Alte Liebe rostet nicht

14.12.2012, 12:49 Uhr
Alte Liebe rostet nicht

© Julia Beeck

„Einen Menschen zu lieben, heißt einwilligen, mit ihm alt zu werden“, war Albert Camus‘ Definition von der Liebe. Eindrucksvoll wird der französische Philosoph und Schriftsteller durch das Erlanger Ehepaar Lochner bestätigt: Die Lochners sind seit 65 Jahre glücklich verheiratet. In diesem Jahr feiern der 85-jährige Karl Lochner und seine 83-jährige Frau Liselotte ihre Eiserne Hochzeit. Beide blicken zurück auf viele erfahrungs- und freudenreiche Ehejahre.

Alte Liebe rostet nicht

© Böhner

Die beiden kennen sich seit ihrer frühen Kindheit. Als Nachbarskinder wachsen sie fast Tür an Tür in der Altstadt auf; sie gehen in die gleiche Grundschule, die Loschgeschule. Unbeschwert sind Kindheit und Jugend während der Zeit des Nationalsozialismus jedoch nicht: Nach der Schule leistet Liselotte ihr Pflichtjahr als Haushaltshilfe ab. „Das war damals üblich: Junge Mädchen mussten Familien mit mehr als fünf Kindern bei der täglichen Arbeit helfen“, erinnert sich Liselotte Lochner.

In diesem Jahr verlieben sich die beiden ineinander. Doch dann wird Karl Lochner Ende 1944 zum Kriegsdienst eingezogen. Er ist 17 Jahre alt und wird zur Marine geschickt – nach Ostfriesland. Viele Kilometer trennen die beiden nun. Zahlreiche Feldpostbriefe, die Karl Lochner seiner späteren Ehefrau schreibt, sind ein Zeugnis dieser Zeit und bis heute sorgfältig verwahrt.

Nach dem Krieg wird Karl Lochner im September 1945 aus der englischen Kriegsgefangenschaft entlassen und kehrt nach Erlangen zurück. Bald danach verloben sich die beiden. „Das haben wir heimlich gemacht. Nicht, dass einer etwas dagegen gehabt hätte“, erzählt Karl Lochner. Aber schließlich habe man keine Feier ausrichten können, es habe ja kaum etwas gegeben.

Nahrungsmittel sind damals knapp, aber an Schmuck ist gar nicht zu denken. Eine Verlobung ohne Ringe ist aber ebenso undenkbar und so wird ein silberner Familienesslöffel beim Juwelier gegen zwei silberne Verlobungsringe eingetauscht.

Noch in der Verlobungszeit wird Liselotte Lochner schwanger. „Ich war damals recht jung. Aber das war gut so. Ich bin davon überzeugt, dass Kinder dann mehr von den Eltern haben. Junge Eltern haben in der Regel mehr Kraft und Geduld“, zeigt sich Liselotte Lochner überzeugt.

Auch wegen der Schwangerschaft geht es nun schnell. Am 1. August 1947 heiratet das Paar in der Altstädter Kirche; die silbernen Verlobungsringe verwandeln sich in Hochzeitsringe. Am Festtag werden die beiden mit einem Taxi zur Kirche gefahren. „Das war wirklich etwas Besonderes. Taxis waren äußerst selten“, sagt Karl Lochner. Einen Tag vor ihrer Hochzeit habe er einen Kanister Benzin bei einem Taxifahrer vorbeigebracht. Der habe sich gefreut und sie am nächsten Tag zur Kirche gefahren.

Gefeiert wird zu Hause mit 25 Gästen. Es gibt Klöße und Braten, zum Kaffee auch noch einen Blechkuchen. Ein Festmahl in der Nachkriegszeit, in der man sonst nur knurrende Mägen und Entbehrungen kennt. „Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Es gab nichts einzukaufen. Auch mein Brautkleid musste ich mir damals leihen“, ruft sich Liselotte Lochner ins Gedächtnis und lacht. Sie könne sich auch noch gut an ihr Kleid erinnern. Es sei ganz weiß und natürlich hochgeschlossen gewesen.

Auf eine Hochzeitsreise müssen die Lochners verzichten. Die Frischvermählten ziehen zunächst zur Mutter von Karl Lochner, dort bewohnen sie ein kleines Zimmer. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes wird das Zimmer bald zu klein. Glücklicherweise ist Karl Lochner Konstrukteur bei der P.Gossen & Co GmbH, und sie bekommen über die Firma eine kleine Mietwohnung.

Die ersten zehn Ehejahre sind nicht einfach. In der Nachkriegszeit fehlt es an allem. „Das war wirklich schlimm. Wenn der Sohn krank war, konnte ich nicht einfach in die Apotheke gehen und Medikamente kaufen“, erinnert sich Liselotte Lochner. Da müssen Hausmittel helfen, ein „Schwartenwickel“ beispielsweise: Um Bronchitis und Fieber zu bekämpfen, kauft die junge Mutter eine Schweineschwarte beim Metzger. Die wird auf dem Herd heiß gemacht, auf Hals und Lunge gelegt und mit einem Schal fixiert.

Mitte der 50er Jahre verbessern sich die Lebensumstände langsam, aber stetig. Noch zwei weitere Kinder bekommen die Lochners, eine Tochter und einen Sohn. Karl Lochner macht Karriere, und die Familie kann sich immer mehr leisten. Sinnbild dafür sind ihre Eheringe. Inzwischen besitzen sie das dritte Paar. „Wir konnten uns immer Schönere leisten. Aber die alten Ringe haben natürlich einen Ehrenplatz im Schmuckkästchen“, schmunzelt Liselotte Lochner.

Irgendwann ist dann sogar Geld für Fernreisen da — nach Australien, Neuseeland und in die USA. Ihre offizielle Hochzeitsreise haben die Lochners erst in diesem Jahr nachgeholt — 65 Jahre nach der Trauung. Für einige Tage ging es ins Elsass.

Auch mit Mitte 80 ist das Ehepaar Lochner noch sehr aktiv: Regelmäßig gehen die Eheleute kegeln, machen Fahrradtouren in die Umgebung oder Bergtouren in den Alpen.

„Gemeinsamkeiten sind schon sehr wichtig und schweißen zusammen“, sagt Liselotte Lochner — und gibt weitere Tipps für eine langes Eheleben: „Man muss immer nach vorne schauen, niemals zurück. Wichtig ist in einer guten Ehe auch, ab und an zurückzustecken und Rücksicht zu nehmen.“

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