Wahlplakate: Stimmenfänger oder Materialschlacht?

7.2.2020, 06:04 Uhr
Wahlplakate: Stimmenfänger oder Materialschlacht?

© Patrick Shaw

Platzhirsch in Sachen Sichtbarkeit ist derzeit klar die CSU. Sechs große Banner mit der kompletten Stadtratsliste haben die Christsozialen aufgestellt sowie Plakate an gut 300 Standorten – mehr als die drei kleineren Mitbewerber UFW, TBL und JGB zusammen. Schwerpunkte sind Hauptverkehrsachsen, aber auch in den Dörfern ist der Slogan "Offen. Klar. Zielorientiert." überall zu sehen.

Elf verschiedene Motive zieren die CSU-Plakate, darunter nach Themen geordnete Kandidatengruppen, wie sie die Christsozialen auch bei ihren Wahlveranstaltungen präsentieren. Jeweils eine Handvoll Bewerber stehen dabei für Politikbereiche wie Finanzen, Wirtschaft, Gesundheit, Familie oder Landwirtschaft. Für eine Kleinstadt wie Treuchtlingen ist die Kampagne hoch professionell, organisiert von einer Werbeagentur. Das erstaunt ein bisschen, ist es doch ein offenes Geheimnis, dass der SPD-Stadtverband bislang finanziell eher besser dastand als die CSU – deren Bürgermeisterkandidatin Kristina Becker nun sogar mit einem eigenen Werbefahrzeug unterwegs ist.

Klotzen statt kleckern

Laut Ortsvorsitzendem Uwe Linss ist die Kampagne dementsprechend auch "eine außergewöhnliche Belastung für die Parteikasse. Aber als große Fraktion mit einer eigenen Bürgermeisterkandidatin kommen wir ohne nicht aus." Die Idee für das "Becker-Mobil" stamme übrigens aus Pleinfeld, wo sie schon bei der dortigen Bürgermeisterwahl im vergangenen Mai gut angekommen sei. "Das ist mal etwas anderes und hat schon Werbewirksamkeit", so Linss.

Die Zahl der SPD-Plakate kann Ortsvorsitzender Sebastian Hartl nicht nennen. "Da gibt es zu viele Variablen. Wir hatten schon große Verluste durch das Wetter und werden nochmal nachplakatieren müssen", erläutert er. Auch unter Vandalismus habe die SPD-Kampagne in der ersten Woche bereits gelitten. "Grob kann man sagen, dass wir versucht haben, gerade so viel aufzuhängen, dass wir in der Fläche wahrnehmbar sind, aber auch nicht mehr", so Hartl. "Das ist uns wichtig, um unsere Dörfer und die Stadt nicht mehr als nötig zu verschandeln." Allerdings haben die Sozialdemokraten auch den Bekanntheits-Bonus des seit zwölf Jahren amtierenden Rathauschefs.

Mit ihren sechs Bannern zieht die SPD zwar mit der CSU gleich, die Plakate beschränken sich aber auf drei Motive. Zwei bewerben Bürgermeister- und Landratskandidat, das dritte zeigt die Stadtratsliste mit "Daumen nach oben" vor der Denkmalslok. "Weiter für ein starkes Treuchtlingen" steht darauf. "Das Motiv gefällt mir gut, weil es unsere Liste als motiviertes, progressives und positiv gestimmtes Team widerspiegelt", sagt Hartl. Für die Inhalte gebe es dann Broschüren und Veranstaltungen.

Augenmaß verloren?

Dass die CSU bei ihrer Wahlwerbung spürbar "aufgerüstet" hat, missfällt Hartl. "Am Wettbewerb, Wer plakatiert am meisten?‘ nehmen wir nicht teil", betont er. "Wir möchten mit Inhalten und guten Kandidaten punkten. Leider lassen nicht alle dieses Augenmaß walten, und so haben wir derzeit einen Wildwuchs an Plakaten, wie ich ihn in unserer Gemeinde noch nicht erleben musste." Die SPD rege an, "Regeln zu beschließen, die Wahlwerbung nur noch konzentriert an einigen Stellen erlauben."

Rathaus-Geschäftsleiter Christian Kundinger bestätigt die aktuelle "Gesetzlosigkeit". Es gebe in Treuchtlingen tatsächlich keine Regeln für Wahlwerbung – weder wie groß Plakate sein dürfen, noch wo plakatiert werden darf. Und so lächeln die Kandidaten die Passanten derzeit von Straßenlaternen, Verkehrsschildern und Bäumen, von Plakatwänden, Klappständern und aus Schaufenstern an. In anderen Städten ist das anders, etwa in Erlangen, wo sowohl Laternen und große Kreuzungen, als auch das Umfeld von Bahnhof, Schulen und Kindergärten tabu sind.

Wahlkampf geht online

Bei den Jungen Gemeindebürgern (JGB) haben Plakate ohnehin einen geringeren Stellenwert. Die Wählergruppe "kann und will nicht mit den großen Parteien konkurrieren", erklärt Spitzenkandidat Tobias Weißhaupt. Für einen Fotografen oder Grafiker hätten die als Verein organisierten JGB auch kein Geld. Stattdessen sind die Bewerber stärker im Internet und den Sozialen Medien präsent.

Ihre drei "analogen" Banner und rund 150 Plakate, von denen laut Weißhaupt bisher etwa ein Drittel "strategisch verteilt" ist, haben die JGB selbst gestaltet und teils privat bezahlt. Ihr Markenzeichen ist "viel Text, keine Bilder". Ihre politischen Steckenpferde haben die JGB in Hashtags (im Internet übliche Schlagworte) verpackt, darunter Verkehr, Stadtentwicklung, Schulstandort und Freibad. Außerdem geht es Weißhaupt darum, "die Jugend zu vertreten, auch wenn es um Themen geht, die nicht von großer politischer Relevanz, aber für die Jugend wichtig sind".

Ein gutes Händchen hatten die JGB mit ihren Materialien. Aufgrund seiner Erfahrungen aus der Veranstaltungsbranche wusste Weißhaupt, dass die gängigen Holz-Plakatständer Regen und Wind nicht lange standhalten. Deshalb haben die JGB weniger empfindliche Kunststoffträger und Lochbanner angeschafft.

Striktere Regeln gewünscht

Davon haben die Unabhängigen Freien Wähler (UFW) ihrem Spitzenkandidaten Hubert Stanka zufolge bewusst Abstand genommen. "Kunststoff halten wir für ökologisch höchst fragwürdig", sagt er. Stattdessen setzten die UFW auf recycelbaren Karton. Ganz auf Plakate verzichten – so wie die Grünen in Gunzenhausen – könne man aber nicht, das habe die Niederlage der Freien Wähler in Pleinfeld gezeigt: "Bekanntheit allein reicht nicht." Und so sehen sich die UFW auch in Treuchtlingen "ein bisschen als die Getriebenen, da die Konkurrenz unheimlich aufrüstet und die professionellen Kampagnen Wirkung zeigen".

Plakatiert haben die UFW an rund 100 Standorten. Einige Dörfer fehlen noch, andernorts mussten die Helfer wegen des Regenwetters schon nachlegen. Ein Bildmotiv gibt es ebenso wenig wie bei den JGB, sondern nur eine knallorangene Fläche mit den Schlagworten "Offen. Ehrlich. Unabhängig." Das sei auch "finanziell überschaubar, denn unsere angesparten Mittel müssen auch noch für die Flyer reichen", so Stanka. Gegen striktere Regeln fürs Plakatieren hätte er jedenfalls nichts.

Am bescheidensten wirbt bislang schließlich die Treuchtlinger Bürgerliste (TBL) für sich. Etwa 80 Plakate mit dem Motto "Wir für Euch. Engagiert, bürgernah, transparent" hängen laut dem Listen-Dritten Wolfgang Ritter in der Kernstadt, vier bis acht sind es pro Ortsteil. In den Dörfern zähle aber ohnehin "eher das persönliche Gespräch". Alle TBL-Plakate zeigen die komplette Liste, denn "einen Chef gibt es bei uns nicht", so Ritter. Und auch keine Partei und keinen Sponsor, sodass die Finanzierung der Wahlwerbung "schon einiges ausmacht". Selbst bei der kleinen TBL sei es insgesamt wohl ein deutlich vierstelliger Euro-Betrag.

Listen sind gültig, Wahl wird digitaler

Der Treuchtlinger Wahlausschuss hat unterdessen die Bewerberlisten für die Stadtratswahl geprüft und abgesegnet. Laut Rathaus-Geschäftsleiter Christian Kundinger gab es an den bis 23. Januar eingereichten Wahlvorschlägen nur marginale Änderungen. Lediglich ein Bewerber hat seine Kandidatur zurückgezogen: Statt dem auf Platz 20 der JGB-Liste gesetzten Alexander Hammel geht nun Nachrückerin Ilona Hartl auf Platz 24 ins Rennen.

Erstmal werden in Treuchtlingen am 15. März die Stimmen für Stadtrat und Kreistag mit digitaler Unterstützung ausgezählt (Bürgermeister- und Landratswahl bleiben wegen des kleineren Aufwands "analog"). Deshalb kommen am Wahlabend die Helfer aus den Ortsteilen nach der telefonischen Schnellmeldung mit den Wahlurnen in die Kernstadt, um die Stimmen in die Computer von Rathaus, Bauhof, Museum, Stadtwerken, Schloss und Bücherei einzugeben. Dabei gilt ein Sechs-Augen-Prinzip: Jeweils drei Wahlhelfer sitzen an jedem Rechner und kontrollieren gegenseitig den korrekten Ablauf. Die Daten liegen auf Servern des städtischen Rechenzentrums, das aus Sicherheitsgründen keine Verbindung zum Internet hat.

Ausgezählt werden am Wahlabend landesweit zuerst die Stimmen der Bürgermeisterwahlen, gefolgt von Landrats-, Stadtrats- und Kreistagswahlen. Die Wahlbenachrichtigungskarten werden zwischen dem 10. und 23. Februar versandt, mit ihnen können Wähler dann auch die Briefwahl beantragen.

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