Flüchtling holt Sportpreis nach Treuchtlingen

5.12.2017, 06:05 Uhr
Flüchtling holt Sportpreis nach Treuchtlingen

© privat

Das Leben mit all seinen Unvorhersehbarkeiten ist oft ein Kampf. Und Mikola Matewosjan hat schon öfter kämpfen müssen, sei es auf der Flucht aus der Heimat oder beim sportlichen Wettkampf in seiner Leidenschaft, dem Karate. Letzteres betreibt er seit zwei Jahren beim ESV Treuchtlingen – und sein Engagement ist nicht unbemerkt geblieben.

„Es gab endlich mal gute Nachrichten“, blickt Matewosjan zurück. „Ich war zwar erst ein bisschen scho­ckiert, als ich das gehört habe. Aber es war ja eine positive Überraschung.“ Denn für seinen Einsatz hat der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV) den 20-Jährigen mit dem Mittelfränkischen Sportpreis in der Kategorie „Integration“ ausgezeichnet.

Bis zum Sommer 2015 lebte der gebürtige Armenier mit seinen Eltern und seinem Bruder in der bürgerkriegsgeplagten Ost-Ukraine. Als die Familie nach Deutschland floh, kam sie in Treuchtlingen unter. Die Matewosjans sind sehr auf Bildung bedacht: Der Vater ist Betriebswirt, die Mutter Lehrerin, und Mikolas Bruder studiert Soziologie.

Mikola selbst lernte nach der Ankunft erst einmal das für ihn ungewohnte, lateinische Alphabet sowie Deutsch in Wort und Schrift. Er holte den Schulabschluss nach und absolviert derzeit bei der Arbeitsagentur in Augsburg eine Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen.

Schon als er ins Land kam, wollte der damals 18-Jährige mit seiner Sportart, dem Kyokushin-Karate, weitermachen. Bei dieser Form der japanischen Kampfkunst – der Name bedeutet übersetzt „Ultimative Wahrheit“ – wird im Vollkontakt gekämpft, was sie zu einer der härtesten Karatearten macht. Seine Leidenschaft wollte Matewosjan auch an Kinder und Jugendliche weitergeben. In der Altmühlstadt fand er für sein Vorhaben auch relativ schnell einen Partner: den ESV Treuchtlingen.

Der „Erste Sport Verein“ der Altmühlstadt hat mit dem diesjährigen Sportpreis bereits zum zweiten Mal die höchste sportliche Auszeichnung Mittelfrankens erhalten. Vor sechs Jahren ging der Titel für die Jugendarbeit an die Treuchtlinger.

Motivation und Disziplin zählen

Diese Arbeit ist es, der auch Mikola Matewosjan seinen Erfolg verdankt. Denn der ESV ermöglichte es ihm, im Verein sportlich Fuß zu fassen und eine Karate-Abteilung aufzubauen, die seither einen sehr hohen Zulauf hat. An die 25 Jungen und Mädchen im Alter bis 15 Jahre kommen mittlerweile zweimal die Woche zum Training. „Jeder kann mitmachen, bloß die Motivation zählt, und die Disziplin ist wichtig“, sagt der junge Trainer.

Flüchtling holt Sportpreis nach Treuchtlingen

© Benjamin Huck

Motivation und Disziplin – diese Eigenschaften des Karate haben Matewosjan sehr im Leben geholfen. Nur so sei es möglich gewesen, schnell Deutsch zu lernen und eine Berufsausbildung zu beginnen, erklärt er. Der 20-Jährige übt auch selbst regelmäßig in der Sporthalle am Brühl, um fit zu bleiben für seine Wettkämpfe. Seine Schüler möchte er ebenfalls fit machen und sie zu Wettkämpfern erziehen. „Wenn ich helfen kann, dann helfe ich. Das Geld steht nicht an erster Stelle.“

Bereits 2016 gewann Matewosjan dank seines Willens die Deutsche Meis­terschaft im Kyokushin-Karate in der Kategorie der über 18-Jährigen mit über 70 Kilogramm Körpergewicht. Heuer hat es bei den Bayerischen Meis­terschaften allerdings „nur“ für die Silbermedaille gereicht.

Stolz auf seine Schüler

Mit zu den Bayerischen Meisterschaften fuhr sein Schüler Danil Zagoriy. Er trat in der Klasse der 12- bis 13-Jährigen über 55 Kilogramm an und brachte die Bronzemedaille mit nach Treuchtlingen. „Das macht mich besonders stolz, denn Danil hat vor zwei Jahren bei null angefangen“, lobt Matewosjan. Nächstes Jahr will der ESV-Trainer wieder bei den Bayerischen Meisterschaften antreten. „Dieses Mal nehme ich mehr Schüler mit“, kündigt er an. „Denn nach dem dritten Platz von Danil wissen sie, dass sie etwas erreichen können.“

In Deutschland möchte Mikola Matewosjan gern dauerhaft bleiben, auch nachdem er seine Ausbildung abgeschlossen hat. Über die Note Zwei in der Zwischenprüfung hat er sich sehr gefreut. Zu seinen nächsten Zielen gehört, das Abitur zu machen und zu studieren. „Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben“, sagt der gebürtige Armenier. Und wenn alles gut geht, kann er später auch an europäischen Wettbewerben teilnehmen. Denn ein Besuch anderer Länder ist ihm derzeit noch verwehrt.

Keine Kommentare