Der Schrammhans: Edler Ritter oder Schlächter?

12.5.2018, 06:09 Uhr
Der Schrammhans: Edler Ritter oder Schlächter?

© Archivfoto Hubert Stanka

Gottfried Heinrich zu Pappenheim-Treuchtlingen, von dessen Herkunft heute ein eher unscheinbares Standbild im Schlossgraben kündet, wird am 8. Juni 1594 im 19 Jahre zuvor erbauten Unteren Schloss in Treuchtlingen geboren. Als Erbe des Reichs­erbmarschalls Veit zu Pappenheim wird er in der Lambertuskirche evangelisch getauft. Seine Mutter Maria Salome von Preising-Kopfsburg ist jedoch Katholikin. Sie erzieht ihren Sohn nach dem Tod ihres Mannes zunächst auch so, bis sie 1607 erneut einen Protestanten heiratet. Während ihrer Herrschaft blüht Treuchtlingen auf, außerhalb der Marktmauer entsteht die „Vorstatt“.

Aus Gottfried Heinrichs Kindheit und Jugend ist wenig überliefert. Der Legende zufolge soll er bei seinem ers­ten Bad geweint haben, danach aber nie wieder. Ab 1607 studiert der junge Graf Philosophie, Theologie, Jura und Rhetorik in Tübingen sowie ab 1610 in Altdorf. An seinem 18. Geburtstag übernimmt er die Herrschaft Treuchtlingen. Er spricht fünf Sprachen und lebt auf seinen Reisen auf großem Fuß. Die Treuchtlinger Amtsrechnung von 1613 weist allein für seine „besonderen Ausgaben“ 2614 Gulden aus – das Zehnfache der jährlichen Abgaben seiner Untertanen und rund das 250-fache dessen, was seine vier jüngeren Geschwister erhalten.

1617 heiratet Gottfried Heinrich in Prag die böhmische Baronesse Anna Ludomilla von Kolowrat-Novohradsky und konvertiert zum Katholizismus. Damit ist seine spätere Rolle auf Seiten der katholischen Liga im Dreißigjährigen Krieg vorgezeichnet.

Katholizismus mit aller Gewalt

Das erste Kriegsjahr 1618 verbringt der Graf in Treuchtlingen und treibt dort die Gegenreformation voran – zunächst diplomatisch, später auch mit Härte. Zuerst muss 1619 der evangelische Pfarrer Johann Christian Rummel den Ort verlassen. Der ebenfalls ausgewiesene Schulmeister Johann Rorenfelder findet im protestantischen Wettelsheim Zuflucht. Noch im selben Jahr fällt auch die Lambertuskirche an das Kloster Rabdorf zurück.

In Pappenheim regiert währenddessen weiterhin Gottfried Heinrichs protes­tantischer Vetter Wolf Chris­toph. 1619 bewirbt sich der Graf unter dem Eindruck des um sich greifenden Kriegs bei der kaiserlich-katholischen Infanterie. Er wird abgelehnt, erhält aber einen Posten als Rittmeister unter Kurfürst Max von Bayern. Im Sommer 1620 beteiligt sich Pappenheim mit seiner 200 Mann starken Kürassierkompanie an der Unterwerfung Oberösterreichs und im November im Regiment seines Stiefvaters an der Schlacht am Weißen Berg. Dabei erleidet er mehr als 20 schwere Hieb- und Stichwunden, deren Narben (über 100 sollen es bei seinem Tod gewesen sein) ihm später den Beinamen „Schrammhans“ eintragen. Die Nacht überlebt er vermutlich nur, weil er unter seinem erschossenen Pferd eingeklemmt wird, was ihn vor Unterkühlung bewahrt.

Daheim in Treuchtlingen leidlich genesen, geht Gottfried Heinrich ein Jahr später als Gesandter Tillys für kurze Zeit nach Wien und beteiligt sich anschließend an der Verfolgung des protestantischen Feldherren Ernst von Mansfeld in die Ober­pfalz. 1622 wird er trotz der weiterhin spürbaren Folgen seiner Verletzungen und mehrerer Rücktrittsgesuche zum Obristen befördert und 1623 von Kaiser Ferdinand II. zum Ritter geschlagen.

"Blitzkrieg" der Rennaissance

Anschließend kämpft Gottfried Heinrich im Veltlinkrieg 1625 für Spanien und Venedig gegen Frankreich. Hier zeigt er bereits sein Talent für rasche Truppenverschiebungen und unberechenbare Manöver. Die Schulden, die er für die Ausrüs­tung seiner 3500 Mann aufnimmt, läuten später jedoch den Verlust der Herrschaft Treuchtlingen an Brandenburg-Ansbach ein.

Der Schrammhans: Edler Ritter oder Schlächter?

© Patrick Shaw

1626 kehrt Pappenheim in bayerische Dienste zurück und schlägt binnen 14 Tagen den für den Kurfürsten bis dahin gefährlich erfolgreichen Bauernaufstand in Oberösterreich nieder. Noch im selben Jahr erobert er die Festung Wolfenbüttel von den Dänen zurück. Da er statt der erforderlichen 10.000 nur 6000 Soldaten und kaum Geschütze hat, geht er findig vor und staut die Oker auf, die die Stadt überflutet und zur Kapitulation zwingt. Für seine Verdienste wird Gottfried Heinrich 1628 zum Reichsgraf und 1631 zum Feldmarschall ernannt.

1629 erlebt Treuchtlingen zwei Jahren nach dem Tod von Anna Ludomilla die zweite Hochzeit seines Grafen mit Anna Elisabeth Gräfin von Oettingen. Sie schickt ihrem Gatten später „die zärtlichsten Liebesbriefe“ ins Feld.

Das Grauen von Magdeburg

Nach der Landung des Schwedenkönigs Gustav Adolf beginnt Pappenheim mit der schicksalhaften Belagerung der mit den Schweden verbündeten Stadt Magdeburg. Sein Oberbefehlshaber Tilly folgt kurz darauf mit der kaiserlichen Hauptarmee und schließt die Stadt mit rund 26.800 Soldaten ein. Der Sturm auf Magdeburg beginnt am Morgen des 20. Mai 1631. Während der Kämpfe bricht ein Großfeuer aus, das die Stadt fast völlig zerstört. Es folgen beispiellose Gräueltaten an der Zivilbevölkerung – auch durch Pappenheims Truppen.

Nach der Eroberung spricht Gottfried Heinrich von „über zwaintzig Tausent Seelen“, die getötet worden seien. Es sei „seyd der Zerstörung Jerusalem kein grewlicher Werck und Straff Gottes gesehen worden“. Andere Quellen berichten, dass von den einst 35.000 Einwohnern Magedeburgs am Ende des Gemetzels noch 449 übrig sind. „Magdeburgisieren“ geht in der Folge als Synonym für „völlig zerstören“ oder „auslöschen“ in die deutsche Sprache ein. Aber Pappenheim freut sich auch: „All unser Soldaten seind reich geworden. Gott mit uns“, schreibt er. Und Papst Urban VIII. verkündet einen Monat später seine Freude über die „Vernichtung des Ketzernestes“.

Die „Magdeburger Hochzeit“ markiert einen Wendepunkt, in der militärischen Kriegsführung ebenso wie im Propagandakrieg. Der Begriff steht als Sinnbild für die erzwungene „Vermählung“ zwischen dem Kaiser und der „Jungfrau Magdeburg“, die über 100 Jahre lang den Tribut verweigert hatte. Der zeitgenössischen Chronik „Theatrum Europaeum“ zufolge geht die Bezeichnung auf Tilly selbst zurück. Aber auch Gottfried Heinrich zu Pappenheim-Treuchtlingen hat einen erheblichen Anteil an den Gräuel.

Agressiv und eigenmächtig

Im selben Sommer nimmt der „Schrammhans“ am erfolglosen Feldzug nach Thüringen teil und marschiert mit Tilly in Sachsen ein. Im September verwickelt er die Schweden bei Leipzig eigenmächtig in Kämpfe. Tilly will eine offene Feldschlacht vermeiden, doch Pappenheim zwingt ihn zum Eingreifen. Am 17. September 1631 werden die kaiserlichen Truppen bei Breitenfeld von Schweden und Sachsen vernichtend geschlagen. Durch zähe Abwehrkämpfe sichern Pappenheims Kürassiere jedoch den Rückzug Tillys.

Im Streit um die militärische Führung der Katholischen Liga setzt Gottfried Heinrich danach gegen den Willen von Kaiser und Kurfürst durch, keine sicheren Winterquartiere in Süddeutschland aufzuschlagen, sondern im Norden weiterzukämpfen. Im Rücken der bis an den Main vorgestoßenen Schweden plündert er Langensalza und marschiert kampflos in Paderborn und Soest ein. Als das neutrale Dortmund seinen Truppen den Einzug verweigert, lässt Pappenheim die Stadt beschießen. Nach weiteren Siegen der Schweden und dem Tod Tillys scheitert Gottfried Heinrich im Juni 1632 beim Befreiungsversuch der von den Niederländern belagerten habsburgischen Stadt Maastricht – nicht zuletzt, weil die eingeschlossenen spanischen Truppen, deren Regentin ihn zur Hilfe gerufen hat, die Unterstützung verweigern.

Im November zieht Pappenheim mit großen Truppenteilen von Wallensteins Hauptarmee ins Winterquartier nach Halle ab. Gustav Adolf bemerkt dies und überrascht Wallenstein beinahe. Der Feldherr schickt Gottfried Heinrich Eilboten hinterher mit dem Befehl: „Der Herr [lasse] alles stehen undt liegen undt incaminire [sich] herzu mitt allem volck undt stücken.“

"Daran erkenn' ich meine Pappenheimer"

Am Mittag des 16. November 1632 trifft Pappenheim mit 3000 Reitern bei Lützen ein, wo die Schlacht bereits tobt. Er übernimmt den Befehl über den gefährdeten linken Flügel Wallensteins und treibt die Schweden zurück, wird jedoch durch eine Musketenkugel schwer verwundet, woraufhin seine Reiter den Angriff abbrechen. „Ist denn keiner mehr, der für den Kaiser treulich fechten will?!“, soll er daraufhin gerufen haben.

Die Schlacht endet mit einem Pyrrhussieg der Schweden, die mit über 5000 Mann kaum geringere Verluste haben als die Kaiserlichen, jedoch ihren König verlieren. In einer unübersichtlichen Situation bei Nebel wird Gustav Adolf tödlich getroffen.

Graf Gottfried Heinrich stirbt einen Tag später im Alter von 38 Jahren auf der Leipziger Pleißenburg und wird im Prager Kloster Strahov begraben. „Unbesiegt (...), im Fallen noch tapferer als im Stehen“, steht sinngemäß auf seiner Grabplatte. Sein Blut „rahmt“ bis heute den erhaltenen und im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien ausgestellten Befehl Wallensteins ein, den Pappenheim bei seiner letzten Schlacht unter seinem Brustpanzer trägt. Eine lebensgroße Statue des berühmten Treuchtlingers steht in der dortigen Feldherrenhalle, eine Büste in der Ruhmeshalle in München.

Von Schiller verewigt

Graf Gottfried Heinrich war wohl ein äußerst gebildeter Mensch – draufgängerisch, aber auch zuverlässig und nachdenklich. Angeblich lagerte und kämpfte er stets an der Seite seiner Männer. Die Redensart „Ich kenne meine Pappenheimer“ geht auf die Treue seiner Kürassiere zurück. Friedrich Schiller verwendete den Satz abgewandelt in seinem Drama „Wallensteins Tod“ als Antwort auf das Treuebekenntnis seiner Soldaten nach der Beschuldigung, der Graf habe mit dem Schwedenkönig verhandelt. Auf Gottfried Heinrich bezieht sich auch ein Trinklied, das heute noch von Studentenverbindungen gesungen wird: „Beim Bier und beim Wein, lust’ge Pappenheimer woll’n wir sein.“

Quellen: Wikipedia, Heimatbuch Treuchtlingen, TK-Archiv

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