Geschichtsbewusst wie der Großvater

22.7.2017, 05:41 Uhr
Geschichtsbewusst wie der Großvater

© Foto: Stadtmuseum

"Man nannte ihn wirklich zu Recht den ,historischen Christoph‘": Sigrid Dassler-Malms blättert fasziniert im alten Besucherbuch des Herzogenauracher Stadtmuseums. Die großformatige Kladde, wegen ihrer zahlreichen Einträge zum Zeitgeschehen mehr ein Gedenkbuch des vergangenen Jahrhunderts als ein Gästebuch, ist in der Abteilung zur Industriegeschichte der Aurachstadt einzusehen.

Verse des Großvaters

In Versform hat Christoph Dassler, Mitbegründer des Stadtmuseums und Vater der erfolgreichen Dassler-Brüder, hier immer wieder Gedanken zum Weltgeschehen zu Papier gebracht. "Geschrieben im Zweiten Weltkriegsjahr" datiert er ein Gedicht, mit dem er im Juli 1915 den "zukünftigen Kriegsbegeisterten" beschreibt – und dann, wie bereits nach einem Jahr Kriegseuphorie und Propagandalügen in sich zusammenfielen.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Chronik findet sich, in sauberer Schülerschrift, die Signatur von "Adolf Dassler, Bäckerlehrling".

Freude über den Frieden

Aus einem etwas holprigen Eintrag vom März 1919 spricht Erleichterung darüber, dass alle drei Dassler-Söhne die Völkerschlacht heil überstanden haben: "Wir waren dabei, uns wars beschieden, jetzt freuen wir uns dies Friedens" – unterschrieben von Fritz, 19. Bayer. Inf. Regiment, und von Rolf, 1914 bis 1918 im 7. Bayer. Inf. Regiment" sowie von Adolf, der noch im letzten Kriegsjahr, mit dem 11. Reserve-Infanterie Regiment, in den Krieg ziehen musste.

Sigrid Dassler-Malms ist die jüngste Tochter von Käthe und Adi Dassler. Angereist war sie zusammen mit ihren Kindern und Enkeln Anfang letzter Woche zu einem Gedenken anlässlich des 100. Geburtstages von Mutter Käthe Dassler. Auf dem Städtischen Friedhof wurde die Lebensleistung von Käthe Dassler gewürdigt, auch eine Straße erinnert an die große Ehrenbürgerin Herzogenaurachs. Nach diesem offiziellen Programm widmet sich Tochter Sigrid im Stadtmuseum der Familiengeschichte. Ihr liegt die Historie der Familie und hier besonders die korrekte Darstellung sehr am Herzen. Mit der "Adi & Käthe Dassler Memorial Foundation" mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein, unterhält Sigrid Dassler-Malms ein Archiv zur Erforschung und Vermittlung der Familiengeschichte. Das Institut möchte Anlaufstelle und Quelle für Recherchen sein.

Aus diesem Grund nutzt die Dassler-Tochter jeden Besuch in der Aurachstadt, um sich zu informieren. Diesmal kam sie in Begleitung von Altbürgermeister Hans Lang und Mischa Szeker, dem Archivar der Adi- und Käthe-Dassler-Stiftung, ins Museum. Ihr Ziel war dabei die Suche nach neuen, bislang unbekannten Unterlagen.

Beeindruckt waren die Besucher von den schriftlichen Dokumenten im Stadtarchiv sowie von aussagekräftigen Schaustücken im Stadtmuseum. Hier ist ja bekanntlich auch die Geschichte der Sportschuhfabrik der Gebrüder Dassler und aller Nachfolgefirmen detailliert dokumentiert.

Fußstapfen des Vorfahren

Während des Rundgangs im Museum wurde der Wahl-Schweizerin Sigrid Dassler-Malms auch die Rolle ihres Großvaters bewusst, der die Erforschung der Herzogenauracher Stadtgeschichte sein Leben lang als leidenschaftliches Steckenpferd betrieben hat. Die Enkelin bewegt sich ganz in den Fußstapfen ihres geschichtsbewussten Großvaters.

Viele der heute im Museum gezeigten Exponate sind Schenkungen Christoph Dasslers, der in seiner Freizeit Gäste persönlich durch die Sammlung führte, die nach der Gründung im Jahr 1908 zunächst im östlichen Torturm eingerichtet worden war. Erlernt hatte der "historische" Christoph Dassler das Tuchmacherhandwerk, damals ein Traditionsberuf in Herzogenaurach. Doch nach Einführung moderner Spinnmaschinen, während die Tuchweber am Handwebstuhl festhielten, war dem Gewerbe der Niedergang beschert. Seinen Lebensunterhalt verdiente Christoph Dassler schließlich in der Schuhfabrik des Unternehmers Louis Berneis.

Ein Berufswechsel, mit dem sein Lebenslauf eine entscheidende Wendung nahm und der nicht nur für die Söhne Adolf und Rudolf Bedeutung hatte, sondern die gesamte Entwicklung der Heimatstadt von Christoph Dassler beeinflussen sollte.

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