Altmühltaler: Reiner Wein zum strittigen Wasser?

20.4.2019, 06:04 Uhr
Altmühltaler: Reiner Wein zum strittigen Wasser?

© TK-Archiv/Benjamin Huck

"Es war Bürgern und Stadtrat immer klar, wenn eine Firma aussiedelt und sich vergrößert, dann will sie auch mehr verkaufen. Vielleicht war nicht so bekannt, wie das vonstatten geht": Der Einstiegssatz von Rathauschef Werner Baum zum Thema Fördermengensteigerung der Firma Altmühltaler Mineralbrunnen bei der Bürgerversammlung in Treuchtlingen ließ durchblicken, wo der Hase im Pfeffer liegt. Die Fronten scheinen indes noch nicht völlig verhärtet zu sein. So ließ sich der Bürgermeister trotz Berufung auf Artikel 52 der Gemeindeordnung, dem zufolge der Stadtrat über "berechtigte Interessen Einzelner" nichtöffentlich beraten müsse, doch breitschlagen, mehr als bisher ins Detail zu gehen.

Welche Dimensionen hat das Projekt?
Das Altmühltaler-Werk in der Treuchtlinger Stadtmitte hat laut Baum eine Fläche von etwa 35.000 Quadratmetern. Zieht die Firma komplett an die Heusteige um, werden es dort rund 85.000 Quadratmeter sein. Derzeit fördert das Unternehmen neben normalem Trinkwasser für seine Süßgetränke jährlich etwa 250.000 Kubikmeter Mineralwasser aus zwei Brunnen mit rund 240 Metern Tiefe. Nach der potenziellen Erhöhung könnten es bis zu 550.000 Kubikmeter sein.

Zum Vergleich: Die 13.200 Treuchtlinger Bürger verbrauchen über Stadtwerke und Zweckverbände jährlich gut 800.000 Kubikmeter Trinkwasser. Durch die Becken der Altmühltherme fließen im Jahr rund 70.000 Kubikmeter Thermalwasser aus der 800 Meter tiefen Burgstallquelle.

Wie soll der Probebbetrieb ablaufen?
Falls die Behörden den Testlauf genehmigen, wird die Firma Altmühltaler laut Bürgermeister Baum "noch dieses Jahr mit den Stadtwerken die dreieinhalb Kilometer langen Wasserleitungen vom Nagelbergbrunnen an die Heusteige legen". Danach werde die Entnahme mit 50.000 Kubikmetern starten und dann jährlich um dieselbe Menge erhöht, bis im siebten und letzten Testjahr das volle Volumen erreicht sei. Auf dieses Vorgehen lege das Wasserwirtschaftsamt "großen Wert". Auch die bestehende Fördererlaubnis des Konzerns endet dem Stadtoberhaupt zufolge 2026, sodass dann sowieso eine Neubewertung fällig sei. Der Abzug der Abfüllung aus der Stadtmitte erfolge bis dahin sukzessive, bis nur noch das historische Schäff-Brauereigelände übrig sei.

Wer beantragt die Mehrentnahme und was passiert, wenn der Probebetrieb scheitert?
Überraschenderweise stellt nicht der Mineralwasserriese den Antrag, sondern die Stadtwerke. Das liegt nach Baums Worten daran, dass der Nagelbergbrunnen der Stadt gehört. Er werde nur an die Firma Altmühltaler verpachtet, die Stadt verkaufe das Wasser also und brauche dafür die Genehmigung. Falls das Wasserwirtschaftsamt den Testbetrieb stoppen sollte, trage allein das Unternehmen das Risiko, betont der Rathauschef – woran jedoch viele angesichts der geplanten Investition von 65 Millionen Euro zweifeln. Laut Baum will Altmühltaler "während des Probebetriebs andere Brunnen schonen und gegebenenfalls bei einem Stopp mehr Süßgetränke abfüllen".

Bestehen Gefahren für Grundwasser oder Gebäude?
"Tiefengrundwasser muss geschützt werden", heißt es auf der Internetseite des Landesamts für Umwelt und Verbraucherschutz. Da es sich nur langsam erneuere, solle es "für folgende Generationen vorgehalten werden". Das Landratsamt hatte jedoch schon die aktuelle Altmühltaler-Fördermenge bei der Genehmigung im Jahr 2005 als "kritisch" bezeichnet. Rathauschef Baum hält dem entgegen, dass es neueren Studien zufolge durch eine Verschiebung der Wasserscheide und den Druck des Brombachsees wieder einen größeren Grundwasserzufluss gebe. Bodensenkungen und Gebäudeschäden schließe er geologisch aus. Die Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes werde er nicht in Frage stellen.

Das Treuchtlinger Trinkwasser ist ohnehin nicht betroffen, da es seit Mitte der 1970er Jahre über den Wasserzweckverband Fränkischer Wirtschaftsraum aus dem Lech-Gebiet kommt. Die Stadt Weißenburg fördert dagegen einen Teil ihres Trinkwassers aus eigenen Brunnen.

Warum wurde die Öffentlichkeit nicht früher informiert?
Laut Bürgermeister Baum wegen besagten Artikels 52. Die Verhandlungen mit den Behörden und der Nachbarstadt laufen immerhin seit fast einem Jahr. Allerdings sei schon länger bekannt, dass die Aussiedlung der Firma Altmühltaler aus der Stadtmitte zwingend mit Zugeständnissen bei der Fördermenge einhergehen werde. Neu seien nur einige Zahlen, die erst durch den in wenigen Wochen vorliegenden Wasserrechtsbescheid belastbar würden.

In der nichtöffentlichen Stadtratssitzung vor zwei Wochen ging es laut Baum um den Wasserliefervertrag mit den Stadtwerken. Man habe dabei das Recht von Betrieben auf die Geheimhaltung von Kalkulationsgrundlagen gewahrt. Dass etwas davon nach außen getragen wurde, halte er "für unverantwortlich, weil es die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Stadtrat gefährdet".

Wie denkt der Bürgermeister selbst über das Thema?
"Altmühltaler spielt als großer Betrieb für die Stadtentwicklung und als Arbeitgeber eine große Rolle", so Baum. "Wer Kunststoff oder Metall produziert und sich vergrößert, braucht mehr Kunststoff oder Metall. Und wer Wasser produziert, braucht mehr Wasser." Er halte es für besser, dass das begehrte Tiefenwasser getrunken wird, als es wie 96 Prozent des Trinkwassers "durch die Klospülung zu jagen oder damit das Auto zu waschen" (Prozentangabe gemäß Umweltstatistik Bayern 2013 – d.Red.). Altmühltaler-Mineralwasser werde von vielen Menschen gekauft, nur fördern wolle man es nicht – ähnlich wie bei Windkraft- oder Mobilfunkanlagen, nach denen auch gern gerufen wird, so lange sie nicht vor der eigenen Haustür stehen.

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