Wenn die Rente für den Ruhestand nicht reicht

1.6.2017, 06:06 Uhr
Wenn die Rente für den Ruhestand nicht reicht

© Patrick Shaw

Jeder siebte Mensch im Freistaat sei arm oder von Armut bedroht, müsse also von weniger als 1025 Euro im Monat leben, so die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende. Bei den über 65-Jährigen sei es mehr als jeder Fünfte und bei den über 65-jährigen Frauen sogar jede Vierte. Löhne und Grundsicherung seien in den vergangenen zwölf Jahren um 28 beziehungsweise 25 Prozent gestiegen, die Altersbezüge aber nur um 14 Prozent. Der exemplarische „Eckrentner“ bekomme im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen nach 45 Beitragsjahren abzüglich Steuern gerade einmal 1052 Euro im Monat, die „Eckrentnerin“ sogar nur 604. Die tatsächlichen Durchschnittsrenten liegen noch deutlich darunter.

„Wir haben Altersarmut, auch in Bayern“, betont die Diplom-Volkswirtin und -Sozialökonomin. Als Gründe führt sie den wachsenden Niedriglohnsektor, atypische Beschäftigungsverhältnisse in Leiharbeit und Teilzeit, brüchige Erwerbsbiografien und Langzeitarbeitslosigkeit sowie „die Stigmatisierung Älterer auf dem Arbeitsmarkt“ an. Um den Menschen einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen, brauche es „gute, sichere Arbeit mit hohen Löhnen bis zur Rente“, ist die 52-Jährige überzeugt.

Ziel des „politisch gewollten Sinkflugs der Rente“ von 53 Prozent des letzten Arbeitslohns im Jahr 2000 auf 42 Prozent im Jahr 2040 sei indes nicht mehr die Sicherung des Lebensstandards im Alter, sondern lediglich die Stabilisierung der Beiträge. Der Ausgleich über private Vorsorge – Stichwort „Riester-Rente“ – sei gescheitert, die betriebliche Altersvorsorge noch längst nicht ausreichend und „die Rente mit 67 eine Fehlentscheidung“. Besonders „löchrig“ sei der Schutz vor Altersarmut bei der Erwerbsminderungsrente, von deren Beziehern jeder siebte auf Grundsicherung („Hartz IV“) angewiesen sei.

Der DGB fordert deshalb, das Rentenniveau sofort auf 48 Prozent des letzten Arbeitslohns einzufrieren und langfristig wieder auf 50 Prozent zu erhöhen. Zusätzlich brauche es funktionierende Betriebsrentenmodelle. „Das ist machbar“, betont Di Pasquale – das sage sogar das nicht gerade gewerkschaftsnahe Prognos-Institut. Bis 2040 würden die zu erwartenden Renten auf diese Weise um rund 20 Prozent aufgestockt. Die Beiträge würden zwar von aktuell 18,7 auf etwa 25 Prozent steigen, ohne die Erfüllung der DGB-Forderung aber ebenfalls auf 23,4 Prozent. Bei um 1,6 Prozentpunkte höheren Einzahlungen in die Rentenkasse hätte folglich jeder Ruheständler monatlich rund 200 Euro mehr in der Tasche.

Versicherungsfremde Leistungen wie Mütterrente oder Ost-West-Angleichung sollten laut Di Pasquale gar nicht aus dem Rententopf, sondern als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ aus der Steuerkasse finanziert werden. Zudem müssten Niedrigverdienste aufgewertet, die Beitragszahlung bei Langzeitarbeitslosigkeit korrigiert, Zeiten der Aus- und Weiterbildung stärker angerechnet, die Erwerbsminderungsrente verbessert und die gesetzliche Rentenversicherung zur Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden. „Das sind Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, um die über 125 Jahre alte Rentenversicherung als Instrument der Lebensstandardsicherung im Alter zu erhalten“, so die Gewerkschafterin.

Schade war an diesem Abend, dass nicht einmal ein Dutzend Treuchtlinger Gewerkschafter und Betriebsratsvertreter zum Empfang ins Kulturzentrum Forsthaus gekommen waren. Inhaltlich zwar interessant und schlüssig, glich Verena Di Pasquales Gastbeitrag zudem mit über 30 begleitenden Texten, Grafiken und Tabellen eher einer universitären Vorlesung und war zu trocken und komplex, um zu begeistern und tatsächlich Wechselstimmung zu verbreiten. Fazit: Ein wichtiges Thema und berechtigte Kritik, die der DGB aber viel mitreißender verpacken muss, um in der Öffentlichkeit etwas zu erreichen.

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