Kritik an ministeriellem "Willkürakt"

20.6.2013, 00:00 Uhr
Kritik an ministeriellem

© Böhner

„Die Entscheidung erscheint uns als Willkürakt.“ Als Professor Werner Hohenberger diesen Satz sagt, zuckt auf dem hochkarätig besetzten Podium nicht nur sein Sitznachbar zusammen. Gerade noch hat sich dieser, der Ärztliche Direktor des Erlanger Uni-Klinikums, darum bemüht, den richtigen Ton zu treffen. Mit wohl dosierten Worten versucht Prof. Heinrich Iro, die eben besiegelte „privilegierte Partnerschaft“ mit Großhadern nicht als reinen „Rettungsanker“ aussehen zu lassen, sondern als „auf Dauer angelegt“ und als pragmatische Lösung im Sinne einer „optimalen Patientenversorgung“.

Da platzt es aus dem Direktor der Chirurgischen Klinik heraus. „Die Argumente (des Ministeriums für die Schließung des Erlanger Zentrums, d. Red.) sind nicht nachvollziehbar. Ich verstehe nicht, weshalb gerade Erlangen dicht gemacht werden soll“, stellt Hohenberger fest. Immerhin leben in der Metropolregion Nürnberg 3,5 Millionen Menschen. Dass für den ein oder anderen das Erlanger Leberprogramm über Nacht lebenswichtig werden kann, zeigt der Fall eines jungen Mannes aus dem Kreis Forchheim.

Erst kürzlich retteten Erlanger Spezialisten unterstützt von Kollegen aus Großhadern dem inzwischen 18-Jährigen mit einer Lebertransplantation das Leben (die EN berichteten). Da der Schwerkranke nicht transportfähig war, wäre er — so das Erlanger Zentrum bereits geschlossen gewesen wäre — vermutlich gestorben.

Inzwischen befindet sich der junge Transplantationspatient auf dem Weg der Besserung. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, er ist ansprechbar“, so ein an der Transplantation beteiligter Mediziner.

Widersprechen mag Hohenbergers Einschätzung keiner, nicht seine Erlanger Kollegen, nicht seine Münchener — zumal der Erlanger Einrichtung allseits gute Strukturen und regelkonformes Arbeiten bescheinigt werden und zugleich die Kritik an der ministeriellen Entscheidungsgrundlage für den Schließungsbeschluss nicht abreißt.

So erneuert Prof. Gerd Otto, der als Sonderprüfer der Prüfungs- und Überwachungskammer der Landesärztekammer Berlin mit dem Thema betraut und zugleich ein Transplantationsmediziner der ersten Stunde ist, gegenüber unserer Zeitung seine Kritik. Da die Ergebnisse, die zu dem Urteil einer schlechten Ergebnisqualität in Erlangen geführt hatten, nicht „risikobereinigt“ seien, könne aus den Daten nicht gefolgert werden, dass Erlangen schlechter sei als die übrigen bayerischen Zentren.

Damit scheint das Hauptargument für das Aus der Erlanger Einrichtung entkräftet. Doch damit nicht genug. Es gibt weitere offene Fragen, Antworten sind die zuständigen Minister bisher schuldig geblieben: Weshalb soll die vergleichsweise junge Einrichtung in Würzburg bestehen bleiben, obwohl sie ebenfalls nur geringe Transplantationszahlen vorweisen kann? Warum kommt Regensburg ungeschoren davon, obwohl dem dortigen Lebertransplantationszentrum eine tragende Rolle im Organspendeskandal zugewiesen wird?

„Das geht an die Ehre“, gesteht Mediziner Iro und beschreibt, wie schwierig die derzeitige Situation sei, für seine Mitarbeiter, für Patienten und potenzielle Organspender(-familien). Welch fatalen Folgen solch eine Verunsicherung haben kann, zeigt ein Blick auf die Organ-Spendebereitschaft: Diese ist im Freistaat erneut gesunken, allein im ersten Drittel des laufenden Jahres um 60 Prozent.

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