Rezepte gegen den ländlichen Ärztemangel

8.8.2017, 06:05 Uhr
Rezepte gegen den ländlichen Ärztemangel

© Viola Bernlocher

Franziska Büttner war 2016 bei der ersten Ferienakademie an der Treuchtlinger Hochschule dabei. Sie studiert in Erlangen im zwölften Semester Medizin und absolviert jetzt einen Teil ihres Praktischen Jahrs (PJ) in der Treuchtlinger Praxis von Peter und Ingrid Löw.

Bei der Ferienakademie begeisterte sie vor allem der freundschaftliche Umgang der Ärzte untereinander, mit den Patienten und auch mit den Studenten. „In der Klinik gibt es eine strikte Hackordnung. Und oft geht es nur um Fallzahlen, Fallzahlen, Fallzahlen“, sagt sie. Für die 32-Jährige war das auch ein Grund, den Wahlteil ihres Praxisjahres, in einer Hausarzt-Praxis zu absolvieren. „Hier lernt man die Patienten viel besser kennen, und der Umgang ist nicht so anonym. Im Krankenhaus sind die Patienten nur kurz da, und man lernt sie eigentlich kaum kennen“, berichtet sie.

Wie es dort läuft, weiß sie schließlich recht genau. Vor ihrem Medizinstudium hat sie eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und in diesem Beruf auch sechs Jahre gearbeitet. Mit einem Abitur-Durchschnitt von 2,3 muss man entsprechende Wartesemester anhäufen, um irgendwann endlich zum Studium zugelassen zu werden. Außerdem hatte sie dann schon „etwas Ordentliches“ gelernt.

Als Allgemeinärztin aufs Land zu gehen, ist für Franziska Büttner mehr als nur eine Option. „Hier ist es viel entspannter, die Lebensqualität ist höher, man hat die Natur gleich vor der Tür“, sagt sie. Gerade für junge Menschen biete das Land Vorteile: „Familienplanung ist hier leichter. Die Kinder können bedenkenlos über die Wiese springen, haben einen Garten, und die Arbeitszeiten sind flexibler“, sagt sie. Dazu müssten aber auch die Bedingungen für ihren Partner stimmen, der derzeit noch in Nürnberg arbeitet. „Ich fände es unfair, wenn ich in die Arbeit laufen könnte und er über eine Stunde pendeln müsste“, sagt sie.

Finanzielle Unterstützung

Peter Löw ist vom Engagement der jungen Frau angetan und hat deshalb einige Hebel in Bewegung gesetzt, um ihr den Teil ihres Praxisjahres von Mai bis September in seiner Praxis zu ermöglichen. So stellt ihr die Gemeinde eine Unterkunft im Schwesternwohnheim zur Verfügung, für die Löw die Kosten übernimmt. Auch ein kostenloses VGN-Ticket erhält Franziska Büttner von der Uni, sodass sie zumindest am Wochenende heim nach Erlangen zu ihrem Partner fahren kann. Über ein Förderprogramm des Hausärzteverbandes bekommt sie für ihre Mitarbeit sogar ein kleines Gehalt.

Löw glaubt, das schöne Altmühltal allein locke junge Leute nicht. Er kümmerte sich deshalb darum, dass Franziska Büttner ihr PJ bei ihm ableisten kann, ohne dabei in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten.

Auch die Ferienakademie organisiert der Treuchtlinger Mediziner für die Gesundheitsregion-plus mit. Bereits zum zweiten Mal ging sie vergangene Woche über die Bühne. Peter Löw möchte damit zeigen, dass auch das Land medizinisch viel zu bieten hat. „Es kursiert der Ausspruch ‚Das müss­te doch selbst ein Landarzt im Hunsrück wissen.’ Das ist schlicht falsch. Von Krankenhäusern werden Allgemeinärzte auf dem Land oft belächelt. Deshalb wollen wir zeigen, dass die Medizin, die in der Stadt gemacht wird, auch auf dem Land möglich ist und gemacht wird“, erklärt er. „Außerdem haben wir hier nochmal eine ganz andere Lebensqualität, die man in der Stadt so nicht findet.“

Rezepte gegen den ländlichen Ärztemangel

© Viola Bernlocher

In den fünf Tagen gibt es für die zehn Teilnehmer der Ferienakademie deshalb ein umfangreiches Programm bei verschiedenen Allgemein- und Fachärzten und in den Kliniken in Weißenburg und Gunzenhausen. Aber auch die Freizeit kommt nicht zu kurz. So lernen die Studenten Bogenschießen, Paddeln auf der Altmühl und schlagen Bälle auf dem Golfplatz.

Nach einer Vorstellungsrunde am Treuchtlinger Campus geht es gleich los in die örtlichen Hausarztpraxen. Dort sprechen die jungen Ärzte über verschiedene Themen. Löw behandelt mit ihnen den Rücken. Als Chiropraktiker kann er ganzheitlich erklären, woher Rückenschmerzen kommen.

Seine Frau Ingrid demonstriert, wie man mit Schröpfen hartnäckige Verspannungen lösen kann. Sie hat eine Ausbildung im Bereich Naturheilverfahren und ist eine erfahrene Behandlerin. Gespannt schauen die Studenten zu, wenn sie einen kleinen Wattebausch in den gläsernen Schröpfkopf legt, kurz anzündet, und den Glaszylinder dann schnell auf den Rücken des Patienten setzt, sodass dort ein Unterdruck entsteht und die Haut sich wölbt. Die Schröpfköpfe müssen eine Weile auf der Haut bleiben.

Währenddessen demonstriert Peter Löw den Studenten, wie eine chiropraktische Behandlung funktioniert. Franziska Büttner gibt sich da gern als Versuchsobjekt her, weiß sie doch noch sehr genau, wie gut es ihr nach der Behandlung bei der Ferienakademie im vergangenen Jahr ging.

Ganz nah an der Praxis

Als die Schröpfköpfe lange genug auf der Haut gesessen sind, dürfen die Studenten sie selbst ablösen. Mit einem leichten Druck neben den Kopf löst sich der Unterdruck, und man kann den Zylinder leicht abnehmen. Für die meisten Studenten ist das neu, Franziska Büttner hat das schon häufiger gesehen. Während sie am Anfang ihres Praktischen Jahrs in der Praxis der Löws nur zuschaute und bei der Behandlung dabei war, übernimmt sie inzwischen schon eigene Patienten. „Die ganz schweren Fälle traue ich mir noch lange nicht zu, aber eine Erkältung oder einen umgeknickten Fuß schaue ich mir schon an.“

Auch Verbandswechsel und das Ziehen von Fäden übernimmt sie bereits. Obwohl das für sie als ausgebildete Krankenschwester nichts Neues ist, schätzt sie den Blick eines erfahrenen Arztes, ob sie auch alles richtig macht. „Ich kann hier immer mit einer Frage kommen“, sagt sie begeistert. Auch in diesem Jahr lernt sie bei der Ferienakademie weiter dazu.

Die meisten Studenten, die nach Treuchtlingen kommen, sind dem Land gegenüber ohnehin nicht negativ eingestellt. Friederike Stöffler etwa studiert im zehnten Semester in Regensburg Medizin. Die 32-Jährige findet das Konzept der Ferienakademie gut, in kleinen Gruppen die Praxen der Hausärzte vor Ort zu besuchen. Sie wollte im vergangenen Jahr bereits teilnehmen, hatte aber keinen Platz mehr bekommen. Auch für sie ist Allgemeinmedizin eine echte Option und das auch auf dem Land.

Steffen Adam ist ohnehin in der Gegend verwurzelt. Der 22-Jährige studiert zwar in Berlin, stammt aber aus Muhr am See und hat am Klinikum in Gunzenhausen ein Stipendium, für das er sich verpflichten musste, nach dem Studium für drei Jahre dort zu arbeiten. Für ihn ist das kein Problem, schätzt er doch die Lebensqualität in Altmühlfranken, gerade wenn man eine Familie gründen will. Und so kann er dort gleich mit seiner Facharzt-Ausbildung beginnen.

Bedarf ist groß

Der Bedarf an jungen Ärzten jedenfalls ist groß. Nach einer Erhebung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns von Januar 2017 liegt der Altersdurchschnitt der Ärzte in Bayern bei 54,9 Jahren. Knapp ein Drittel der Ärzte ist 60 oder älter. Nachwuchs wird also dringend gebraucht, damit sich die Versorgungssituation nicht weiter verschlechtert. Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen sieht es derzeit zwar noch gut aus, aber das kann sich schnell ändern, wenn einige Hausärzte in Rente gehen.

Und vielleicht erinnert sich dann, wenn es ins Praxisjahr geht, auch der ein oder andere Student an die Ferienakademie und kommt wie Franziska Büttner wieder in die Region. Für sie wäre eine Stelle als Allgemeinmedizinerin auf dem Land jedenfalls ein Traum. Schließlich stand schon in ihrem Poesie-Album beim Berufswunsch nur eines: „Erztin“.

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