Prügelopfer bemüht am Amtsgericht Neumarkt Franz Kafka

18.8.2020, 12:24 Uhr
Das Opfer einer Körperverletzung argumentierte vor Gericht mit einem Werk von Franz Kafka.

© CKT (dpa) Das Opfer einer Körperverletzung argumentierte vor Gericht mit einem Werk von Franz Kafka.

Richter Rainer Würth hatte schon zu Beginn der Verhandlung geahnt, dass sich der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung wohl nicht aufrechterhalten ließe und es auf einfache Körperverletzung hinauslaufen würde. Es wurde eine Einstellung ohne Auflagen.

Angeklagt war ein 55 Jahre alter Mann, der seinen Sohn aus erster Ehe misshandelt haben soll. Er habe ihn am Hals gepackt und ihn gegen einen Balken gestoßen, wobei dem Filius eine drei Zentimeter lange Platzwunde zugefügt wurde. Das Opfer habe noch Tage danach Schmerzen verspürt.

Streit um Kfz-Versicherung

Im Prinzip sei das richtig, räumte der Vater ein, doch habe die Auseinandersetzung mit seinem Sohn eine Vorgeschichte. Der Student bringe nicht das zu erwartende Verantwortungsbewusstsein auf. Das ärgere ihn sehr. Er habe ihm ein gebrauchtes Auto geschenkt, aber mit der Maßgabe, sich um den Unterhalt selbst zu kümmern. Dazu gehört auch die Versicherung.

Gefragt, ob er die Police gezahlt habe, sagt der Student ja, tatsächlich aber hatte er das versäumt. Der junge Mann, der sich offenbar noch etwas in Traumtänzerei übt, wollte den Wagen dennoch benutzen. Das, so der Vater , habe er verhindert, indem er den Pkw mit einem anderen Fahrzeug zuparkte. Beim folgenden Streit habe er sich vom Sohn angegriffen gefühlt und ihn in einer Abwehrbewegung zu Boden gestoßen. Dabei müsse er sich die blutende Platzwunde zugezogen haben.

Schriftsteller zitiert

Der Sohn zog es vor, von seinem Zeugnis-Verweigerungsrecht Gebrauch zu machen, sagte aber, dass er seinem Vater das künftige Leben nicht vermasseln wolle. Aus seinem Rucksack kramte er das Buch "Brief an den Vater" von Franz Kafka. Kafka legt in diesem niemals abgeschickten, 100 Seiten langen Brief dar, dass weder er noch sein Vater Schuld daran trügen, dass ihr Verhältnis stets unterkühlt geblieben war.

Beide Charaktere seien einfach zu unterschiedlich: der Vater kraftvoll, zielstrebig und manchmal cholerisch, der Sohn feinfühlig und zart. "Lies es und wenn du es verstanden hast, dann kannst du mir ja schreiben", verabschiedete sich der junge Mann aus dem Zeugenstand und von seinem Erzeuger.

Kein Intereesse an Strafverfolgung

Richter Rainer Würth sah deshalb keinen Sinn darin, die Rangelei mit etwas blutigem Ausgang zu sanktionieren und stellte das Verfahren ohne Auflagen ein, zumal auch das Opfer sichtlich kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung hatte. Die Kosten übernimmt die Staatskasse.

Keine Kommentare