Politische Lieder: "Kettcar" spielt im rappelvollen E-Werk

25.1.2018, 11:15 Uhr
Vor rappelvollem Haus spielte die Rockband "Kettcar" im Erlanger E-Werk.

© Rainer Windhorst Vor rappelvollem Haus spielte die Rockband "Kettcar" im Erlanger E-Werk.

Natürlich stellen die neuen, explizit politischen Songs keinen Bruch dar zu den alten, eher eine konsequente Fortführung, war doch auch ein alter Favorit wie "Graceland", den die Hamburger als eines der ersten Lieder im ausverkauften E-Werk-Saal spielen, schon eine gestochen scharfe Analyse nicht nur privater, sondern eben auch gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Von revolutionärer Aufbruchsstimmung ist im gestopft vollen Saal allerdings wenig zu spüren: "Hallo Franken, alte Lady" begrüßt Sänger/Gitarrist Markus Wiebusch das Auditorium, überlässt dann viele der launigen Ansagen dem Bassisten Reimer Bustorff (dem das Publikum ein Geburtstagsständchen singt) und lässt die Songs für sich selber sprechen.

"Sommer '89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)" etwa wird im Netz kontrovers diskutiert, wirkt die Geschichte des jungen Mannes, der mithilfe eines Bolzenschneiders an der österreichisch-ungarischen Grenze als mutiger Fluchthelfer in Erscheinung trat, auf einige Ostdeutsche doch so, als hätten damals nicht sie selbst, sondern die Wessis die Wende herbeigeführt. Wie auch immer: Im Konzert, mit dem Video auf den Leinwänden hinter der Bühne, entfaltet der Song mit seinen gesprochenen Strophen und dem hymnischen Refrain durchaus pathetische Wirkung. Noch stärker ist "Wagenburg", in dem Wiebusch die Frage stellt, welchen Wert eine Gemeinschaft hat, die lediglich durch den Wunsch geeint ist, ihre Privilegien zu verteidigen.

Liebe ist, was man tut

"Wir sind ja jetzt eine politische Punkband" witzelt Wiebusch und kündigt einen "Emo-Block" mit drei Liebesliedern an. "Liebe ist nicht das, was man fühlt, sondern das, was man tut" lautet einer seiner Kernsätze und das bedeutet manchmal eben auch, der Freundin die Kotze aus den Haaren zu waschen. Im Gegensatz zu den klugen, reflektierenden, sprachlich ungemein kraftvollen Texten ist und bleibt die Musik von Kettcar doch etwas eindimensional. Ihr schnurgerader, stadionkompatibler Mainstream-Rock sucht und findet stets die große Geste, bietet aber melodisch, harmonisch und rhythmisch wenig Variationen.

Nichtsdestotrotz kann man die Kettcar-Lieder gut mit sich herumtragen und ins eigene Leben einbauen. Nicht von ungefähr ist das Publikum – teils mit der Band gealtert, teils neue, junge Fans – von vorne bis hinten textsicher. Ich vs Wir? An diesem Abend gewinnt ganz klar das Wir.

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