Erlangen: Verwirrung um den Streik

29.9.2020, 16:42 Uhr
Erlangen: Verwirrung um den Streik

Roland Hornauer war überrascht. Der Verdi-Mann aus Erlangen hatte keine Information, dass auch der öffentliche Personennahverkehr der Universitätsstadt bestreikt werden soll. "Es gab von Verdi jedenfalls keinen Streikaufruf gegen die Erlanger Stadtwerke", so Hornauer. "Aus unserer Sicht hat sich das Unternehmen unnötig selbst bestreikt."

in Fürth oder Nürnberg – Erlangen sei vom Arbeitskampf offenbar ausgenommen. Und auch wer im morgendlichen Berufsverkehr unterwegs war sah keine Menschenmengen an den Haltestellen, keine erzürnten Fahrgäste oder überfüllte Ersatzbusse. Und doch bestreikten, wie die Recherchen dieses Medienhauses ergaben, rund ein Drittel der Beschäftigten im Erlanger Busverkehr ihren Arbeitgeber, die Stadtwerke.

"Offenbar haben sich alle nur auf den Streikaufruf von Verdi gestürzt", sagt Ralf Wurzschmitt, Bereichsleiter Stadtverkehr bei den Erlanger Stadtwerken. Sehr wohl aber habe sein Tochterunternehmen einen offiziellen Streikaufruf erhalten – nur nicht von Verdi, sondern von der NahVG, der Nahverkehrsgewerkschaft, die mit Verdi konkurriert.

Minimum 4,8 Prozent mehr Lohn

Diese fordert für die 2,5 Millionen Betroffenen bundesweit mindestens 4,8 Prozent mehr Lohn für Beschäftigte, die gerade auch während der Pandemie als systemrelevant ihren Dienst an der Gesellschaft schob.

Auf den Streik, der, so Wurzschmitt, sich wohl vorerst lediglich auf den gestrigen Dienstag von 4.30 Uhr bis 16 Uhr beschränkte, hatte sich der Erlanger ÖPNV dementsprechend vorbereitet. Anders als noch vor vier Jahren, als man wie diesmal in Nürnberg das Nightliner-Kontingent einsetzte, wollten die Stadtwerke die Gebietsabdeckung nicht einschränken. 13 städtische Buslinien fuhren also wie gewohnt – allerdings reduziert im Stundentakt.

Ein Drittel des Normalniveaus im Einsatz

Das, so Claus Goebel, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit der Erlanger Stadtwerke, entsprach etwa einem Drittel des Normalniveaus. Während dauerhaft zwanzig bis dreißig Streikende vor den Werkstoren des Busbetriebshofs an der Frauenauracher Straße auf den Arbeitskampf aufmerksam machten, blieben insgesamt schätzungsweise rund 40 bis 50 Busfahrerinnen und Busfahrer ihrer Arbeit gestern fern. Auch das entspricht rund einem Drittel der insgesamt rund 150 Beschäftigten der Stadtverkehr mbH, einer Tochter wiederum der Erlanger Stadtwerke AG.

Um dem erhöhten Fahrgastaufkommen am Morgen und am Nachmittag während der Corona-Pandemie gerecht zu werden, bei der zum Infektionsschutz ohnehin mehr Busse im ÖPNV bereitgestellt werden als sonst, setzte das Unternehmen die nicht streikenden Busfahrer ein, um morgens bis zu sechs, am Nachmittag weitere Zusatzbusse auf die Straße zu bringen, um überfüllte Busse zu vermeiden. "Ansonsten planten wir in den Streikfahrplänen ausschließlich mit dem Drittel externen Fahrern, die wir gesetzlich als Obergrenze einsetzen dürfen", so Ralf Wurzschmitt. Damit kam das Unternehmen gestern zwar an die Belastungsgrenze, konnte aber reibungslos einen reduzierten Fahrgastbetrieb anbieten.

Viele stiegen auf Rad und Auto um

"Insgesamt", so Wurzschmitt, "müssen wir sagen, dass wir mit dem Streik gut umgegangen sind. Auch können wir unsere Mitarbeiter nur loben: Es lief zu jeder Zeit geordnet und vernünftig ab. Auch unsere Fahrgäste verhielten sich durchweg kooperativ und waren offensichtlich auch Dank der Erlanger Nachrichten im Vorfeld sehr gut über die Situation informiert." So vermieden einige derer, die es können, den öffentlichen Nahverkehr und stiegen bei Sonnenschein aufs Fahrrad um – oder das Auto.

Auch Roland Hornauer war deshalb am Ende des Streiktages irgendwie zufrieden: "Die Aktion war ein Erfolg" – egal, ob sich die Stadt nun selbst bestreikt hat, oder eben nicht.

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