Kristina Becker: Treuchtlingens neue Bürgermeisterin im Interview

23.4.2020, 05:57 Uhr
Kristina Becker: Treuchtlingens neue Bürgermeisterin im Interview

© Foto: Patrick Shaw

Am heutigen Donnerstag endet für Treuchtlingen die zwölfjährige "Ära Werner Baum". Unter ungewöhnlichen Bedingungen – wegen der Corona-Pandemie auf Abstand und in der Stadthalle statt im Sitzungssaal – hält der amtierende SPD-Bürgermeister seine Abschiedsrede. Keine zwei Wochen später, am 4. Mai, wird seine Nachfolgerin Kristina Becker (CSU) dann ins "Chefbüro" der Altmühlstadt einziehen. Wie bereitet sich die zweifach promovierte Harvard-Absolventin auf den Wechsel von der Patentanwaltskanzlei in die Stadtverwaltung vor? Welche Aufgaben möchte sie zuerst angehen? Und was ist angesichts der Virus-Krise und der drohenden Rezession überhaupt noch machbar?

Frau Becker, Sie wirkten in den Wochen seit der Kommunalwahl ziemlich "abgetaucht". Gab es so viel zu organisieren?

Nunja, wir haben ja Corona. Öffentliche Auftritte waren schwierig. Ich hätte mich gern mehr bei den Wählern bedankt, das ging aber nur schriftlich. Das ist schade. Klar gab es auch viel zu organisieren. Ich bin ja selbstständig, muss nun meine Zulassung zurückgeben und meine Nachfolge in der Kanzlei regeln. Das wird sich auch noch bis nach den 4. Mai ziehen. Zusätzlich habe ich drei Kinder, von denen zwei – wie bei allen Eltern – in den letzten Wochen nicht zur Schule gehen konnten.

Wann ziehen Sie nun – angesichts von Corona – in Ihr neues Büro im Rathaus ein?

Wie geplant am 4. Mai. Ich bin aber schon seit zwei Wochen fast jeden Tag im Rathaus.

Wie läuft die Übergabe durch Ihren Vorgänger Werner Baum ab und wie bereiten Sie sich auf den Amtsantritt vor?

Am Dienstag hatte ich die erste Übergabe-Stunde mit Herrn Baum. Außerdem mache ich jetzt schon die Runde durch die Fachbereiche, besuche die Stadtwerke und die Therme und habe zusammen mit Herrn Baum Termine bei den Bezirkskliniken in Ansbach und mit Herrn Schüller (dem Initiator des Hotel-Projekts an der Altmühltherme – d.Red.). Dazu kommen die Vorbereitung der konstituierenden Stadtratssitzung und Gespräche mit den Fraktionen. Das haben wir anfangs per Telefon- und Videokonferenz gemacht, sind dann aber in die Stadthalle gegangen. Für bestimmte Vorgespräche ist es einfach besser, wenn man sich persönlich trifft. Allein in unserer Fraktion sind wir ja zehn Personen. Wir haben zuhause zwar Glasfaser, aber wenn abends alle streamen, bricht auch das zusammen. Auch mit den anderen Fraktionen gab es bereits viel Austausch über die Besetzung der Ausschüsse, die Referentenposten und das Amt des zweiten und dritten Bürgermeisters.

Wird es in den ersten Wochen bereits konkrete Projekte geben, die Sie anstoßen möchten, oder geht es erst einmal eher ums Einleben im Tagesgeschäft?

Wir sind erst einmal froh, wenn es keine Haushaltssperre gibt, und wollen dies unbedingt vermeiden. Zwar laufen derzeit alle Bauprojekte trotz Corona weiter, aber alle neuen Projekte stehen auf dem Prüfstand, weil die Krise die Stadt genauso treffen wird wie die Wirtschaft. Die Zeit, die wir nun haben, weil das Volksfest und viele andere Termine wegfallen, müssen wir nutzen, um darauf zu reagieren.

Was bedeutet ein solcher Amtswechsel in Krisenzeiten für Sie?

Man wünscht sich das natürlich anders. Der Aufschwung ging zwar schon vor Corona dem Ende zu, aber derzeit weiß keiner, wo es hin geht. Jetzt kommt es erst einmal darauf an, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten und der Wirtschaft Erholungsmöglichkeiten zu geben. Dramatisch ist das auch bei der Altmühltherme, in die wir enorm viel investiert haben. Es ist schon frustrierend, so wenig Möglichkeiten zu haben, darauf einzuwirken. Wir müssen nun die Zeit nutzen, um Projekte klar zu definieren. Zum Beispiel haben wir im Wahlkampf gesagt, dass wir uns Gedanken über die Verkehrssituation machen wollen. Dabei möchte ich bleiben. Für mich selbst habe ich wöchentliche Gespräche mit jedem Fachbereich im Rathaus verabredet. Und wir hoffen derzeit, dass zumindest die Schlossweihnacht wieder stattfinden kann.

Welche Erwartungen haben Sie in den neuen Stadtrat und was wird sich unter Ihrer Leitung ändern?

Meine Wunschvorstellung ist es, den Stadtrat immer relativ eng bei mir und bei der Verwaltung zu haben. Mein Ziel ist es, viel zu informieren, konstruktiv zu diskutieren und an einem Strang zu ziehen. Dazu brauchen die Ratsmitglieder rechtzeitige und genügende Informationen, um sich vorzubereiten. Das würde auch manche sehr lange Sitzung verkürzen. Außerdem möchte ich die wöchentlichen Fraktionsführer-Besprechungen wieder einführen und mit dem Stadtrat zu Beginn in Klausur gehen. Ich bin ein Freund der kurzen Wege, auch wenn man natürlich die offiziellen Wege einhalten muss. Da wir etliche neue Mitglieder im Stadtrat haben, hoffe ich auf deren Schwung. Meinen eigenen Schwung aus dem Wahlkampf habe ich ebenfalls noch.

Am Donnerstag steht im Stadtrat ja auch erneut das geplante Hotel an der Therme auf der Tagesordnung. Versucht Bürgermeister Baum, die Verträge möglichst noch in seiner Amtszeit unter Dach und Fach zu bekommen, oder ist der Fahrplan für Sie so in Ordnung?

Heute Abend werden ja nur der Bebauungsplan auf den Weg gebracht und die Kaufoption verlängert. Das Thema wird uns sicher noch deutlich länger beschäftigen, der Kaufvertrag ist noch längst nicht unterschriftsreif. Außerdem möchte ich in dieser Sache – wie im Wahlkampf angekündigt – weiterhin eine Bürgerbeteiligung.

Auch sämtliche Bürgerversammlungen wurden im Zuge der Corona-Beschränkungen abgesagt und damit auch die Wahl der neuen Ortssprecher. Wann können sie nachgeholt werden und wer vertritt so lange die Interessen der Treuchtlinger Dörfer?

Wann die Bürgerversammlungen stattfinden können, steht in den Sternen. Allerdings sind alle Ortsteile außer Graben, Grönhart, Haag sowie Ober- und Unterheumödern mit Mandatsträgern im Stadtrat vertreten, und die bisherigen Sprecher und Ortsausschüsse machen vorerst kommissarisch weiter. Eventuell kann es für die vier genannten Ortschaften verkürzte Versammlungen mit Sprecherwahl in der Stadthalle oder einer großen Scheune im Dorf geben – im Idealfall noch vor den Sommerferien. Das müssen wir noch klären. Gerade in die Bürgerversammlungen gehen aber viele ältere Leute, und wir wollen niemanden gefährden.

Wer wird dann in Bubenheim Ihr Nachfolger, wenn Sie als Bürgermeisterin nicht mehr Ortssprecherin sein können?

Tatsächlich bin ich offiziell sogar weiterhin verantwortlich für Bubenheim. Ich werde das Amt aber natürlich abgeben, und dann wählt die Ortsversammlung einen Nachfolger.

Zur Person: Kristina Becker

Geboren 1966 in Marburg, hat Kristina Becker ihre Jugend in Niedersachsen verbracht. Beim Medizinstudium in Bochum lernte sie ihren Mann Thomas kennen, dessen Vater in Treuchtlingen ein Bauunternehmen leitete und ebenfalls schon Stadtratsmitglied war. An der Harvard-Universität in Boston machte die junge Ärztin ihr zweites Examen in Neurowissenschaften, 2009 den dritten Abschluss als Patentanwältin. Im Jahr 2000 zog die Familie in den Schertnershof bei Bubenheim, wo auch die drei Kinder aufwuchsen. Politisch ist Becker seit 2008 aktiv, Stadtratsmitglied seit 2013 und CSU-Mitglied seit 2014. Am 15. März dieses Jahres wählten sie die Treuchtlinger mit 56,5 Prozent zur Nachfolgerin des seit 2008 amtierenden Bürgermeisters Werner Baum (SPD).

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