Kunstvolle Orientierung im Impfzentrum Erlangen

19.3.2021, 10:08 Uhr
Kunstvolle Orientierung im Impfzentrum Erlangen

© Harald Hofmann

Rund. Das ist der erste Eindruck. Spitz sind hier nur die Nadeln. Ansonsten ist hier das Allermeiste rund. Oder hat zumindest die Andeutung von Gerundetem. Denn das ist ja aus dem eigenen Erleben bekannt: Kantiges wird leicht als hart empfunden, Rundes schmeichelt dem Empfinden.

Und die Rücksichtnahme auf dessen Subtilität ist in diesem Ambiente besonders angebracht, denn hier, im Impfzentrum der Stadt Erlangen und des Landkreises Erlangen-Höchstadt in der Sedanstraße, erhalten viele Menschen, über den ganzen Tag verteilt, ihre Spritze gegen das Corona-Virus. Die psychische Belastung in der Pandemie plus der Bammel vor der unter Umständen als schmerzhaft empfundenen Impfung – noch mehr Zusetzungen der Seele müssen nicht sein. Deshalb ist hier das Allermeiste rund. Clever gedacht und clever gemacht. Und diese mit voller Absicht so gestaltete Umgebung hat natürlich Väter, in diesem Falle Mütter: nämlich die Diplom-Designerin und Grafikerin Sandra Di Maria und die Diplom-Ingenieurin und Innenarchitektin Britta Speer.

Wie war das gleich nochmal, im Spätherbst des vergangenen Jahres? Alles musste schnell gehen, sogenannte Impfzentren mussten hurtig aus dem Boden gestampft werden. Erlangen hatte Glück, denn – des einen Freud, des anderen Leid – das Sportfachgeschäft Eisert stellte den Betrieb ein und die Stadt griff auf die Immobilie zu, hatte also somit weit über 1000 Quadratmeter zur Verfügung. Gut reagiert, sonst hätte, wie in anderen Städten, die Zelt-Lösung gedroht. Also: Man hatte schon mal ein ehemaliges, mehrstöckiges, leeres Ladengeschäft. Nur: Wer kümmert sich um die Ertüchtigung, die Einrichtung, den Betrieb?

Kunstvolle Orientierung im Impfzentrum Erlangen

© Harald Sippel

Oberbürgermeister Florian Janik deutete auf die Mitarbeiter des Kulturamts und sagte: "Ihr habt Erfahrung mit Großveranstaltungen, ihr könnt das." Amtsleiterin Anne Reimann brachte also ihre Mannen und Frauen in Stellung und holte noch dazu etliche E-Werk-Mitarbeiter aus der Kurzarbeit. Böden wurden neu verlegt, Beratungs- und Impfkabinen gebaut, gar eine komplette Treppe versetzt. Und Belegschaften gegründet und in die einzelnen Dienstleistungen der anstehenden Impfungen eingewiesen.

Verdammt wenig Zeit

So weit, so gut. Und jetzt? Musste natürlich noch ein Orientierungssystem her, das den Besuchern Klarheit über ihre Laufwege im Gebäude verschafft. Sandra Di Maria, mit eigenem Büro und festem Team in der Gerberei und deutschlandweit zigfach erprobt im Gestalten von Messen und Ausstellungen, erhält einen Anruf: Ob sie nicht die grafische Ausstattung des neuen Impfzentrums übernehmen könne? Der Haken: verdammt wenig Zeit. In Worten: kaum zwei Wochen.

Also los: Es galt, die fünf Etappen des Besuchs der Impfwilligen – als da wären Anmelden/Aufklären/Impfen/Beobachten/Abmelden – in ihrer Reihenfolge unverwechselbar zu kommunizieren. Pfeile an den Wänden, Embleme von den Decken und Aufsteller auf den Böden sollen Wege und Inhalte weisen. "Das Kulturamt ist ein aufgeschlossener Auftraggeber", sagt Sandra Di Maria. Was heißen soll: Niemand legt ihr Steine in den Weg.

Sie macht sich ans Werk, holt sich große Wabenplatten aus Karton, "sehr stabiles Material", und lässt sie gemäß der gewünschten gerundeten Form ausfräsen. Das danach aufgedruckte, verschiedenfarbige Papier ist recyclebar, PVC-frei, auf ihm sind die Nummerierung, eben die diversen Bereichsfarben und Piktogramme zur besseren Orientierung, auch von außen und aus der Tiefgarage heraus, zu sehen. "Und" – und das betont Sandra Di Maria ganz besonders – "unsere Wegschilder weisen nicht nur die Richtung, ihre spezifischen Formen lassen auch Assoziationen an Schutzschilder, Herzen und Häuser zu. Es ist ein System, das sowohl Sicherheit, aber auch Geborgenheit ausstrahlt." Und Britta Speer, die die Räume in den von den Messebauern vorgegebenen Schranken optisch plant, assistiert: "Wir haben Räume für Menschen gestaltet. Wir wollten das Impfzentrum zum angenehmen Ort machen."

Neue An- und Einblicke

Und noch was ist dazu sehr hilfreich – "künstlerische Intervention": An manchen Wänden hat Sandra Di Maria einige großformatige Wolkenbilder angebracht, deren Motive ineinandergeschnitten sind, sogenannte Lentikular-Bilder mit Flip-Effekt. Wenn man langsam an ihnen vorbeigeht, setzen sie sich immer wieder neu zusammen und offerieren neue An- und Einblicke.

Rechtzeitig zum Start des Impfzentrums am 15. Dezember war alles fertig. Und das Ganze kann sich sehr sehen lassen. Und ist zudem ein echtes Unikat: Alle anderen Impfzentren in Deutschland wurden nämlich von der Bundeswehr eingerichtet. Und dort macht man sich bekanntlich um "runde Geborgenheit" nicht den allergrößten Kopf.

Auf alle Fälle hat das Konzept überzeugt. Und zwar derart, dass die drei neuen, dezentralen Impfstätten in Herzogenaurach, Eckental und Höchstadt auch mit dem Erlanger Wegeleitsystem ausgestattet werden.

"Patentieren lassen"

Der Leiter des Erlanger Impfzentrums, Hans Joachim Drossel, hat seine Begeisterung über das visuelle Erscheinungsbild seiner derzeitigen Wirkungsstätte, an Sandra Di Maria und Britta Speer gewandt, so formuliert: "Das solltet ihr euch patentieren lassen."

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