Auf der Suche nach Heimat

Beim Figurentheater-Festival in Erlangen wird die Straße zur Bühne

26.7.2021, 06:00 Uhr
Der Puppenspieler Ariel Doron macht die Straßen zur offenen Bühne.

© Harald Hofmann, NN Der Puppenspieler Ariel Doron macht die Straßen zur offenen Bühne.

Wie süß! Dass es sowas noch gibt! Der Kulturpunkt Bruck liegt in einem entzückenden kleinen Gartenparadies mit Gemüsebeeten, Hühnerhof mit Gockel und Glucken, umsummten Bienenhäusern, Liegewiese und schattigen Gefilden. Von Rabindranath Tagore - einem vergessenen indischen Weisheits-Yogi - baumelt ein Spruch über das Bäumepflanzen an einem Ast herab. Hier fühlt sich die Seele wohl, hier ist der richtige Ort fürs Kindertheater, für Thalias Kompagnons.

Tristan Vogt setzt in seinem Miniaturtheater winzige Figürchen, Steine und Häuschen in Beziehung zueinander. So suchen zwei Häuser ein passendes Zuhause, sprich: das passende Grundstück. Während das eine Haus immer mehr Platz beansprucht, bekommt das genügsamere kleinere Haus den meisten Besuch. Ätsch! Am besten aber ist das Schneckenhaus dran, denn das zieht einfach weiter.

„Badada“ ist sowohl eine Handpuppe, als auch Shay Persil selbst, die in die Rolle der Puppe schlüpft.

„Badada“ ist sowohl eine Handpuppe, als auch Shay Persil selbst, die in die Rolle der Puppe schlüpft. © Harald Hofmann, NN

Als zweites Minidrama bestaunen wir eine Gutenachtgeschichte - um 12 Uhr Mittags - über ein furchtsames Kopfkissen und ein Krokodil, das die Monster der Nacht abschreckt. Den Abschluss macht eine Runde Kieselsteine, von denen jeder sich für etwas Besonderes hält. Schließlich gehen alle auf große Fahrt zum Heimatstrand und fühlen sich „Daheim in der Welt.“ Für die Kleinen ein großes Vergnügen.

Puppentheater in der Garage

Was tun, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt, man aber nicht raus darf, etwa, weil man unter Quarantäne steht? „Badada“ ist sowohl eine Handpuppe, als auch Shay Persil selbst, die in die Rolle der Puppe schlüpft. Im Theater in der Garage bewohnt Badada eine multifunktionale Wohnschlafküche in Gestalt eines mehrwinkligen und verstellbaren Holzkonstrukts. Nur zaghaft riskiert die Figur einen Blick aus der Tür, dafür glotzt sie in den Miniaturlaptop und stopft sich mit Popcorn voll. Besuch erhält sie von einem Heftklammerntacker, der sie... nun ja... durchtackert. Nach vollbrachter Aktion übernimmt die Puppenspielerin die Rolle der Puppe und zwängt sich in das Gestell, was sich wie ein beengtes Schlafgemach ausnimmt. Oder sollte man sagen: Wohnsarg? Irgendwann summt es wieder an der Tür. Wird Badada öffnen?

Stell dir vor, du sitzt draußen nichtsahnend an einem Cafétisch und unterhältst dich mit deinem Freund oder deiner Angebeteten - und auf einmal schiebt sich eine Giraffe mit langem Hals in das Rendezvous! Wie reagierst du? Entsetzt? Amüsiert? Brüskiert?

Giraffe im Rucksack

Der Puppenspieler Ariel Doron macht die Straßen zur offenen Bühne. In seinem Rucksack steckt eine Giraffe, genauer, nur deren Hals und Kopf. Mittels eines Steuerhebels am Boden des Rucksacks fährt er den Hals teleskopartig aus, lässt den Giraffenkopf schwingen, an Kletterrosen schnuppern, an Kaffeetassen nippen oder Passantinnen ein Bussi überreichen. Die Reaktion fällt spontan und sehr individuell aus. Kleinere Kinder verstecken sich vorsichtshalber hinter Mama, andere sind aufs Höchste entzückt. Größere Mädchen kreischen in gespieltem Entsetzen, gestandene Männer zweifeln an ihrem Verstand. Damit niemand die Aktion für die Tat eines entlaufenen psychisch Gefährdeten hält, begleitet stets ein Team von drei Mitarbeitern den Puppenspieler. „Es haben ihm Passanten schon Geld zugesteckt, weil sie Ariel für einen armen Arbeitslosen hielten“, erzählt ein Begleiter.

Da kommt viel gute Laune auf. In dieser schwülen Hitze braucht auch der Berichterstatter mal eine Abkühlung. Die Giraffe schäkert gerade mit einem Kind? Dann schnell einen Becher mit zwei Kugeln Eis ordern. Aah, tut das gut! Nanu, was ist das? Da beugt sich von hinten die Giraffe über unsere Schulter und will naschen. Kusch, das ist meins!

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