Ein Kandidat für drei Parteien

9.2.2020, 17:59 Uhr
Ein Kandidat für drei Parteien

© Foto: Dieter Köchel

Wären die Mietpreise in Erlangen nicht so hoch, gäbe es möglicherweise keinen Landratskandidaten Nicolas Bischoff (LÖP). Er ist mit 18 Jahren vermutlich der jüngste Mann, der sich je um den Posten des Landrats bemüht hat. Und er ist Gallionsfigur einer außergewöhnlichen Liaison: LÖP steht für Linke, ÖDP, Piraten.

Jedenfalls ist Bischoff, weil seine Freundin und er ohnehin überlegt hatten, sich zusammen eine Wohnung zu nehmen, vor neun Monaten in den Baiersdorfer Stadtteil Igelsdorf gezogen. Jetzt sitzt er mit offenem, neugierigen Gesicht im Café Amaranth in Baiersdorf und erzählt: "Ähnlich lange ist es her, dass wir uns miteinander unterhalten haben, nämlich am Stand vor den Europawahlen im vergangenen Jahr", erzählt der gebürtige Fürther, der in Erlangen-Eltersdorf groß geworden ist. Er selbst (Die Linke), Manfred Reinhart (ÖDP) und Markus Herrmann (Die Piraten) haben miteinander diskutiert und festgestellt, dass es durchaus Schnittmengen zwischen ihnen gibt.

Diese Schnittmengen haben sich dann auch im Wahlprogramm von LÖP niedergeschlagen. "Mobilität ökologisch gestalten" lautet ein Schwerpunkt, "bezahlbaren Wohnraum schaffen" ein anderer. "Immer weiter steigende Mieten zwingen die Bürger, in kleine Gemeinden zu ziehen, von denen aus sie es schwerer haben, zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Dieses Problem packen wir mit unseren beiden Schwerpunktthemen an", erklärt Nicolas Bischoff.

Der Mietendeckel, der gerade in Berlin getestet werde, sei ein mögliches Instrument, auf die Mietpreisbremse zu treten. Daneben müsse "massiv mehr gebaut werden, vor allem in den sozialen Wohnungsbau investiert werden", betont er, aber nicht auf der grünen Wiese. Hier gehen Linke und ÖDP ein symbiotisches Verhältnis ein. "Wir wollen viele Wohnhäuser, die ÖDP achtet vermehrt darauf, dass dabei ökologische Aspekte zum Tragen kommen", lacht Bischoff und verweist auf das positive Beispiel des Bauvorhabens Obere Büch in Buckenhof.

Der Azubi zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Erlangen räumt ein, dass sich in den vergangenen Jahren der ÖPNV im Landkreis Erlangen-Höchstadt verbessert hat. Gleichwohl dauere es noch zu lange, von einer Ecke des Landkreises in die andere zu gelangen. Da müsse im ÖPNV noch mehr passieren. Außerdem müssen seiner Ansicht nach die Radwege dringend ausgebaut werden. Verbunden mit einer großen Transparenz der Verwaltung und der Stärkung der Bürgerrechte — beides im Fokus der Piraten — hofft Bischoff, im Landkreis etwas bewegen zu können.

Dass Politik, auch Kommunalpolitik, durchaus arbeitsintensiv ist, hat der junge Landratskandidat schon bei der Organisation der Wahl feststellen können. Dabei ist das nicht seine erste politische Betätigung. Er gehörte zudem bereits dem Jugendparlament in Erlangen an. Dass nach der Kommunalwahl vom 15. März bereits am 20. März seine Zwischenprüfung ansteht, macht’s zurzeit nicht einfacher für ihn. Das bedeutet: aufstehen um 5 Uhr, von 7.45 Uhr bis 15/16 Uhr Berufsschule in Fürth, danach einkaufen, zu Hause kochen, aufräumen etc., dann lernen, ab 20 Uhr noch ein, zwei Stunden Politik, dann ab in die Koje.

Da fallen seine Steckenpferde Spazieren und Wandern hinten runter. Doch das Sommerzeltlager mit St. Kunigund in Eltersdorf, an dem er seit seinem 7. Lebensjahr stets teilnimmt, seit dem 16. Lebensjahr als Betreuer, wird er auch 2020 nicht sausen lassen.

Dass er Landrat wird, glaubt Nicolas Bischoff nicht ernsthaft, "aber wenn’s optimal läuft, könnten wir drei Sitze im Kreistag bekommen, dann wären Linke, ÖDP und Piraten im Kreis vertreten", strahlt er optimistisch. Dann steigt er auf seinen Roller und tuckert mit 25 km/h nach Igelsdorf.

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