Das höchste Haus
90 Jahre Erlanger Präsenz im Ötztal
25.8.2021, 14:32 UhrDie „Erlanger Hütte“ befindet sich in den Ötztaler Alpen, genauer, im Vorderen Ötztal und liegt auf 2550 Metern Höhe. Wobei „Hütte“ etwas untertrieben klingt. Eine Hütte ist eine windschiefe Behausung aus Holz, Stroh und Teerpappe, schön zugig und kühl. Kleine nagende Vierbeiner und krabbelnde Käfer leisten Gesellschaft. Doch die Erlanger Hütte ist fest aus Stein gefügt. Dieser Tage feiert sie ihren 90. Geburtstag.
"Sektion Erlangen" baute Klettersteige
Moment, das Ötztal liegt doch in Österreich? Wie kommt dann eine Erlanger Behausung dahin? „Das liegt zum einen am Deutschen Alpenverein (DAV) mit seiner 1890 gegründeten Sektion Erlangen“, erklärt der Sektionsvorsitzende Kai Lenfert. „Und daran, dass der Deutsche und der Österreichische Alpenverein noch bis in die 1930er Jahre einträchtig miteinander verbunden waren.“ Damals waren die Alpen längst nicht so erschlossen wie heute. Darum wählte sich jede Sektion ein Arbeitsgebiet aus, richtete Wanderwege und Klettersteige für unerschrockene Alpinisten ein, und baute Schutz- und Übernachtungshütten.
Bergfexe voll Bewunderung
Der Bau der Erlanger Hütte ringt den heutigen technisch bestens ausgestatteten Bergfexen höchste Bewunderung ab. Sämtliches Baumaterial, Gerüste, Handwerkszeug und Bierfässer mussten die Handwerker bei 1600 Metern Höhenunterschied per Pferd und Esel und auf den letzten Metern mit Muskelkraft auf eigenen Beinen heranschaffen. Von 1929 bis 1931 wurde gebaut, solange es Sommer, Wind und Wetter zuließen. Am 23. August 1931 erfolgte die feierliche Einweihung.
Kaltes Wasser und Holzbetten
Was macht die Erlanger Hütte so besonders? Ganz einfach. Man stelle sich vor, da müht man sich fünf Stunden lang den Berg empor. Endlich, nach kräftezehrendem Aufstieg ist man am Ziel. Und jetzt: warmes Vollbad oder Sauna, Disco-Party mit Heidi, weiche Betten, Sekt und Kabelfernsehen. Nix da! Zur Belohnung winken fließend kaltes Wasser und gemütliche Holzbetten. Den Schlafsack muss man schon selber mitschleppen. Denn die Erlanger Hütte ist baulich so gut wie unverändert geblieben und hat sich allen Modernisierungen bzw. eventtouristischem Entgegenkommen standhaft verweigert. Das sorge nicht nur für die engere Auswahl des Hauses in den Denkmalschutz, schwärmt Kai Lenfert, sondern sichere ihm überdies seinen rustikalen Charme, der in der Bergwelt seinesgleichen sucht.
Regionale Tiroler Küche
Und was gibt es zu essen? Gletscherwasser, Ziegenkäse und trockenes Schwarzbrot? Das denn doch nicht. Zu den größten Pluspunkten zählt das Hüttenwirtspaar Christian Rimmi und Anita Voglbauer. Rimmi ist gelernter Koch und bereitet regionale Tiroler Küche zu. Da kommt man durchaus in den Genuss eines Steinbock-Ragouts.
Kurze Saison
Freilich, die Saison ist kurz: nur von Mitte Juni bis Mitte September steht die Hütte offen und bietet bis zu 48 Gästen Platz (nach vorheriger Reservierung und dem üblichen Corona-Unbedenklichkeits-Prozedere). Sechs Wochen davor besteigt ein Vorauskommando den Berg, schaufelt die Hütte von Schneeverwehungen frei, streicht die Fenster und repariert diverse Frostschäden. Ein Hubschrauber bringt Proviant und Material nach oben. In den sechs Wochen nach Saisonende wird das Haus wieder winterfest gemacht. Das geht natürlich in die Finanzen. „Geld verdienen wir keines mit der Hütte“, räumt Lenfert ein. „Aber leisten können wir es uns trotzdem, denn der DAV Erlangen ist mit 10 500 Mitgliedern der größte Verein und Sportverein Erlangens. Tatsächlich sind wir trotz Corona noch gewachsen. Denn Urlaub in den Bergen und Outdoor überhaupt sind immens populär.“
Keine Feier wegen Corona
Eine Feier findet wegen Corona zwar nicht statt. Aber wenn die Bedingungen es zulassen, will der DAV Erlangen nächstes Jahr umso gründlicher nachfeiern. „Ich jedenfalls“, schwärmt Stammkunde Kai Lenfert, „ich besuche seit zwanzig Jahren jedes Jahr die Erlanger Hütte.“
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