Barrierefreiheit: Treuchtlingen mit Hindernissen

26.10.2019, 06:04 Uhr
Barrierefreiheit: Treuchtlingen mit Hindernissen

© Benjamin Huck

Wer mit Gerhard Steingärtner durch die Stadt läuft, kommt unter Umständen nicht weit. Vor allem, wenn der gelernte Maurer in seinem Element ist. Denn der Weißenburger ist seit 15 Jahren Berater für Barrierefreiheit beim VdK-Kreisverband Weißenburg-Gunzenhausen. In der Treuchtlinger Stadtmitte ist er zu Besuch, um sich ein Stück Metall anzusehen, das in der Vergangenheit bereits für Ärger gesorgt hat: die Rampe für Rollstuhlfahrer vor dem Bürgerhaus.

Doch schon auf dem Weg vom Treuchtlinger Kurier in der Hauptstraße zum gerade einmal 200 Meter entfernten Bürgerhaus fallen dem geschulten Berater gleich mehrere Beispiele zum Thema auf – positive wie negative. Etwa der Post-Briefkasten in der Fischergasse: "Der ist sehr gut für Rollstuhlfahrer erreichbar, die Höhe passt, und davor ist genug Raum zum Rangieren." Oft sei dies bei öffentlichen Briefkästen nicht der Fall, etwa wenn sie an einer Fassade hängen und sich davor nur ein schmales Stück Gehsteig befindet.

Weiter geht es über den Zebrastreifen in der Hauptstraße, den Steingärtner als gut einsehbar lobt. Nach links in Richtung Rathausplatz gibt es eine Rampe, die auch für Rollstuhlfahrer geeignet sei. Doch am Ende des Säulengangs wartet schon die erste Hürde: ein Blumenkübel. "Die Rampe ist an der Stelle einfach viel zu eng, und dann ist auch noch das Gewächs im Weg", so der Berater [aktuell steht der Kübel nicht mehr dort – Anm.d.Red.].

Senisibilisieren, nicht verurteilen

Vielen Menschen würden solche Dinge nicht auffallen, weil sie nicht sensibilisiert für die Belange von Rollstuhlfahrern seien, bedauert Steingärtner. "Das soll kein Vorwurf sein, für normal Gehende ist das ja auch kein Problem." Er wolle aber Tipps geben, wie es besser gehen kann.

Also weiter in Richtung Bürgerhaus, wobei der Berater nach gut fünf Metern wieder zum Stehen kommt, nämlich am Übergang vom Rathausplatz zur Marktgasse. "Da ist ja eine Stufe, wie soll jemand mit dem Rollstuhl da hoch oder runter kommen?" Tatsächlich ist der Platz etwa sechs Zentimeter angehoben – für Menschen mit Gehbehinderung eine echte Einschränkung. Am Rand des Platzes findet sich zwar ein leicht abgesenkter Bordstein, der den Fachberater aber nicht sonderlich überzeugt.

Schon besser findet er da den glatt gepflasterten Weg in der Kirchenstraße, auf dem Rollator- oder Rollstuhlnutzer vorankommen, ohne über das grobe Kopfsteinpflaster ruckeln zu müssen. Dass der Weg einmal die Straße kreuzt, sei indes nicht so günstig. Außerdem ist das Pflaster wegen einer Regenrinne unterbrochen, was ebenfalls eine Hürde darstellt.

Am Bürgerhaus angekommen, sieht sich Steingärtner die Rampe an. Sie entspreche tatsächlich nicht der DIN-Norm 18040, die seit 2013 beim Neubau von öffentlichen Gebäuden verpflichtend ist. "Bei einem alten Haus braucht man nichts nachzurüsten, sondern nur, wenn sowieso ein Umbau ansteht", weiß der Berater jedoch. Die nun gefundene Lösung, den Vorplatz neu zu pflastern, findet er gut und misst auch noch einmal nach, ob dann die maximal sechs Prozent Steigung eingehalten werden, die ein Rollstuhlfahrer bewältigen kann – und das ist so.

Wegen Alterung ein Zukunftsthema

Die Rechte von Menschen mit Behinderung sind in Deutschland seit gut zehn Jahren auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention geregelt. Ihr zufolge sollen möglichst viele Behinderte öffentliche Einrichtungen nutzen können. Doch manchmal geht dies auch zu Lasten einer kleineren Gruppe, um möglichst vielen die Teilhabe zu ermöglichen.

"Das Thema wird uns in Zukunft immer mehr beschäftigen", prognostiziert Steingärtner. "In meiner Jugend gab es im Ort nur ein paar Menschen mit Behinderung, meist waren das Kriegsversehrte. Aber durch den medizinischen Fortschritt werden wir immer älter, und dadurch steigen auch die Beeinträchtigungen, mit denen man umgehen muss." Der Berater ist sich bewusst, dass nicht alles von heute auf morgen verändert werden kann, weil dafür viel Geld in die Hand genommen werden müsste. Jedoch sollte die Barrierefreiheit ihm zufolge zumindest bei Neubauten selbstverständlich sein.

Das ist sie jedoch nicht immer. Ganz aktuell ist Steingärtner am Thema Elektromobilität dran. So gebe es zwar Elektroautos, die von Behinderten genutzt werden können. Allerdings scheitert es oft an der Lade-Infrastruktur – so auch in Treuchtlingen. Die öffentliche Ladestation in der Fischergasse sei für Rollstuhlfahrer kaum zu bedienen. "Das Display ist viel zu hoch, da kommt man vom Rollstuhl aus nicht ran." Außerdem stören an der Seite Pflanzen, um die Steckdosen gut zu erreichen.

Ladesäule unerreichbar

Kein Einzelfall, wie Steingärtner anhand von Fotos zeigt, auf denen die Ladestationen mitunter ziemlich verbaut sind. Für normale Autofahrer kein Problem – für Rollstuhlfahrer ein gewaltiges. "Die Anbieter sind ja gerade erst dabei, die neue Infrastruktur aufzubauen. Doch sie müssen begreifen, dass sie die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen dürfen", so der Fachberater.

Zum Abschluss des Rundgangs geht es in die neue Stadtmitte auf den Wallmüllerplatz. Dort findet Steingärtner hauptsächlich lobende Worte, bis ihm am Ende doch noch eine Hürde auffällt, und zwar an der Fußgängerampel. Davor gibt es ein sogenanntes taktiles Pflaster, das Blinden die Orientierung erleichtert und auch für Rollstuhlfahrer kein Problem ist. Doch direkt in der Mitte des Übergangs befindet sich im Rinnstein ein Gulli. Darin könne ein Rollatorrad oder der Stab eines Blinden steckenbleiben. Steingärtner: "So etwas darf einfach nicht passieren."

Der ehrenamtliche Berater für Barrierefreiheit Gerhard Steingärtner gibt auch Hauseigentümern Tipps, wie sie ihre Wohnung barrierefrei umbauen können. Termine können über den VdK-Kreisverband ausgemacht werden (Telefon 09141/974210).

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