"Katastrophe in Erlanger Hochhaus ist unmöglich"

19.6.2017, 06:00 Uhr

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Stadtbrandrat Friedhelm Weidinger ist sich sicher: "So eine Brandausbreitung ist aufgrund der gesetzlichen Vorgaben mehr als unwahrscheinlich."

Die Außenfassaden von Hochhäusern – das sind Häuser mit Aufenthaltsbereichen über 22 Metern – müssen in Deutschland aus nicht brennbaren Materialien bestehen, erläutert Weidinger. Diese Vorschrift habe es bereits gegeben, bevor die Erlanger Hochhäuser, die meist aus den 70er Jahren stammen, gebaut wurden.

Aus einer Höhe von bis zu 23 Metern über der Erdgleiche könne man Menschen noch mit der Drehleiter retten. Wenn Häuser aber mehr als sieben oder acht Stockwerke haben und damit die Wohnungen höher als 22 Meter liegen, müssen besondere bauliche und technische Maßnahmen wie zum Beispiel ein Feuerwehraufzug und Sicherheitstreppenräume vorhanden sein.

Die meisten Erlanger Hochhäuser verfügen jedoch nicht über alle diese Einrichtungen, weil sie Bestandsschutz genießen und es manche Vorschriften bei ihrem Bau so noch nicht gegeben hat. Im Langen Johann, mit 27 Stockwerken das höchste Hochhaus in Erlangen, in dem im Dezember 2012 eine Wohnung im neunten Stock lichterloh gebrannt hatte, ist ein Aufzug zwar als "Feuerwehraufzug" gekennzeichnet, er erfülle jedoch nicht die heutigen Kriterien, sagt Weidinger.

Darum müssen seine Kräfte bei einem Feuer die Treppen mühevoll hinauf laufen."Aufgrund der Bauvorschriften gehen wir davon aus, dass sich ein Wohnungsbrand in einem Hochhaus auf das Geschoss beschränkt, in dem es brennt", sagt Weidinger.

Beim Feuer vor gut vier Jahren im Langen Johann habe sich gezeigt, dass diese Vorschriften tatsächlich greifen. Denn die Wohnung hatte lichterloh gebrannt, die Flammen schlugen bereits aus dem Fenster heraus und die Fassade empor, aber in Brand geraten ist die Fassade nicht. Und obwohl die gesamte Wohnung zerstört wurde, hatte das Feuer auch nicht auf andere Wohnungen übergegriffen. Wochenlang war zwar die starke Verrußung der Fassade noch zu sehen, ein Feuerüberschlag hatte jedoch nicht stattgefunden – ein Beweis dafür, dass die Brandschutzvorschriften gegriffen haben.

Brennende Fassaden

Unterhalb der Hochhausgrenze von 22 Metern gelten allerdings andere Bauvorschriften auch für die Außenisolierung. Mehrfach hat die Erlanger Feuerwehr da schon mit brennenden Fassaden kämpfen müssen, die beispielsweise durch Mülltonnenbrände verursacht wurden. Es sei darum angebracht, dass — wie es Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gefordert habe — die energetische Gebäudesanierung auf den Prüfstand gestellt werde, um zu ergründen, ob die geforderte Außendämmung eine zusätzliche Brandgefahr darstellt.

Ebenso weist der Stadtbrandrat auf das besondere Einsatzkonzept bei einem Zimmer- oder Wohnungsbrand in einem Hochhaus hin. Zunächst werden neben dem Löschzug unter anderem ein zusätzliches Tanklöschfahrzeug, ein Abrollbehälter mit Ersatz-Atemschutzgeräten sowie drei Freiwillige Feuerwehren alarmiert.

Vier Mann mit Atemschutz

Von einem Löschfahrzeug wird sofort die trockene Steigleitung mit Wasser versorgt, so dass in den einzelnen Stockwerken Löschwasser aus dem Wandhydranten zur Verfügung steht. Gleichzeitig wird zwei Stockwerke unter der Brandwohnung ein Depot eingerichtet, von wo aus der Löschangriff startet und die eventuell geretteten Personen übergeben werden. Außerdem dringen nicht wie sonst zwei, sondern sofort vier Atemschutzträger, die von einem Einheitsführer unterstützt werden, unter schwerem Atemschutz für den Erstangriff zum Brandherd vor.

Weidinger weist auch auf die Rauchmelderpflicht hin, die bis Ende des Jahres in allen Wohnungen umgesetzt werden muss. Mehrfach seien dadurch auch in Erlangen schon größere Brände verhindert und Menschenleben gerettet worden. Und dann macht Weidinger noch einmal deutlich: "Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben kann eine Brandausbreitung bei Hochhäusern, wie sie in London passiert ist, hierzulande nicht passieren."

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