weiteren ideellen Schaden zugefügt hätte.

So hat nun möglicherweise auch Neumarkt-Sankt Helena einen prominenten Gefangenen wie bereits Pilsach mit dem dort mutmaßlich gefangen gehaltenen „Kind Europas“ Kaspar Hauser. Der einzige Wermutstropfen an dem Sensationsfund: Es fehlt noch die gutachterliche Bestätigung des Alters der Tinte und des verwendeten Papiers. Die dürfte wohl in den nächsten Tagen von Experten des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg im Auftrag des Hauses der Bayerischen Geschichte nachgeliefert werden. In jedem Fall wird die Öffentlichkeit über das Ergebnis zeitnah informiert werden.

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