Erlangen: "Es herrscht kein Krieg im Wald"

30.6.2019, 10:00 Uhr
Erlangen:

© Fredrik von Erichsen/dpa

Ein verregneter Vormittag in Erlangen, als Martin Staudigel, 46, und René Winterstein, 36, in die Redaktion kommen. Mit dem Fahrrad, natürlich. Seit Jahren sind die beiden leidenschaftliche Mountainbiker, vertreten zudem die Interessensgemeinschaft der Biker in der Stadt. Auch vom Wetter lassen sie sich später nicht von einer Feierabendrunde abhalten: "Auf keinen Fall", sagt Winterstein, "ich war heute schon", sagt Staudigel. Ein Gespräch über Konflikte im Wald, die es so eigentlich gar nicht gibt.

 

Herr Winterstein, Herr Staudigel, wie oft hat Sie die Erlanger Polizei schon in den Wäldern vom Mountainbike gezerrt?

Martin Staudigel: Mich selbst gar nicht. Im Tennenloher Forst, rund um dieses Urwildpferdegehege, da gibt es ein Naturschutzgebiet. Dort wurde schon von Polizeikontrollen berichtet. Gleiches gilt für die Wildnis am Rathsberg.

 

Dann haben Sie Glück gehabt, oder ist es gar nicht so schlimm, wie es heißt mit dem Mountainbiken?

Staudigel: Die Erfahrungen, die wir auf den Feierabendtouren so machen, sind ganz andere. In der Regel gibt es kaum Begegnungskonflikte. Ich kann es nicht nachvollziehen, wo das Bild herkommt.

 

Naja, man liest immer wieder von Konflikten zwischen Wanderern, Forstarbeitern, Waldbesitzern und eben Sportlern. Überrascht Sie das?

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© Foto: Staudigl/privat

René Winterstein: Teilweise ja. Weil wir durch unseren Alltag relativ wenig Probleme kennen. Es herrscht im Wald kein Krieg, es ist vielmehr ein völlig friedliches Nebeneinander aller Nutzergruppen. Daher ist es unverständlich, wo dieses negative Bild herkommt.

 

Sie sprechen von Ihren persönlichen Erfahrungen, die, unterstelle ich mal, die von zwei rücksichtsvollen, vernünftigen, umsichtigen Sportlern sind. Es gibt doch auch andere Mountainbiker. . .

Winterstein: Ich würde von einer ganz anderen Seite aus gucken: Ich bin ja auch als Wanderer unterwegs und wenn Radfahrer zügig aus dem Rücken angefahren kommen, fühlt sich das manchmal bedrohlich an. Wenngleich die Wahrnehmung des Radfahrers eine völlig andere ist.

 

Also sind die Wanderer zu empfindlich?

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© Foto: Winterstein/privat

Staudigel: Ich glaube, es hängt immer vom Wesen ab – und in der Gesellschaft gibt es auch rücksichtslose Menschen. Man kann nicht ausschließen, dass einem so jemand auf dem Rad begegnet – aber dasselbe gilt auch für Wanderer. Also überrascht mich diese Fokussierung auf den Sport schon ein bisschen.

 

Was macht den Reiz aus, fernab der Wege auf Trampelpfaden, unterwegs zu sein?

Staudigel: Das Gesamtpaket: Es ist ein Ausdauersport, der gleichzeitig viel mit Geschicklichkeit und Körperbeherrschung zu tun hat. Da kommt das Bergabfahren ins Spiel. Jeder kennt Stellen, da stand er vor fünf Jahren staunend: Boah, da fahren Leute runter. Und dann lernt man das Fahrrad zu beherrschen, wagt sich ran – und es klappt. Das ist ein tolles Erlebnis.

Winterstein: Das ist ein sehr zentraler Punkt: Dieses Erleben des Untergrundes und der Unterschiede, die man beim Fahren feststellt. Das Neue zu entdecken, das Meistern, der Fortschritt. Ich bin auch Kletterer – da erlebe ich das ähnlich: Man hat stetig Erfolgserlebnisse, wenn man über die Felsen fährt.

 

Begegnen Ihnen dort dann überhaupt Wanderer – wenn wir von Felsen sprechen?

Staudigel: Relativ selten. Und wenn, dann versucht man auf sich aufmerksam zu machen oder geht auf die Seite. Das schlechteste ist, die Situation eskalieren zu lassen.

Winterstein: Wenn wir in Erlangen in die Wälder schauen, hat man das Gefühl, dass auf den Schotterwegen viel mehr Verkehr ist als auf den klassischen Wanderwegen. Die negative Wahrnehmung unseres Sports kommt von den Forstwegen – weil die schneller befahren werden.

 

Wurzeln, Sprünge, Felsen – kann man rund um Erlangen richtig Mountainbiken?

Staudigel: Ich fahre seit zehn Jahren in der Gegend und glaube sagen zu können, dass ich fast jeden Pfad kenne. Und ich denke mir manchmal schon auch: Jetzt wird’s langweilig. Dann suche ich mir alte Spots und mir fällt auf, wie schön es da war. Erlangen gibt schon sehr viel her.

 

Dabei darf man gar nicht überall fahren.

Staudigel: Richtig. Es gibt den Tennenloher Forst. Dort ist die Sperrverordnung 2014 erneuert worden, die besagt, dass man die wenigen Forstwege aufgrund von Munitionsresten durch die Nutzung des Militärs nicht verlassen darf. Das Verbot gilt vom Obi-Kreisel bis nach Kalchreuth. Dann gibt es den Rathsberg, der sich aufteilt in den Teil, der zur Stadt Erlangen gehört, und die Bubenreuther Seite, Landkreis Erlangen-Höchstadt.

 

Am Rathsberg darf man fahren, oder?

Staudigel: Naja, mit solchen Pauschalaussagen kann man sich schnell in die Nesseln setzen.

Winterstein: Es gibt zwei generelle Verbotszonen: Den Tennenloher Forst, der für jeden gesperrt ist. Hinter Rathsberg die "Wildnis", das ist ein Naturschutzgebiet, da ist das Betreten des Waldes abseits der Wege verboten. Ansonsten gibt es keine Untersagungen: Meilwald, Rathsberg, die Stadtwaldecke, alles eigentlich offen für alle.

 

Und wie ist es mit den Privatwaldgebieten?

Staudigel: In Bayern gibt es ein Betretungsrecht für Bürger. Dementsprechend ist es nicht so einfach erlaubt, seinen Wald einzuzäunen. Ich bin zwar kein Jurist, aber ich meine, dass ein Waldbesitzer für typische Waldgefahren nicht haftet. Also wenn ich mit dem Rad gegen einen Baum fahre, dann musste ich eben damit rechnen, dass im Wald auch Bäume stehen.

Winterstein: Unser Dachverband hat das juristisch klären lassen: Es bezieht sich immer wieder auf die waldtypischen Gefahren. Dementsprechend dürfte es nie Probleme mit der Haftung geben. Wäre ich Waldbesitzer, hätte ich aber auch Angst: Was ist, wenn sich einer in meinem Wald verletzt? Und weil es nicht so einfach ist, das zu beantworten, wäre es mir auch am liebsten, es geht schlichtweg keiner rein in meinen Wald.

Manche bauen regelrecht Fallen.

Staudigel: Diese richtig schlimmen Fallen mit Drähten auf Kopfhöhe, die gab es bei uns in der Gegend soviel ich weiß noch nicht. Was man ab und zu mal sieht, das sind quergelegte Äste. Das muss man hinnehmen – man muss so angepasst fahren, dass man bremsen kann. Oder man sieht es als sportliche Herausforderung und springt drüber.

Winterstein: Das zeigt natürlich, dass ein gewisser Hass von irgendwem da ist. Sich allein dazu hinreißen zu lassen, so eine Falle zu bauen, ist schon erschreckend.

 

Es gibt das aber auch andersherum: Mountainbiker rücken mit Hämmern, Nägeln, Akkuschraubern und Sägen an und bauen sich in den Wald Sprungschanzen.

Winterstein: Wir verstehen, wo der Bedarf herkommt – wir können das definitiv nicht unterstützen. Unser Anliegen ist, dass man offiziell versucht Strecken anzulegen, die diesen Bedarf erfüllen.

Staudigel: Wir haben 2014 ein Konzept erstellt, in dem auch drauf hingewiesen wird, legale Angebote für anspruchsvolles Fahren zu schaffen. Das löst die Probleme automatisch.

 

Was wurde aus dem Antrag?

Staudigel: Er wurde leider nicht umgesetzt. Das Problem ist, dass zu viele Interessengruppen im Boot sitzen: Naturschutz, Forst, Sport, Jagd, Besitztum und so weiter.

 

Wie könnte es aussehen nach Ihren Ideen?

Staudigel: Unsere Idee war, dass man am Rathsberg in Erlangen die sogenannte "Feuerschneise", einen fünf Meter breiten, gerodeten Streifen, dafür hernimmt und anspruchsvolles Fahren über Schanzen kontrolliert ermöglicht. Das war nicht durchsetzbar.

 

Die Fahrradstadt Erlangen mag das nicht?

Winterstein: Bisher nicht. Aber es gibt keine generelle Ablehnung. Wir hatten erst kürzlich wieder einen vielversprechenden Dialog mit dem Oberbürgermeister. Es bestehen aber noch zu viele Bedenken und rechtliche Einschränkungen. Da ist noch mehr Überzeugungsarbeit bei allen Interessensgruppen nötig.

 

Manche argumentieren, Mountainbiken zerstöre die Natur.

Winterstein: Es gibt wissenschaftliche Studien zu dieser Frage. Unter normalen Bedingungen verursacht ein Mountainbike nicht mehr Schaden als ein Wanderer auf dem Weg.

 

Unter normalen Umständen bedeutet: Wenn man auf den Schotterwegen bleibt?

Winterstein: Kein Mountainbiker möchte Querfeldein durchs Unterholz fahren, das funktioniert gar nicht. Wo man fahren möchte, das sind die bestehenden Trampelpfade, der Untergrund muss fest sein. Bremsspuren sind sichtbar, aber der Regen wäscht das wieder weg.

Staudigel: Wir hatten zudem angeboten, wenn ein Weg häufig genutzt wird, diesen instand zu halten. Aber das wird nicht angenommen.

 

Herr Staudigel, Herr Winterstein, was wünschen Sie sich für die Zukunft als Mountainbiker in den Erlanger Wäldern?

Winterstein: Den Sport im Einklang mit allen Waldnutzern in Frieden betreiben zu können. Das deutlich akzeptierter als bisher schon. Und dass dieses Bild des bösen Fahrrowdies zur Seite rückt.

Staudigel: Ich würde mir wünschen, dass diese rigorose Sperrverordnung im Tennenloher Forst nochmal überdacht wird. Ob diese Gefahr für Leib und Leben wirklich so groß ist, wie sie dargestellt wird.

 

Im Lokalsportcast, dem Podcast der Lokalsportredaktion, können Sie das komplette Gespräch kostenfrei auf nordbayern.de/erlangen nachhören.

Es ist uns völlig unverständlich, woher das negative Bild kommt.

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