Nadja Pries bei Olympia: "Ich möchte ins Finale"

17.8.2016, 06:00 Uhr
Nadja Pries bei Olympia:

© Foto: Harald Sippel

Haben Sie die Freude über die Olympia-Qualifikation schon verarbeitet?

Nadja Pries: Eigentlich ist es erst jetzt wirklich Freude. Kurz nach der Qualifikation war das alles so unrealistisch, ich war ganz ehrlich mit der Situation überfordert. Das hat ein, zwei Wochen gedauert, denn natürlich ist es ein Traum, aber wenn es geschafft ist, macht man sich Gedanken, wie die folgenden Wochen überhaupt aussehen. Aber mittlerweile ist da nur noch Vorfreude. Ich kann mit der Situation umgehen und fühle mich bereit.

Vor vier Jahren waren Sie auch schon einmal nahe dran an Olympia, waren aber zu jung für einen Start.

Pries: Ich hätte damals die Qualitäten gehabt, durfte aber, weil ich zu jung war, gar nicht an der Qualifikation teilnehmen. Deswegen weiß ich auch nicht, ob es geklappt hätte.

Sie hatten viele Rückschläge durch Verletzungen. Haben Sie mal gezweifelt, den Sprung nach Rio zu schaffen?

Pries: Ich war in den vergangenen zwei Jahren wirklich viel verletzt, aber im Winter habe ich mir gesagt, dass damit Schluss ist. Im ersten Worldcup war ich auch extrem gut drauf, doch dann kam der Zusammenstoß mit einer Konkurrentin, die an die 80 kg wog. Da konnte ich körperlich nicht dagegen halten und bin wohl schon in der Luft K.o. gegangen. Die beiden gebrochenen Finger sind immer noch nicht ganz verheilt und wegen der Gehirnerschütterung war ich lange in Behandlung, weil mir ständig schlecht war und ich Treppen hinauf gefallen bin. Auto fahren durfte ich auch nicht.

Belastet einen das nicht?

Pries: Nein, als Sportler auf diesem Level muss man diese Einstellung und die mentale Stärke haben, denn körperlich sind alle gut. Die Rennen werden aber zu 70 oder 80 Prozent im Kopf entschieden.

Sie studieren Psychologie in Erlangen. Hilft das bei der mentalen Einstellung?

Pries: Ich bin erst im zweiten Semester, aber im Psychologiestudium lernt man so etwas nicht. Da geht es darum, wie der Mensch funktioniert. Mentale Stärke bringt man sich selbst bei. Meine Eltern nennen das bei mir Dickköpfigkeit, ich würde sagen es sind Disziplin und Willen.

Sie sind internationale Rennen gewohnt, aber Olympia wird anders sein. Wird dieses besondere Gefühl immer im Hinterkopf sein?

Pries: Das ist gar kein Vergleich. Ich war letztes Jahr bei den European Games in Baku, das ist Olympia sehr ähnlich, es gibt zum Beispiel auch ein olympisches Dorf. Aber es ist trotzdem nicht das gleiche. Allein das Bewusstsein, dass so wenige Sportler das überhaupt erreichen – darauf kann man sich nur schwer vorbereiten. Viele geben den Rat, sich nicht zu sehr faszinieren zu lassen, und bei den Sportlern gilt die Regel, dass man beim ersten Mal nur bei Olympia ist, um sich umzuschauen, weil man so überwältigt ist. Beim zweiten Mal geht es dann um Medaillen. Ich will also auf jeden Fall auch 2020 starten.

Wie sehen Sie Ihre Chancen? Oder machen Sie sich da keine Gedanken?

Pries: Doch, ich bin ein Mensch, der immer ein Ziel braucht. Das erste war, überhaupt nach Rio zu kommen. Das ist ja jetzt geschafft, worauf sollte ich mich also noch vorbereiten, wenn ich mir kein neues Ziel setze? Ich kann ja nicht nur feiern. Ich möchte auf jeden Fall ins Finale der Top Acht. Das ist machbar, das weiß ich. Ansonsten möchte ich Rennen fahren, nach denen ich rausgehe und zufrieden bin, weil ich nichts verschenkt habe.

Also keine Medaillenträume?

Pries: Ein Medaille ist als Ziel unrealistisch, damit wird man nicht glücklich. Ich bin auch altersmäßig noch gar nicht so weit. Die anderen Fahrer sind 26 oder 27 Jahre alt, es gibt nur ganz wenige jüngere.

Der Bund Deutscher Radfahrer schickt drei Athleten nach Rio. Ein sehr kleines Team also. Ist das eine eigenartige Situation?

Pries: Nach Rio fahren ich, Luis Brethauer und mein früherer RC 50-Teamkollege Julian Schmidt als Ersatzfahrer. Dazu der Bundestrainer. Die Jungs kenne ich schon seit ich sieben bin und wir sind es gewohnt, in kleinen Gruppen zu reisen. Zur WM fahren ja auch nur die, die auch qualifiziert sind. BMX ist eine Individualsportart, aber vor Ort im Deutschen Haus trifft man dann ja auch andere Sportler. Manche kenne ich von der Bundeswehr.

Werden Sie allein nach Rio reisen, oder sind Unterstützer – außerhalb des offiziellen Teams – dabei?

Pries: Meine Mutter möchte unbedingt mitkommen, aber das steht noch in den Sternen, weil das alles extrem teuer ist. Aber ich kann sie verstehen, denn das ist schon etwas besonderes. Ich kenne auch ein paar Leute aus Nürnberg, die sich schon vor einem Jahr ihre Tickets gesichert haben und sich alle möglichen Wettkämpfe ansehen wollen. Es wäre witzig, sie dort zu treffen.

Und alle übrigen sitzen dann hier vor dem Fernseher und drücken die Daumen…?

Pries: Ja, aber hoffentlich werden die Rennen auch übertragen. Bei den Judokas ist das wohl nicht unbedingt der Fall. Aber bei den Spielen in Peking und London wurde BMX immer gezeigt.

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